Startseite » Allgemein »

Die große Leichtigkeit der Halbleiterbranche

Das Potenzial für die weltweite Senkung des Energiehungers und für Klimaschutz ist immens
Die große Leichtigkeit der Halbleiterbranche

Man muss ja mindestens etwas schmunzeln oder sich vielleicht sogar ernstlich wundern, mit welcher Leichtigkeit die Head Honshos einiger Halbleiterfirmen meinen, sie könnten nun rasch mit Produkten aus ihren Unternehmen den Klimaschutz bzw. den Energiehunger auf diesen Planeten nachhaltig in gemäßigte Bahnen lenken. Vor allen Dingen, wenn man die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten beachtet. Die Diskussion fand als CEO Round Table während der Electronica auf dem Münchner Messegelände statt und zeigt, dass bereits einige Lösungen schon wirken, aber der große Berg noch nicht einmal im Ansatz erreicht ist, geschweige denn bezwungen.

Es ist sicher unstrittig, dass die konsequente Anwendung von weiter verbesserten Halbleitern in vielen Bereichen bereits einen signifikanten Beitrag zum Schutz von Umwelt und Klima leistet. Und darüber herrscht auch große Genugtuung. Signore Carlo Bozotti: „Grüne Technik ist kosteneffizient und zeichnet sich durch eine rasche Amortisierung aus“. Das umreißt auch genau den Punkt, an dem klarerweise heute beinahe noch ausschließlich die Anwendung moderner technischen Lösungen gemessen wird: an den Einsparmöglichkeiten. Dabei ist jedoch der Schutz von Umwelt und Klima gar nicht in Geld aufzuwiegen, denn schließlich bietet uns ein immer mehr verseuchter, verschmutzter und ausgebeuteter Planet keine ausreichende Lebensgrundlage mehr.

