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Panik, die Chipkrise ist zu Ende

Gerüchteküche rund um die Halbleiterbranche
Panik, die Chipkrise ist zu Ende

Ob es sie tatsächlich so extrem gegeben hat, wie sie gepusht wurde, wird wohl aus der Sichtweise der Fachleute unterschiedlich beantwortet. Fakt ist, dass in Europa 2022 die EMS-Industrie um 13.9 % und 2023 um rund 10.9 % im Umsatz gewachsen ist.

Entsprechend den in4ma Halbjahresumfragen 2022/23 war dabei 1/3 Preiserhöhung und 2/3 war Mengenwachstum. Das bedeutet für 2022 ein Mengenwachstum von 9.3 %, ein Wert, den die EMS-Industrie die letzten zehn Jahre nicht erreicht hatte. Automatisch stellt sich nun die Frage, wo die Halbleiter herkamen, um dies Wachstum zu ermöglichen?

Die Halbleiter-Industrie hat bereits 2021 ihren Mengenausstoß um 21.6 % erhöht (Source: IC Insights). 2023 kam hinzu, dass sich plötzlich viele Firmen wunderten, dass die von ihnen dringend benötigten Halbleiter, die nun endlich geliefert wurden, relativ alte Datumscodierungen hatten. Das ganze Gerede über die Chipkrise hat jedoch 2021 und 2022 zu künstlich aufgeblasenen Panikbestellungen der OEM-Einkäufer geführt, die sicherstellen wollten, dass ihr Unternehmen eine ausreichende Versorgung hat. Die EMS-Industrie lieferte in Mengen, die in den Vorjahren nie erreicht wurden. Gleichzeitig freute man sich über die hohen Auftragsbestände von zum Teil über zwei Jahre Reichweite. Bei den OEMs füllten sich die Lager und ab 2023 realisierten sie, dass es keine Versorgungsprobleme gab. Neue Bestellungen wurden nicht erteilt, bestehende Bestellungen hätte man am liebsten storniert, konnte in den Verhandlungen aber zumindest eine Liefertermin-Verschiebung erreichen, teils um über 9 Monate nach 2024. Einige börsennotierte EMS mussten in Folge Umsatz- und Gewinnwarnungen veröffentlichen. Bei den kleineren EMS machte sich dies bereits im 2. Halbjahr 2023 bemerkbar und Nervosität kam auf.

Anfang 2024 schlug dies teilweise in Panik um, die EMS wunderten sich, warum auf einmal keine Bestellungen mehr kamen. Wieso hatten die Kunden plötzlich keinen Bedarf mehr? Die Antwort ist ganz einfach. Die Aufträge, die unter normalen Umständen erst für 2024 von den OEMs benötigt worden wären, wurden bereits 2023 von den EMS-Unternehmen produziert und liegen jetzt bei den OEMs auf Lager.

Entgegen Gerüchten, die teilweise in der Industrie verbreitet wurden, war das Wachstum der letzten zwei Jahre nicht durch KI, 5G oder Digitalisierung verursacht, sondern durch viel heiße Luft. Nun sind bei vielen Firmen die Lager sehr voll, da kein erhöhter Bedarf des Endmarktes bestand. Das alles ist die klassische Entwicklung des Bull-Whip-Effektes, der 2022 und 2023 einen deutlich überhöhten Bedarf signalisierte, und nun 2024 in das Tal der Tränen abstürzt. Dabei ist die Talsohle noch nicht erreicht, sondern wird erst zur Jahresmitte erwartet. Bei vielen Firmen führt dies zu Kurzarbeit und teilweise auch zu Personalabbau. Allein in Deutschland prognostizieren die an der IPC/in4ma Jahresumfrage teilgenommenen 112 EMS-Firmen, die einen Umsatzanteil in Deutschland von ca. 61.2 % haben, einen Umsatzrückgang von 8.8 % für 2024.

Nach Regen folgt Sonnenschein, und so wird hoffentlich zum Jahresende wieder ein normales Niveau erreicht werden. Die Tatsache, dass vorgenanntes nicht für alle Firmen gleichfalls zutrifft, ist einfach erklärt. Firmen mit hoher Abhängigkeit von wenigen A-Kunden sind eher betroffen. Zudem gibt es deutliche Unterschiede, je nachdem welche Marktsegmente bedient werden. Details dazu finden sich im Bericht zur IPC/in4ma Jahresumfrage 2024.

Leider gibt es nun einige Firmen, denen das Wasser derart bis zum Hals steht, dass sie aus Furcht Gerüchte verbreiten, es gäbe zum Jahresende erneut eine Chipkrise, die dann extremer als die letzte Krise werde. Die OEMs sollten jetzt bereits den Bedarf der nächsten 12 bis 15 Monate ordern, um Versorgungssicherheit zu haben. Mit verursacht wird das Gerücht zudem durch einen Distributor, der mit einem mafiösen Ansatz á lá „kaufe jetzt, oder du wirst leiden“ behauptet, ab dem 3. Quartal 2024 würde Fernost einen außerordentlichen Bauteilebedarf haben, wobei lediglich das zusätzliche Mengenwachstum größer sei als der gesamte Bedarf von Europa. Solch unseriöse Geschäftspraktiken sollten Konsequenzen haben und diese Distributoren von der Lieferantenliste gestrichen werden.

Lassen Sie sich nicht irritieren. Auch diesmal wird wieder das Argument verwendet, KI wäre die Ursache für den extrem hohen Bedarf an Halbleitern. Lassen Sie sich von ihrem Lieferanten genau erklären, welche Teilnummern betroffen sind und welch neuen Lieferzeiten erwartet werden. Danach kontaktieren Sie einige Broker und fragen jene Teilnummern dort an. Wir haben dies in der letzten Krise ebenfalls getan. Da erhielten wir Angebote von Brokern, die Teilnummern, welche bei Distributoren teilweise 40 Wochen Lieferzeit hatten, innerhalb von 3 Arbeitstagen lieferbar wären. Die unverhandelten Preise unterschieden sich dabei nahezu kaum von den Preisen der Distributoren. Zudem ist es unbestritten, dass es einige Exoten bei Halbleitern gibt, die immer schon Lieferzeiten von bis zu 80 Wochen haben, was sich jedoch nicht verallgemeinern lässt.

Lassen Sie nicht durch unsinnige Gerüchte irritieren, sondern verlangen Sie nachkontrollierbare Fakten. Auch das Argument „Erdbeben Taiwan“ zieht da nicht, denn die neue Krise wurde schon vor zwei Wochen herbeigeredet. Zudem geben große Foundries bereits Entwarnung und Samsung bestätigt ebenfalls das Ende des Downturns und erwartet deutliche Gewinnsteigerungen.

Weitere Details, Fakten und Zahlen sind im Bericht zur Jahresumfrage verfügbar, der unter weiss@in4ma.de bestellt werden kann. Zudem wird es auch dieses Jahr wieder das EMS &PCB Forum 2024 geben (5./6. Juni 2024, Maritim Hotel in Ulm) wo die wichtigsten Themen diskutiert werden. Das sind allerdings weniger dubiose Panikmache, sondern qualifizierte Diskussionen zu potenziellen Low-Cost-Standorten in Europa bzw. MENA. Anmeldungen von EMS- und PCB-Herstellern können bei haass@in4ma.de getätigt werden.

www.in4ma.de

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