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Emil Otto blickt auf bewegte Zeiten zurück

Auch nach 120 Jahren gilt: „Agilität ist das Gebot der Stunde!“
Emil Otto blickt auf bewegte Zeiten zurück

Während einer 120-jährigen Firmengeschichte gibt es so manche Hürde zu meistern. So blicken die Experten für Flussmittel, Lote und Reinigungsmedien für die Verbindungstechnik von Emil Otto auf eine bewegte Firmenchronik zurück, die auch die deutsche Geschichte in all ihren Facetten widerspiegelt.

Der am 06.01.1861 geborene Emil Otto gründete das Rheingauer Unternehmen an seinem 40. Geburtstag in Magdeburg. Die Hauptstadt von Sachsen-Anhalt entwickelte sich damals gerade zum Mittelpunkt des deutschen Schwermaschinen- und Anlagenbaus. Metallverarbeitende Unternehmen wie Krupp-Gruson oder Buckau Wolf hatten somit einen hohen Bedarf an prozessunterstützenden chemischen Hilfsstoffen. Nachgefragt wurden neben Bohrölen, Beiz- und Poliermitteln auch Flussmittel zum Weich- und Hartlöten von Eisenwerkstoffen, Kupfer und Messing. Emil Otto verschrieb sich der Herstellung dieser Verbrauchsstoffe. Er entwickelte und produzierte eine Vielzahl von Chemikalien, wobei Flussmittel den Schwerpunkt bildeten. Gleichwohl konnte Emil Otto damals noch nicht absehen, dass sein Unternehmen auch nach 120 Jahren in der fünften Generation noch Bestand haben würde. Und dies trotz ereignisreicher Firmengeschichte.

Aber zurück zum Anfang: Emil Otto war eine echte Erfindernatur. Bereits als Kind grübelte er nächtelang darüber nach, wie sich spezifische Eigenschaften diverser Apparaturen verbessern ließen. Als er dann als junger Klempnerlehrling beim Löten gesundheitsschädlichen Salzsäuredämpfen ausgesetzt war, reifte in ihm der Entschluss, ein atoxisches Lötmittel zu entwickeln. Ein Ziel, das er nicht aus den Augen verlieren sollte.

Es dauerte allerdings bis zum 06.01.1901, bis nach zahlreichen Erfindungen, Patenten und erfolglosen Gründungsversuchen die Firma Emil Otto, Fabrikation chemisch-technischer Produkte ins Leben gerufen werden konnte. Das Basisprodukt der Unternehmung war zunächst ein Hilfsmittel zum Schutz und Erhalt von Kollektoren elektrischer Gleichstrommaschinen. ‚Otto‘s Kollektorglätte‘ gewann insbesondere in den Entwicklungsjahren der Elektrizität enorm an Bedeutung. Der Absatz der Kollektorglätte ging erst zurück, als Wechselstrom den Gleichstrom verdrängte.

Die damals zur Verfügung stehenden säurefreien Lötmittel genügten indessen oftmals noch immer nicht den Ansprüchen der Blech- und Metallwarenindustrie. Lötende trugen deshalb nach wie vor schwere Gesundheitsschäden durch Salzsäuredünste davon. Emil Otto forschte folglich weiterhin nach idealen Lötmitteln. Als es ihm schließlich gelang, brauchbare Produkte auf den Markt zu bringen, griffen Klempnereien und Metallwarenfabriken begeistert zu. Damit konnte ein Erfolg verbucht werden, den es zu organisieren galt. Er beauftragte seinen Schwiegersohn Paul Faßbender mit dem Absatz der Produkte. Faßbender gelang es, die Fabrikate nicht nur deutschlandweit, sondern auch in Ländern wie Österreich, Ungarn, Frankreich und der Schweiz einzuführen. Emil Otto hingegen konzentrierte sich darauf, weitere Lötöle, Lötfette und Lötpasten in mannigfacher Form hervorzubringen. So wurden beispielsweise Lötmittel für elektrotechnische Artikel, für Installationsarbeiten und für feinmechanische Arbeiten produziert. Überdies war es ihm möglich, bereits das Produkt mit der Katalognummer eins sowohl als Konzentrat als auch in Pulverform anzubieten. Damit war der Tüftler seiner Zeit weit voraus. Bis heute ist das Unternehmen weltweit der einzige Hersteller, der Flussmittel als Konzentrat und in Pulverform herstellt und liefert.

