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Baugruppen OSP-schonend reinigen

Anforderungen an die Fehldruckreinigung bestückter Leiterplatten
Baugruppen OSP-schonend reinigen

Das Reinigen fehlbedruckter Baugruppen gewinnt aus Kostengründen zunehmend an Bedeutung. Waren es in der Vergangenheit in erster Linie unbestückte Fehldrucke die zu reinigen waren, so ist die Standardanforderung heute vermehrt das Reinigen von doppelseitig bestückten Baugruppen. Insbesondere das Entfernen der No-Clean-Lotpastenrückstände ist hier die Kernanforderung. Jetzt wurde ein Prozess ermittelt, der das Entfernen von Lotpaste auf Baugruppen möglich macht, ohne die gelötete Seite anzugreifen. Dieser ist besonders für mit OSP (Organic Solder Protects) beschichtete Boards geeignet, da diese Substrate sehr empfindlich gegen Reinigung sind.

Zestron, Ingolstadt

Die Reinigen von fehlbedruckten Bareboards ist ein Prozess, der bereits in der Vergangenheit problemlos möglich war und in verschiedenen Anlagentechniken mit unterschiedlichsten Reinigungsmedien umgesetzt wird. Gängig ist hier neben wasserbasierenden Spritzreinigungsprozessen auch die Ultraschallreinigung mit wasserbasierenden oder halbwässrigen Medien.
Da sich aufgrund der in der Regel geringen Stückzahlen der zu säubernden Komponenten eine eigene Reinigungsanlage für Fehldrucke nicht rechnet, wurden immer mehr Schablonenreinigungsanlagen hinsichtlich dieser Anwendung weiterentwickelt. Da es sich bei der Schablone genauso wie beim unbestückten und mit Lotpaste bedruckten Substrat um eine flache Oberfläche handelt, sind die Prozessanforderungen an Reinigung, Spülung und Trocknung vergleichsweise unkritisch. Bild 1 zeigt ein Beispiel einer fehlbedruckten Leiterplatte. Die erneute und zuverlässige Bedruck- und Lötbarkeit ist bereits seit einiger Zeit in der Praxis eingeführt und auch bei Unternehmen gängig, die höchste Anforderungen an ihre Langzeit-Baugruppenzuverlässigkeit stellen. Das Entfernen von Lotpaste auf Baugruppen, die bereits auf einer Seite gelötet wurden, stellt den Anwender vor die wesentlichen Herausforderungen
• vollständiges Entfernen der Lotpaste auf der ungelöteten Seite und
• vollständiges Entfernen der gelöteten Flussmittel auf der gelöteten Seite.
Das Entfernen der gedruckten Paste stellt keine kritische Anforderungen an den Prozess. Hier ist die Reinigung, Spülung und Trocknung in Hinterschneidungen und Kapillaren, verursacht durch die bereits aufgelöteten Komponenten, die Herausforderung (Bild 2).
Die Anforderungen unterscheiden sich nur unwesentlich von denen der reinen Baugruppenreinigung, bei der gezielt die Flussmittel und Lotpastenrückstände entfernt werden sollen, um beispielsweise elektrochemische Migration, Korrosion oder mangelnde Haftung von Schutzlackierungen im Feld von vornherein zu vermeiden. Der chemische Vorgang des Flussmittelentfernens sieht je nach verwendeter Lotpaste unterschiedlich aus. Eine typische „Entfernungsreihe“ ist in Bild 3 erkennbar. Auch diese Prozesse wurden in der Vergangenheit für viele Anwender realisiert. Da eine eigene Reinigungsanlage zu diesem Zweck als unökonomisch angesehen wurde, hat man hierzu häufig Schablonenreinigungsanlagen mit Heizungen, leistungsstärkeren Pumpen und verbesserten Trocknungssystemen versehen, um das notwendige Prozessfenster zum Entfernen der gelöteten Pastenrückstände zu ermöglichen. So können diese Anlagen sowohl für die Schablonen- als auch für die Fehldruckreinigung genutzt werden.
OSP schafft neue Herausforderung
Durch die wachsende Verbreitung von sogenannten Organic-Solder-Protects, die als kostengünstige und planare Variante zum HAL-Verfahren (Hot Air Leveling) vermehrt in den Vordergrund tritt, kommt eine zusätzliche Aufgabe auf die Prozesslieferanten zu: Das OSP sollte nur so stark entfernt werden, dass ein erneutes Löten des gereinigten Substrats innerhalb eines kurzen Zeitraums möglich ist.
