Startseite » Technik »

Hohe Leistungsfähigkeit durch verbesserte Temperaturstabilität

Wie Siliziumkarbid-Halbleiter mit großen Schritten die E-Mobilität erobern
Hohe Leistungsfähigkeit durch verbesserte Temperaturstabilität

Die Leistungselektronik ist das Herz zahlreicher elektronischer Systeme im batterieelektrischen Fahrzeug. Halbleiter steuern hier die Energie und sorgen dafür, dass diese möglichst effizient genutzt wird. Insbesondere MOSFETs (Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistoren) aus Siliziumkarbid (SiC) genießen den Ruf, Elektromobilität auf das nächste Effizienzlevel zu heben.

In einigen Bereichen findet das Halbleitermaterial bereits rege Verwendung, bei anderen automobilen Anwendungen steht die Nutzung der Technologie noch am Anfang. Halbleiter-Produzent und Automotive-Experte Bosch schätzt die Zukunft von Siliziumkarbid sehr positiv ein.

Siliziumkarbid gehört zu den Wide-Bandgap-Materialien. Durch die breite Bandgap (Bandlücke) hat das Material Im Vergleich zu Silizium einige Vorteile: Dank der höheren Durchbruchfeldstärke können die Spezialhalbleiter größere Spannungen sperren bei gleichzeitig niedrigeren Durchlasswiderständen, was sie für eine Nutzung im Hochvoltbereich prädestiniert. Zusätzlich sorgt die verbesserte Temperaturstabilität dafür, dass der Halbleiter selbst bei Temperaturen bis zu 200 Grad Celsius seine Leistungsfähigkeit beibehält. Ein weiterer Vorteil von SiC ist die höhere Ladungsträgerbeweglichkeit, die im Vergleich zu aktuellen Siliziumlösungen zu signifikant höheren Schaltfrequenzen führt. All dies verbessert insgesamt die Effizienz.

Warum SiC sich lohnt

Je nachdem, in welchen Fahrzeugkomponenten die Chips zum Einsatz kommen, steht ein anderer Vorteil im Vordergrund. In E-Fahrzeugen profitiert die Leistungselektronik: insbesondere der Inverter, der DC/DC-Wandler und das On-Board-Ladegerät. Dank Siliziumkarbid wird im Inverter eine höhere Effizienz erreicht, die wiederum zu mehr Reichweite führt.

SiC-MOSFETs haben eine höhere Schalttransiente als Si-IGBTs und können daher schneller schalten. Mit der Erhöhung der Schaltgeschwindigkeit reduziert sich der Gesamtschaltverlust um etwa 50 Prozent. Zudem ermöglicht die SiC-Technologie eine schnellere Schaltfrequenz von bis zu 24 kHz. DC/DC-Wandler und On-Board-Ladegerät profitieren von weitaus höheren Schaltfrequenzen. Im Ladegerät ermöglichen sie somit beispielsweise kleinere und leichtere Systeme mit besserer Effizienz.

Der Einsatz von SiC-Halbleitern im Inverter trägt dazu bei, den Wirkungsgrad bei elektrischen Antrieben zu verbessern. Der elektrische Verbrauch (kWh/100 km) wird im Zusammenspiel mit weiteren Verbesserungen im Gesamtsystem reduziert. Dadurch erhöht sich die Reichweite von Elektrofahrzeugen beziehungsweise lässt sich die Batteriekapazität je nach Fahrzeugklasse und Anwendungsfall optimieren, was Kosten spart.

SiC-Chips erobern den Markt

Bei all den Vorteilen – aktuell enthalten nicht alle Elektroautos Siliziumkarbid-Chips. Das liegt unter anderem daran, dass SiC-Halbleiter kostenintensiver sind als vergleichbare Siliziumkomponenten. Die Herstellung von Siliziumkarbidboules erfordert sehr hohe Temperaturen von etwa 2.000 Grad Celsius und es sind mehr als zehn Masken- bzw. Strukturebenen mit über 300 Prozessschritten nötig, bis aus dem Rohmaterial ein Chip geworden ist. Entsprechend folgt der Einsatz von Siliziumkarbid in der Regel einer genauen Kosten-Nutzen-Rechnung.

Inverter auf Basis von Siliziumkarbid-Technologie sind deshalb aktuell vorrangig in leistungsstarken Fahrzeugen zu finden, wo sich die Vorteile der SiC-Halbleiter besonders bemerkbar machen. „Bei kleineren Elektrofahrzeugen, die häufig eine 400 Volt-Batterie besitzen, sind Inverter mit IGBT-Modulen auf Siliziumbasis noch breit im Einsatz. Bei Fahrzeugen, die auf Basis der 800-Volt-Technik Ladezeiten verkürzen, überwiegen jedoch klar die Vorteile von Siliziumkarbid im Inverter“, erklärt Anne Bedacht, Leiterin des Produktmanagements für Leistungshalbleiter bei Bosch.