Höhen und Tiefen

Doch weiter in der Firmengeschichte: Am 14.11.1922 übergab Emil Otto aus gesundheitlichen Gründen die Firmenleitung an seinen Schwiegersohn. Dieser entwickelte das Unternehmen nach dem Tod des Firmengründers am 3. April 1930 und trotz der Wirren des Zweiten Weltkrieges kontinuierlich weiter. Auch die Zerstörung der Produktionsgebäude nach einem Bombenangriff am 16. Januar 1945 konnte den neuen Firmeninhaber und seine Frau nicht entmutigen. Vielmehr setzten sie die Produktion bis zum Wiederaufbau der Fertigungsstätte provisorisch in den noch erhaltenen Kellerräumen fort.

Nach der Teilung Deutschlands, die mit der am 7. Oktober 1949 in Kraft getretenen Verfassung der DDR endgültig vollzogen wurde, musste die Firmenleitung 1957 den nächsten Schlag verkraften. Emil Otto wurde – wie fast alle Unternehmen der damaligen DDR – in eine halbstaatliche Kommanditgesellschaft umgewandelt und zunächst mit je 50 % privatem und 50 % staatlichem Kapital weitergeführt. Der Enkel des Firmengründers beschloss daher, sich nach Hamburg abzusetzen. Dort eröffnete er eine Außenstelle des Unternehmens. Bevor der Mauerbau 1961 dann die endgültige Teilung Deutschlands und somit auch die Trennung des Unternehmens zementierte, übersiedelten weitere aus der Gründerfamilie hervorgegangene Gesellschafter nach Hamburg. Sie erwarben am heutigen Standort in Erbach (Eltville) ein zuvor als Konservenfabrik genutztes Werk, das sie zu einer chemischen Fertigung umbauten.

Spezielle Unternehmensform

Die am Standort in Magdeburg verbliebenen privaten Gesellschafter verloren hingegen 1972 ihre Unternehmensanteile. Per Gesetz hatte die DDR-Führung beschlossen, die mittelständische Industrie in Volkseigene Betriebe (VEB) umzuwandeln. Aus der Emil Otto KG wurde somit der VEB Löt- und Poliermittelwerk mit einem weiteren Standort in Berlin. Zentrale Aufgaben wie etwa die Anwendungsforschung, Qualitätssicherung und die Zentralbibliothek wurden von einem Fachgruppenleitbetrieb, dem VEB Härtol, betreut. Erst durch den Mauerfall 1989 und die anschließende Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten war es möglich, das Kombinat Härtol wieder zu entflechten und die Anteile des ehemals eigenständigen Unternehmens an die frühere Eigentümerfamilie zurückzugeben. Dazu wurde die Erbengemeinschaft EMOPOL Flux- und Oberflächentechnik GmbH unter der Leitung von Michael Leitreuter und Dr. Heinz Herzog ins Leben gerufen. Das Unternehmen wurde unter Auflagen weitergeführt und die Belegschaft auf Jahre hinweg weiterbeschäftigt. Nach dem Tod von Heinz Herzog gelang es Michael Leitreuter, die Erbengemeinschaft zu entwirren und die Firma wieder zu vereinen. Aus der Emil Otto OHG wurde die Emil Otto e.K. Seit 2013 wird das Unternehmen nunmehr in der Rechtsform einer GmbH geführt.

Seit dem Tod von Michael Leitreuter im November 2013 führen nun seine Tochter Barbara und ihr Mann Markus Geßner die Firma in fünfter Generation weiter. Auf Basis enger Kontakte zu Kunden, Instituten, Forschungseinrichtungen und Anlagenherstellern bauen sie derzeit neue Marketing- und Vertriebsstrukturen auf. Ziel ist es, die Produktpalette auch weiterhin den Anforderungen der modernen Elektronikindustrie entsprechend auszurichten.

Gelebte Tradition

Getreu dem Motto „Agilität ist das Gebot der Stunde!“ konnte das Unternehmen trotz aller Widrigkeiten mit dem technischen Wandel nicht nur Schritt halten, sondern diesen auch vorantreiben. So haben die Experten als Innovations- und Qualitätsführer beispielsweise die Umstellung auf bleifreie Lötprozesse, die Entwicklung von Selektivlötprozessen und umweltgerechten wasserbasierenden Flussmitteln aktiv begleitet und geprägt. Aktuell rücken sie Produkte für den Werkzeug- und Maschinenbau, das Hart- und Weichlöten und die Bereiche Kühlerbau und Bandverzinnung in den Fokus und wollen überdies das Portfolio um neue Reinigungsmedien und SMD-Kleber konsequent weiterentwickeln. Stillstand ist schließlich auch für Barbara und Markus Geßner keine Option.

productronica, Stand A4–315

www.emilotto.de

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