Die OSPs selbst sind eine nur wenige Mikrometer dicke, organische Schicht, die die Kupferlötstelle vor Oxidation schützt. Aufgrund ihrer geringen Schichtdicke und ihrer chemischen Zusammensetzung ist sie sowohl gegen jegliche Reinigungsmedien als auch gegen die Lösemittelbestandteile und Aktivatoren der aufgedruckten Lotpaste empfindlich. Beide Ziele, das vollständige Entfernen von teilweise hartnäckigen Flussmittelrückständen und Schutz der empfindlichen OSP-Schicht, sind jedoch prinzipiell gegensätzlich und erfordern daher einen „intelligenten“ Reinigungsprozess.
Nun gibt es hierzu nur eine denkbare Alternative: Die No-clean-Flussmittel auf der gelöteten Seite werden überhaupt nicht berührt und nur die fehlbedruckte Lotpaste wird entfernt. Gleichzeitig wird auch hier das OSP nicht angegriffen.
Zestron konnte jetzt, nach umfangreichen Tests in seinem technischen Zentrum, Prozesse realisieren, die es ermöglichen, beide Ziele zu erreichen. Eine spezifisch dafür ausgelegte Reinigerformulierung sowie angepasste Prozessparameter sorgen für hinreichend große Arbeitsfenster, die ein Einschleifen eines solchen Verfahrens in die SMT-Bestückung ermöglichen. Die getesteten Prozesse erfüllen die Anforderungen typischerweise in einem Temperatur-/Zeitfenster von 30 °C und 5 min und stellen somit ein sehr schonendes Verfahren dar.
Einzelfälle kritisch prüfen
Bei aller Begeisterung über die Praxistauglichkeit eines solchen Verfahrens müssen verschiedene Fragen im Einzelfall sorgfältig gemeinsam mit dem Anwender überprüft werden. Da der Reiniger trotz allem in Kontakt mit der gelöteten Paste tritt, muss sichergestellt werden, dass kein Angriff erfolgt, der sich langfristig auf den Betrieb der Baugruppe negativ auswirken könnte. Daher muss in jedem Fall hinterfragt werden
• ob die elektrische Sicherheit der Baugruppe garantiert ist (eine rein optische Beurteilung reicht nicht aus und eine Alterungssimulation durch eine Kombination von Temperaturwechsel und Konstantklimalagerung sind empfohlen),
• ob das Arbeitsfenster ausreichend groß ist, um den Prozess sicher und wiederholbar zu gestalten und
• ob die verwendete Lotpaste für diese Prozessfahrweise geeignet ist, denn nicht jede Lotpaste bleibt in dem definierten Fenster unberührt.
Da selbst die No-Clean-Lotpasten von einem Hersteller chemisch unterschiedlich aufgebaut sind, kann keine pauschale Aussage über die Machbarkeit getroffen werden. Wer dies dennoch tut, riskiert böse Überraschungen im Feld. Um dem Anwender trotzdem bei der Wahl der Paste zunächst eine Auswahlmöglichkeit zu geben, wird derzeit in Testrei-hen eine Auswahl an Lotpasten ermittelt, mit denen ein solcher Prozess prinzipiell möglich ist. Diese Übersicht kann bei Zestron angefordert werden.
Ein wesentlicher Vorteil dieses Reinigungsverfahrens ist, dass OSP-beschichtete Fehldrucke so gereinigt werden können, dass eine hinreichende Schichtdicke des Protects erhalten bleibt. So können die gereinigten Boards innerhalb eines annehmbaren Zeitraums zur Wiederverarbeitung erneut in den Druck- und Lötprozess eingeschleust werden.
Lotpaste schädigt das OSP
Aber die Reinigung selbst ist nicht der einzige kritische Punkt hinsichtlich der Wiederverarbeitungszeit. Wie bereits in der Vergangenheit muss berücksichtigt werden, dass die Substrate kurz nach dem Fehlbedrucken in die Reinigung geführt werden müssen. Sonst erfolgt schon durch die Aktivatoren und die organischen Bestandteile der Lotpaste ein irreparabler Angriff des OSPs sowie des darunter liegenden Kupfers, der dann auch in der Reinigung nicht mehr zu korrigieren ist (Bild 4). In Zusammenar-beit mit führenden OSP-Herstellern wird in einer Reihenuntersuchung derzeitüberprüft, unter welchen Prozessbedingungen ein optimaler OSP-Schutz mög-lich ist.
Im Dialog mit Anlagenherstellern ist jetzt zu überprüfen, ob auch von Seiten der Anlagentechnik weitere Prozessop-timierungen hinsichtlich Anwendungsbreite und Prozessfenster umsetzbar sind. Eine solide Entscheidungsgrundlage bekommt der Anwender, wenn man ihm die Verfahren unter Praxisbedingungen vorführt, ihm die wesentlichen Einschränkungen erläutert und dann gemeinsam prüft, ob das Verfahren für seine spezifischen technischen und ökonomischen Anforderungen geeignet ist.
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