Direkt erfreulich aus der Sicht eines Europäers erscheint der hier deutlich werdende Wille der US-Amerikaner in diesem handverlesenen Kreis, endlich die von der bisherigen, unsäglichen Bush-Regierung verhinderten Umweltschutzüberlegungen auch in diesem wichtigen Land auf breiter Ebene umzusetzen. Rich Beyer meint dazu, dass die neue Regierung hier dramatische Schritte unternehmen muss und diese auch kommen werden. Man spricht derzeit von 150 Milliarden Dollar für die weitere Entwicklung der erneuerbaren Energien. Zu solchen Einsichten kann man dann nur noch gratulieren. Auch Brian Halla sieht, dass die in Umrissen deutlich werdende Umweltschutz-Politik der neuen Administration nun in die richtige Richtung zielt. „Es handelt sich um einen Ablauf, bei dem die wirklichen Lösungen für reale Probleme die treibenden Kräfte sind.“ Und zudem meint er, dass die „Future very, very bright“ wäre, die Aussichten für uns wären also sehr rosig. Soweit es das Potenzial für die Reduzierung des Energieverbrauchs betrifft, kann man zustimmen, zudem sind hier auch großartige Zahlen im Umlauf.
Peter Bauer spricht von einer 25-%-Reduzierung der elektrischen Energie durch konsequenten Halbleitereinsatz, wobei rund 40 % aller weltweit verbrauchten Energie elektrisch ist. Mr. Beyer sieht global bei etwa 250.000 Unternehmen enorme Potenziale für Verbesserungen, denn sehr viele von ihnen sind beim Energieverbrauch noch äußerst ineffizient aufgestellt. So sind unter anderem elektrische Antriebssysteme oft noch ungezügelte „Energievernichter“. (Wie mancher mit Physik Bewanderte versteht, kann Energie ja nicht „vernichtet“ werden, sondern wird zu großen Teilen in Wärme und Schallschwingungen umgesetzt.)
Ein generell großes Reservoir für künftige Optimierungen kann Brian Halla allgemein der Analogtechnik zusprechen, er verweist auf verbesserte Maßnahmen und Regelungen für Prozesse oder den breiten Einsatz von LED-Beleuchtungen in Displays. Dr. Müller geht hier grundsätzlich noch einige Schritte weiter und erwähnt die Automobilhersteller, die trotz höherer Initialkosten weitgehend ausfallsichere LED-Beleuchtungen einsetzen (VW übrigens seit circa 1977 in Armaturenbrettern). „In den letzten Jahren konnten wir die Effizienz von LEDs um mehr als 50 % steigern. Ich sehe den Trend, dass die neue Beleuchtung die alten Konzepte bereits in wenigen Jahren ablösen wird. Denn ein sehr großer Anteil der bereitgestellten elektrischen Energie, rund 20 %, dient nur der Beleuchtung und wenn die LED-Fertigungskosten runtergehen, werden immer mehr solche Beleuchtungen mit ihren geringen Betriebskosten eingesetzt“. Hier den Hebel anzusetzen, verspricht also ziemlich rasch vorzeigbare Ergebnisse, speziell wenn es sich dann auch noch um sogenannte „intelligente“ Systeme handelt, die sozusagen gezielt „Licht on Demand“ bereitstellen. Nächtliche, teure Flutlichtorgien an Stellen, wo sich niemand befindet, sind dann wohl passé. Man muss ja nicht die Geografie von Ländern des nachts aus dem Weltraum studieren können – wie im Falle der belgischen Autobahnen.
Vor diesen vielen Schritten hat erstmal das große Umdenken stattzufinden. Nehmen wir als weiteres wichtiges Beispiel die Automobilindustrie, die bisher wohl ziemlich untaugliche Lösungen für die nachhaltige Mobilität in wenigen Jahren vorstellte, jetzt drastisch vorgeführt von Chicagos großen Drei GM, Ford und Chrysler. Aber hier wird nur die Spitze des Eisbergs an bisher verschenkten Gelegenheiten sichtbar. Am Rande angemerkt: Wenn jetzt deutsche Regierungen glauben, mit einer Aufweichung von Grenzwerten den großen Drei hier zu lande als Hilfe für deren Verkaufserfolge unter die Arme greifen zu müssen, sind sie wohl auf dem Holzweg. Das wäre dann eine weitere verpasste Gelegenheit für eine nachhaltige Umkehr der deutschen Kfz-Industrie. „Im Automobil sind umfassende Integrationsarbeiten nötig, um verschiedene Techniken und Erfahrungen zu kombinieren“, unterstreicht Rich Beyer. „Da ist’s mit einem Chipsatz einfach nicht getan“. Seiner Meinung nach müsste man zudem verstärkt an der weiteren Entwicklung der Brennstoffzelle arbeiten, um deren Effizienz und Kosten noch zu optimieren. Allein mit gezieltem Ab- und Einschalten von einzelnen Verbrauchern im Auto nach Bedarf könne man, wie Peter Bauer erläutert, über die Nutzungszeit eines Gefährts etwa 2,5 Tonnen CO2 einsparen. Und Mr. Halla bringt es unmissverständlich auf den Punkt: „Dass wir weiterhin in Motoren Öl verbrennen, kann wohl nicht die künftige Lösung sein“. Neue Technologien müssten also verstärkt angewendet werden, so der umfassende Einsatz von Solarpanels an Gebäuden, beispielsweise vernetzt mit dem Energiesystem der Autos als Speicher. Auch Energie-Rückgewinnungssysteme mit sogenannten Super-Caps sind interessant, die kurzzeitig viel elektrische Energie speichern und abgeben können und damit jedem Akku überlegen sind.
Nach Dr. Müllers Auffassung ist es sinnvoll, in Ländern ohne etabliertes Verteilungssystem für elektrische Energie (Grid) auf dezentrale Lösungen zu bauen und damit den unmittelbaren Bedarf zu decken. Das sind nicht nur kostengünstige Lösungen, sondern auch solche für die ressourcenschützende, gezielte Versorgung. Brian Halla gibt zu bedenken, dass außerdem elektrische Verbraucher, die momentan nicht benötigt werden, unbedingt abgeschaltet werden sollten. Studien zeigen, dass viele Geräte über ihre Laufzeit in der Stand-by-Funktion genau soviel Energie völlig sinnlos „verbraten“ wie im regulären Betrieb. „Das zahlt sich innerhalb kürzester Zeit für den Nutzer aus“. Carlo Bozotti unterstreicht abschließend, dass der Schutz der Umwelt absolut notwendig ist und natürlich einen sehr hohen Stellenwert einnimmt. Das gelte nicht nur für das Unternehmen STM und seine Mitarbeiter, sondern für die gesamte Gesellschaft. Peter Bauer, in Anspielung auf die bisher oft sehr hemmungslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in China: „Für solche Länder ist das dann eine Angelegenheit für deren Überleben“. Ich meine, nicht nur für das ferne China, sondern für alle Länder, die nun fünf Minuten vor Zwölf aufgerufen sind, eine Wende in ihrer Energiepolitik auf nachhaltige Techniken einzuleiten. Die Zeit des geradezu verschwenderischen Verbrennens von Öl und Kohle neigt sich ihrem Ende zu. Insofern ist diese Diskussionsrunde zur Electronica, die Sensibilität für unsere Umwelt, ihre Belastungen und mögliche Beseitigungen der Ursachen schärft, ein weiterer hilfreicher Schritt in dieser Branche. Gerhard B. Wolski
EPP 416

CEO Round Table
Peter Bauer, Infineon Technologies
Rich Beyer, Freescale Semiconductor
Carlo Bozotti, STMicroelectronics
Brian L. Halla, National Semiconductor
Dr. Rüdiger Müller, Osram Opto Semiconductors
Moderation: Dr. Jürgen W. Gromer, Managementberater, Vorstandsmitglied Avaya Deutschland, Marvell, RWE Rhein Ruhr, Tyco Electronics, Wabco
Unsere Webinar-Empfehlung
INLINE – Der Podcast für Elektronikfertigung

Doris Jetter, Redaktion EPP und Sophie Siegmund Redaktion EPP Europe sprechen einmal monatlich mit namhaften Persönlichkeiten der Elektronikfertigung über aktuelle und spannende Themen, die die Branche umtreiben.

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktuelle Ausgabe
Titelbild EPP Elektronik Produktion und Prüftechnik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Videos

Hier finden Sie alle aktuellen Videos


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de