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Alles einfach röntgen

Anleitung für eine erfolgreiche Röntgeninspektion
Alles einfach röntgen

Die Leistungsfähigkeit heutiger Mikro- oder Nanofokussysteme ist immens. Das scharfe Echtzeitbild ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Hochwertige Röntgensysteme zeichnen sich durch große Flexibilität und modulare Anpassungsfähigkeit an die individuellen Prüfanforderungen aus. Darüber hinaus können sie einfach und intuitiv bedient werden, so dass sich der Anwender ganz auf seine Prüfaufgabe konzentrieren kann, ohne sich mit den Eigenheiten des Prüfsystems beschäftigen zu müssen. Umfangreiche Softwarepakete und ein durchdachtes Systemdesign machen dies möglich.

Dr. Udo E. Frank, Viscom, Hannover

Röntgenuntersuchungen liefern ohne Verzögerung Bilder von der inneren Struktur eines Prüfteils. Mit keiner anderen Technik aus dem Bereich der zerstörungsfreien Prüfung (ZfP oder englisch NDT/non-destructive test) sind Volumeninformationen so schnell und aufschlussreich verfügbar. Mikrofokusröhren der sogenannten offenen Bauart machen Strukturen von 1 µm und kleiner sichtbar. Durch die unterschiedlich starke Schwächung der Röntgenstrahlen – hervorgerufen durch die verschiedenen Komponenten des Prüfteils – wird im zentralsymmetrischen Projektionsbild ein Grauwertmuster erzeugt. Dieses Muster ist die Prüfinformation, die der Bediener oder ein automatisches Bildanalysesystem auswertet.
Was passiert bei der Röntgenprüfung?
Bei geeigneter Strahlungshärte können alle Dinge durchstrahlt werden. Die Durchdringungsfähigkeit allein ist aber nicht entscheidend. Interessanter ist es zu wissen, welches Material in welcher Stärke hinter welchen anderen Materialien welcher Dicke erkannt werden soll. Die Frage lautet also: Welche Strukturen und Materialien sind hinter welchen anderen Strukturen und Materialien sichtbar (Bild 1)? Sollen Poren (Luft) in Kunststoff (schwach absorbierend), Aluminium (mittelstark absorbierend) oder Eisen (stark absorbierend) erkannt werden? Oder sollen Goldbonddrähte in einem Chip mit Plastikgehäuse (schwach absorbierend) oder hinter einer Stahlabschirmung (stark absorbierend) inspiziert werden? Die Kontraste in den genannten Fällen sind sehr unterschiedlich, können aber durch geeignete Wahl der Beschleunigungsspannung, durch Verwendung des richtigen Detektors und mit Bildverarbeitungsmaßnahmen deutlich verstärkt werden.
Die in Röntgenröhren erzeugte Röntgenstrahlung besteht ähnlich dem Sonnenlicht im Wesentlichen aus einem kontinuierlichen Spektrum. Oberhalb eines dünnen Heizfadens werden freie Elektronen in einem statischen Hochspannungsfeld (typisch für Mikrofokusröhren von 10 bis 250 kV) beschleunigt und in einem Brennfleck auf einer Scheibe aus Wolfram (oder ähnlichem Material) abgebremst. Die Durchdringungsfähigkeit der von dort ausgehenden Röntgenbremsstrahlung hängt direkt von der verwendeten Beschleunigungsspannung ab. Je höher die Spannung ist, umso härter und durchdringender ist die Strahlung. Die wichtigste Entscheidung bei einer Röntgenuntersuchung ist die der richtigen Beschleunigungsspannung. Wenn sie zu niedrig ist, ist die Durchdringung zu schwach und das Bild bleibt schwarz. Ist sie zu hoch, wird alles überstrahlt, ohne einen erkennbaren Kontrast zu erzeugen. Die Beschleunigungsspannung der Röntgenröhre sollte in Abhängigkeit von der Prüfaufgabe so niedrig wie möglich gewählt werden.
Röntgenröhre, Manipulator, Detektor
Die Röntgenröhre ist sicher die charakteristischste Hauptkomponente eines Röntgensystems. Die beiden anderen, der Detektor und das Manipulationssystem, sind aber nicht weniger wichtig, bestimmen sie doch wesentlich die Bandbreite der Inspektionsmöglichkeiten.
