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Verkettung von SMT- und THT-Bestückung

Vollautomatisierte THT-Produktionslinie erspart manuelle Prozesse
Verkettung von SMT- und THT-Bestückung

Im Siemens Elektronik-Werk Amberg (EWA) werden THT-Bauteile in einer Linie durchgehend und vollautomatisiert ohne weitere manuelle Eingriffe mit Standard- SMT-Maschinen bestückt, gelötet und inspiziert. Das Konzept zeigt, wie eingeführte, manuelle Prozesse, wie die Bestückung von OSC-Bauelementen oder die selektive Wellenlötung erfolgreich weiterentwickelt und automatisiert werden können. Der neue innovative Schritt vereint beide Prozesse, herkömmliche SMT-Bestückung und THT-Verarbeitung, in einer Linie und verkettet sie automatisiert. In Folge kann auf jede weitere Maßnahme zur Bauteilfixierung oder Lötrahmen verzichten werden.

Das Siemens Elektronikwerk Amberg (EWA) wurde 1989 gegründet und produziert unter anderem speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) vom Typ Simatic. Jede Sekunde verlässt ein Produkt das Werk – 17 Millionen Geräte im letzten Jahr, mit steigender Tendenz. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat das Siemens Elektronikwerk Amberg 2021 als digitale Leuchtturmfabrik ausgezeichnet.

Simatic produziert Simatic: Die vielseitigen Simatic-Controller steuern auch im EWA die Maschinen sowie Anlagen und automatisieren die Fertigung. Der Automatisierungsgrad ist hoch: mehr als 75 Prozent der Wertschöpfungskette mit mehr als 1.000 Produktvarianten bewältigen Maschinen und Roboter eigenständig. „Das EWA produziert mit einer Qualität auf Anschlussebene von 99,9990 Prozent“, weiß Philipp Fischer, Production Engineer im Werk. „Hier profitieren wir von nachhaltiger Qualitätsarbeit, umfassender Datenintegration und Benchmarks in der industriellen Fertigung.“

Integratives Fertigungskonzept

„Wir wollen Synergien nutzen.“, so Philipp Fischer weiter. „Wir haben aktuell 71 SMT-Automaten von ASMPT in 17 Linien in unserer Fertigung, plus die gesamte Software-Architektur. Bei etwa 350 Produktwechseln pro Tag ist nicht nur maximale Flexibilität gefragt, sondern auch ein Höchstmaß an Transparenz bei Rüstkontrolle, Materialmanagement und Trace-ability. Dafür sind viele komplexe, eventgesteuerte Schnittstellen zwischen den verschiedenen Systemen erforderlich.

Seit der neuen Ausrichtung der Fertigung auf eine konsequente Technologieorientierung vor drei Jahren, nutzt das EWA das daraus entstandene Potential, um den Automatisierungsgrad weiter zu steigern. Nach der Evaluierung mehrerer Hersteller fiel unsere Wahl für das automatische Bestücken von THT-Bauelementen auf ASMPT, weil wir damit klare Vorteile bei der technischen Verfügbarkeit und der Robustheit im Prozess gesehen haben. Darüber hinaus bietet der Einsatz dieser Maschinen den zusätzlichen Benefit, dass die datentechnische Integration in die bestehende Infrastruktur und auch das Know-how bereits vorhanden sind.

Flexibles Maschinenkonzept

Die eigentliche Bestückung der Produkte übernimmt das Bestücksystem vom Typ Siplace SX. Es wird im Einfachtransport-Modus betrieben und ist derzeit mit einem Siplace Twin VHF Star Bestückkopf ausgestattet. Dieser Bestückkopf bedient ein Bauteilspektrum bis zu einer Größe von 200 x 125 mm und einer Höhe von 50 mm mit einer maximalen Bestückkraft von 100 N. Es handelt sich hier um einen Standard SMT-Bestücker, der mit zusätzlichen Optionen so flexibel ausgerüstet werden kann, dass Sonderbauformen und THT-Bauteile verarbeitet werden können. Diese Optionen umfassen:

  • Bauteilzuführung (Förderer)
  • Bauteilhandhabung (Pipetten & Greifer)
  • Bauteilvermessung (3D-Stereo Messung)
  • Bauteilmontage & Befestigung (Siplace Glue Feeder X oder/und Clinching Tool)

„Am ASMPT Lösungsansatz hat mir besonders gefallen, dass wir den Implementierungsgrad unserer Lösung selbst bestimmen und ihn auch während der Umsetzungsphase des Projektes noch anpassen konnten. Dadurch sind einige ausgezeichnete Impulse und Ideen eingeflossen, die wir parallel analysiert und weiterentwickelt haben und letztendlich in das Projekt einfließen lassen konnten.“

Integrative Zuführung bei freier Wahl der Kooperationspartner

Viele OSC-Bauteile und insbesondere THT-Bauteile erfordern aufgrund ihrer geometrischen Vielfalt und ihrer unterschiedlichen Verpackungsformen individuelle Zuführmöglichkeiten. Das Unternehmen bietet hier das sog. Feeder Development Kit an, das im Prinzip jedem Anbieter erlaubt, seine Zuführlösung nahtlos in die verschiedenen Bestücksysteme zu integrieren. Das Feeder Development Kit liefert alle Informationen, angefangen vom 3D-Modell von Maschine und Einbauraum über die Hardware zu Ansteuerung des Förderers bis zum vollständigen Schnittstellenprotokoll, um eine Zuführlösung zu integrieren. Der Umfang der Implementierung kann dabei weitgehend selbst festgelegt werden.