Effiziente E-Mobilität hängt für sie somit stark mit SiC zusammen: „Allein, wenn man sich die letzten zehn bis fünfzehn Jahre anschaut, sind die Fortschritte sowohl bei SiC als auch bei E-Fahrzeugen kaum zu übersehen. Diese Entwicklung geht weiter. Siliziumkarbid-Chips erobern seit einigen Jahren den Markt, beginnend mit den Applikationen, bei denen es sich am meisten lohnt. Mit zunehmender Skalierung wird schließlich auch der Preis für die Chips sinken – damit wird sich ihre Verwendung in mehr und mehr Fahrzeugkomponenten und Fahrzeugen lohnen.“

Designed fürs elektrische Fahren

Bosch hat schon früh auf SiC gesetzt. Mit der Entwicklung der ersten SiC-Halbleiter begann das Unternehmen 2001, der erste MOSFET-Prototyp war 2011 verfügbar. Ganz bewusst stellte das Unternehmen sich bei der Halbleiterentwicklung von Anfang auf die Herausforderungen der Automotive-Branche ein. „In Fahrzeugen sind Halbleiter ganz anderen Bedingungen ausgesetzt als im stationären Einsatz,“ erklärt Anne Bedacht. „Allein die Temperaturunterschiede, denen ein Auto ausgesetzt ist, sind eine Belastung für die Elektronik. Hinzu kommt, dass wir es mit höheren Qualitätsanforderungen zu tun haben. Ein Auto ist viele Jahre im Einsatz. Die Lebensdauer des Halbleiters muss da mithalten können. Das Design unserer Chips spiegelt das wider.“

Ein Beispiel dafür ist das Design des Gate Oxids beim Trench MOSFET. Für SiC-Chips hat das Unternehmen ein eigenes Fertigungsverfahren entwickelt, für das der Unternehmenseigene Trench-Ätzprozess adaptiert wurde. Das Verfahren, das in der Branche auch als „Bosch-Prozess“ bekannt ist, wurde ursprünglich 1994 für MEMS-Sensoren entwickelt. Es ermöglicht das Freilegen hochpräziser vertikaler Strukturen im Wafer-Material. Statt wie sonst üblich planar, ist das Gate vertikal aufgebaut. Das Oxid, mit dem das Gate isoliert ist, liegt nicht nur auf sondern ragt in den Chip hinein. „Dieser Aufbau sorgt für eine höhere Leistungsdichte. Gleichzeitig muss auch eine ausreichende Lebensdauer dargestellt werden. Das ist wichtig, denn während der vielen Jahre, die das Bauteil im Fahrzeug ist, steht es schließlich insgesamt viele Stunden unter hoher Spannung“, berichtet die Halbleiter-Expertin.

Die Zukunft steht im Zeichen von SiC

Im Bereich Automotive stellt sich das Unternehmen bewusst breit auf und vertreibt SiC-MOSFETS in Form von Bare Dies und Discretes direkt an OEMs, Tier-1und –2-Lieferanten sowie Distributoren, verbaut diese aber auch in den eigenen Modulen und Komponenten. Aus Sicht des Unternehmens widersprechen sich die beiden Vertriebswege nicht, wie Anne Bedacht erklärt: „Im Gegenteil, beide Kundengruppen profitieren von unserer breiten Erfahrung im Automotive-Bereich. Viele Anwender setzen schon seit langer Zeit oder für mehr Differenzierung auf eigene Designs und Systeme. Diese OEMs und Tiers wollen wir genauso unterstützen, wie jene, die komplette Module und Komponenten inklusive unserer SiC-Halbleiter nutzen.“

Die Zukunft steht für Bosch klar im Zeichen von SiC. Das Unternehmen baut seine Fertigungskapazitäten systematisch aus – sowohl am bestehenden Produktionsstandort Reutlingen, wo die Chips seit 2021 in Serie gefertigt werden, als auch in der neuen Wafer-Fab in Roseville, Kalifornien, wo aktuell auf Siliziumkarbid umgerüstet wird. In Reutlingen fertigt das Unternehmen bereits heute Muster erster Siliziumkarbid-Chips auf 200-Millimeter Wafern für die Erprobung bei Kunden. In den kommenden Jahren soll sich das Liefervolumen so mehr als verzehnfachen. „Die Automobilindustrie ist ein wichtiger Treiber, um die Technologie weiter voranzutreiben“, resümiert Anne Bedacht. „Mit den hohen Stückzahlen werden wir zudem Skalierungseffekte erreichen, die die Kosten langfristig senken und die Vorteile von Siliziumkarbid auch für andere Applikationen öffnen.“

electronica, Stand C3.316

www.bosch.de


Das Projekt IPCEI ME/CT wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg aufgrund eines Beschlusses des Landtages von Baden-Württemberg, vom Freistaat Sachsen aufgrund des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes, vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und aus Mitteln der Europäischen Union – NextGenerationEU.


kurz & bündig

Ein Halbleiter-Produzent und Automotive-Experte gibt Einblicke in das Thema Siliziumkarbid-Halbleiter in E-Autos und schätzt die Zukunft dieser Technologie sehr positiv ein.

Unsere Webinar-Empfehlung
INLINE – Der Podcast für Elektronikfertigung

Doris Jetter, Redaktion EPP und Sophie Siegmund Redaktion EPP Europe sprechen einmal monatlich mit namhaften Persönlichkeiten der Elektronikfertigung über aktuelle und spannende Themen, die die Branche umtreiben.

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktuelle Ausgabe
Titelbild EPP Elektronik Produktion und Prüftechnik 5
Ausgabe
5.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Videos

Hier finden Sie alle aktuellen Videos


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de