Im Detektor wird aus der Röntgenabsorptionsstruktur des Prüfteils ohne erkennbare Verzögerung ein Grauwertmuster erzeugt, das für das menschliche Auge auf einem Bildschirm in ein optisches Bild umgewandelt wird. Die Auflösung reicht von 12 Bit (4 096 Grauwerte) digitaler Kameras, die hinter einem Bildverstärker platziert sind, bis zu 16 Bit (65 536 Grauwerte) moderner Viscom-Flachbilddetektoren. Je größer die Grauwertauflösung eines Detektors ist, umso feinere Strukturunterschiede können sichtbar gemacht werden. Besonders wichtig wird dies, wenn die Bilder für die Computertomografie verwendet werden, um die dreidimensionale Volumenstruktur des Prüfteils aus den Grauwerten zu berechnen.
Das Manipulationssystem, sein Aufbau und seine Flexibilität bestimmen, wie gut ein Prüfteil untersucht werden kann. Auf einem Tischmanipulator, der horizontal in X-/Y-Richtung bewegt werden kann, können auf einer Fläche von typischerweise 320 x 460 mm ein großes oder viele kleine Prüfteile untersucht werden. Die direkte, geometrische Vergrößerung kann durch die Positionierung des Manipulators in Z-Richtung einfach eingestellt werden. Darüber hinaus sind mit der Mikrofokusröhre des Unternehmens keine weiteren Justierungen nötig, da sie über eine punktförmige Strahlenquelle verfügt. Das Bild hat so eine fast unendliche Tiefenschärfe.
Die Bewegung des Prüfteils in der abgeschirmten Röntgenkabine erfolgt bequem per Maus oder auf Wunsch auch per Joystick. In einem optischen Übersichtsbild, welches für jedes neu hineingelegte Prüfteil automatisch erneuert wird, wird der gewünschte Inspektionsort mit einem Doppelklick ausgewählt. Der Manipulator fährt an den Ort, der im Bild mit einem roten Markierungskreuz gekennzeichnet ist. Das rote Markierungskreuz folgt dabei jeder Bewegung des Manipulators. Damit ist jederzeit erkennbar, an welcher Stelle das vergrößerte Röntgenbild gerade erzeugt wird. Ein großes Bleiglasfenster verschafft einen zusätzlichen Überblick über die Prüfsituation.
Wenn das Prüfteil aus verschiedenen Richtungen betrachtet werden soll, wird der Prüftisch in weniger als einer Minute gegen eine Dreh-Kipp-Einheit ausgetauscht, ohne die Bediensoftware neu starten zu müssen. Die Veränderung des Manipulators wird automatisch erkannt. Der Prüfling kann mehrfach um 360° gedreht und um ±45° gekippt werden. Auf diese Weise ist ein schneller Blick in die dritte Dimension des Strukturaufbaus möglich.
Computertomografie
Ist die innere Struktur des Untersuchungsobjekts so komplex, dass auch eine Serie von Schrägaufnahmen nur unzureichende Erkenntnisse liefert, kann diese Schwierigkeit relativ einfach mit Hilfe der Computertomografie (CT bzw. Mikrofokus-CT/µCT) gelöst werden (Bild 2). Dafür sind keine mechanischen Umbauten oder gesonderten Kalibrierungen nötig. Es erfolgt lediglich die Aufnahme von Röntgenbildern in Drehpositionen, die gleichmäßig auf den Vollkreis von 360° verteilt sind. Alle notwendigen Geometriedaten werden automatisch erfasst und für die Rekonstruktion ausgewertet. Diese steht schon nach wenigen Minuten zur Verfügung. Zwei- und dreidimensionale Untersuchungen sind im gleichen Röntgensystem jederzeit möglich.