Für Philipp Fischer genau das richtige Tool: „Unsere Systembetreuer haben heute einen sehr großen Verantwortungsbereich. Auch deshalb haben wir hohe Ansprüche an die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Es ist aufwendig und unwirtschaftlich, nach der Ursache eines bekannten Problems suchen zu müssen, nur weil eine Maschine sie nicht korrekt ausgibt. Das Feeder Development Kit ermöglicht es uns, gemeinsam mit dem Hersteller des Förderers Fehler- und Statusmeldungen gerätespezifisch und individuell festzulegen, die dann auch an der Bedienoberfläche des Bestückautomaten ausgegeben werden. Solche Themen rund um die Maschinenkommunikation zwischen Bestücker und Feeder sind genauso wichtig wie eine funktionierende Hardware.“

Sanfter Transport

Innovativ an der neuen Produktionslinie ist auch, dass auf eine Fixierung der Bauteile auf der Leiterplatte vor dem Lötprozess verzichtet wird. Üblicherweise werden THT-Bauteile nach dem Einsetzen in die Leiterplatte geclincht. In der Fertigung bei Siemens in Amberg werden aber auch Relais verbaut, die aufgrund zu hoher mechanischer Belastung auf die Bauteil-Beinchen nicht geclincht werden dürfen.

Gemeinsam mit den Experten im SMT Center of Competence wurden Lösungsansätze getestet. In einem ersten Ansatz wurde mit Nassklebung gearbeitet. Philipp Fischer erklärt die Vorgehensweise: „Erste Versuche, die Bauteile mit einem Kleber für den Transport zu sichern, wurden für gut befunden – wir haben aber im Laufe der Versuche vor Ort festgestellt, dass der Transport selbst meist kein Problem darstellt, sondern vor allem ein abruptes Anlaufen, bzw. Anhalten der Leiterplatten. Durch entsprechende Justage der Beschleunigungs- und Bremsrampen nach dem Bestücken können wir also verhindern, dass Bauteile kippen oder umfallen. Dieses Konzept haben wir mit dem Seho-Team diskutiert, dem Hersteller unserer Lötanlage, und auch hier gibt es die Option eines sogenannten Soft-Stopps. Heute bestücken und löten wir diese Produkte vollautomatisch ohne weitere Hilfsmittel wie Kleben oder Clinchen und ohne Lötrahmen.“

In die Lötanlage integriert ist ein Bürstenmodul zur Reinigung der Leiterplattenunterseite und ein Inspektionssystem zur Lötstelleninspektion, so dass die fertigen Platinen ohne weitere manuelle Bearbeitungsschritte direkt weiterverarbeitet werden können.

Sichere Investition

Trotz der spezialisierten Fertigung sind keine teuren Sonderbestückungsmaschinen oder Roboter erforderlich. Das ASMPT Konzept sieht vor, die Standard-Anlagen durch sinnvolle Optionen zu ergänzen bzw. ihr Applikationsspektrum nach Bedarf zu erweitern. Die SX Bestückautomaten können jederzeit wieder in der reinen SMT-Fertigung eingesetzt werden – ein wichtiger Beitrag zur Investitionssicherheit.

Ein weiterer Aspekt ist sehr wichtig für Philipp Fischer: „Aufgrund der volatilen Märkte ist eine flexible Anpassung der Fertigungen heute notwendiger denn je. Gemäß dem Konzept der marktorientierten Produktion muss es möglich sein, Produkte und Fertigungsmengen an den verschiedenen Standorten hoch- bzw. herunterzufahren. Um auf solche Anforderungen reagieren zu können, sind immer flexiblere Fertigungsanlagen gefordert, die ohne Spezialequipment wie beispielsweise individuelle Lötrahmen auskommen.“

Erfolgreiches Gemeinschaftsprojekt

„Unsere vollautomatische THT-Fertigungslinie zeigt, wie rationelle Elektronik-Fertigung heute funktioniert“, resümiert Philipp Fischer. In der Linie arbeiten Maschinen verschiedener Hersteller reibungslos zusammen. Dabei wird klar, wie wichtig frühe und enge Entwicklungspartnerschaften sind, wie sehr es ebenso auf Zuverlässigkeit ankommt sowie auf die Kreativität aller beteiligten Unternehmen. „Unser langjähriger Systempartner ASMPT spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle: Er liefert uns präzise, schnelle und platzsparende Maschinen sowie funktionale Software – und lässt uns gleichzeitig alle Freiheitsgrade, die wir für unsere hochflexible und kosteneffiziente Produktion brauchen. Ohne die Maschinen und das Know-how unseres Systempartners wäre dieses richtungsweisende Projekt nicht möglich gewesen.“

www.smt.asmpt.com | www.siemens.com

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