Das präzise Manipulationssystem ermöglicht darüber hinaus genaue Messungen des Prüfteils, da die Geometriedaten des Prüfraumes genau bekannt sind. Im 2D-Verfahren müssen die Messpunkte nicht einmal im gleichen Bild erscheinen, und auch größere Abstände können gemessen werden. Im 3D-Volumenmodell der CT können Schnitte in beliebiger Richtung durch das Prüfteil gelegt werden, so dass auch Abstandsmessungen in jeder Richtung möglich sind (Bild 3).
Höchste Vergrößerung in Schrägdurchstrahlung
Flache Prüfteile (Bild 4) wie z. B. Leiterplatten mit ihren teilweise verdeckten Lötstellen (BGA, FlipChip, THT, QFN, …) werden für Schrägaufnahmen ebenfalls gedreht und gekippt. Sie können aber wegen der räumlichen Ausdehnung des Röhrenkopfes im gekippten Zustand nicht nah genug an die Strahlenquelle, den Röntgenbrennfleck, herangeführt werden, um eine ausreichend hohe geometrische Vergrößerung zu erreichen (Bild 5). Aus diesem Grund wird dann anstelle der Leiterplatte der Detektor geschwenkt, denn die Mikrofokusröhre stellt einen ausreichend großen Nutzstrahlkegel zur Verfügung. Auf diese Weise kann die Leiterplatte bei höchster Vergrößerung in Schrägansicht durchstrahlt werden (Bild 6). Wird der schwenkbare Detektor mit einem Drehteller kombiniert, der ebenso schnell wie die bereits erwähnte Dreh-Kipp-Einheit ausgetauscht werden kann, dann sind Schrägdurchstrahlungen bei hoher Vergrößerung in jede beliebige Richtung möglich. Eine automatische Nachführung hält die inspizierte Szene immer im Bild, so dass z. B. eine BGA-Verbindung bequem von allen Seiten betrachtet werden kann.
Ein Echtzeitbildverarbeitungssystem stellt die Bilder automatisch in optimaler Bildqualität dar, ohne dass der Bediener eingreifen muss, wenn sich die Grauwertstruktur des Bildes ändert. Dadurch kann sich der Bediener voll auf die Auswertung des Röntgenbildes konzentrieren. Die digitalen Bilddaten können zur Dokumentation in allen gängigen Bildformaten gespeichert werden.
Messung und Automatisierung
Da alle Manipulatorachsen CNC-fähig sind, können serielle oder sich wiederholende Prüfungen in Prüfplänen zusammengefasst werden. Fehlerhafte Prüfteile werden automatisch markiert. Durch eine Vielzahl von Analysewerkzeugen, die an verschiedenste Prüfanforderungen flexibel angepasst werden können, wird die Bildauswertung objektivierbar. Dadurch kann auch der letzte Automatisierungsschritt, die Bewertung durch den Bediener, vom Bildverarbeitungssystem übernommen werden.
Zusammenfassung
Die Röntgeninspektion kommt z. B. bei der Prüfung sicherheitsrelevanter Komponenten in der Automobil-, Luft- und Raumfahrtindustrie zum Einsatz (unter anderem bestückte Leiterplatten, elektronische Komponenten). Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Materialprüfung zur Detektion von Poren und Rissen in z. B. Schweißnähten oder von Fremdkörpern in der Produktion der Pharma- und Lebensmittelindustrie. Viscom stellt für viele Anwendungsgebiete aus dem Bereich der Qualitätssicherung und der zerstörungsfreien Prüfung das Röntgensystem X8011 bereit (Bild 7). Mit diesem System können – wie in diesem Artikel ausführlich beschrieben – angefangen bei der rein manuellen Sichtprüfung über die automatische Positionierung der Prüfteile bis hin zur bedienerunabhängigen, vollautomatischen Bildaufnahme und Auswertung alle denkbaren Stufen der Röntgeninspektion in ein und demselben Röntgensystem realisiert werden – einschließlich der vollständigen Volumenrekonstruktion mit Hilfe der Computertomografie. Zusätzlich bietet die X8011 die kundenfreundliche XMC-Bedienoberfläche sowie eine große Auswahl an Viscom-eigenen Analyse-Tools, die für höchste Leistung bei höchstem Bedienkomfort sorgen.
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Dr. Udo E. Frank ist im Unternehmen für den Vertrieb von µCT-Systemen zuständig
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