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Etikettierung von Flachbaugruppen

Kennzeichnungs-Strategien für die 100%ige Rückverfolgbarkeit im Fertigungsprozess
Etikettierung von Flachbaugruppen

Vor zehn Jahren noch sahen viele Leiterplattenbestücker die Kennzeichnung von Flachbaugruppen und Boards, entweder durch Lasermarkierung, Drucketiketten oder Inkjet-Drucker als freiwillige Leistung. Aus der heutigen Perspektive der vorgeschriebenen vollständigen Rückverfolgbarkeit zeigt sich, wie sehr sich die Welt der Elektronikfertigung seitdem geändert hat – etwa durch die verschärften Rahmenbedingungen der Produkthaftung und erweiterte Garantieverpflichtungen. Gängige Qualitätsstandards wie ISO/EN 9001:2000, QS9000, VDA6.2 und neuerdings auch TS16949 haben die Ident-Bedingungen wesentlich verschärft.

Heimke Wörner, Brady, Langen

Alle diese Fragen stehen unter einem gemeinsamen Nenner: Rückverfolgbarkeit oder „traceability“. Als Konsequenz der mandatorischen Kennzeichnung erhält der Anwender andererseits auch die Möglichkeit einer kompletten Prozesskontrolle für Baugruppen und Boards. Das ist eine wesentliche Hilfe bei der Sicherstellung der Produktqualität und bei der Minimierung der Fertigungskosten. Doch auch in diesem Spezialgebiet bleibt die Technologie nicht stehen. Früher war es ohne Weiteres möglich, ein großes Barcode-Etikett manuell auf dem Modul oder der Printplatte zu applizieren – entweder nach der Bestückung oder nach der Nutzentrennung. Das Etikett wurde nur für die nachfolgenden Prozess-Schritte gebraucht, also für Test und Montage. Der heutige Stand der Technik der Kennzeichnung umfasst das Management der gesamten Prozesskette und verlangt, dass Komponenten bereits am Anfang des Fertigungsprozesses in die Logistik eingebracht werden.
Platzbetrachtung: Datamatrix gewinnt
Welche Methodologie zur Identifizierung von Komponenten auch eingesetzt wird – Laser. Inkjet, Etikettierung –, die Auswahl des richtigen Dateninhalts und -umfangs und dessen Symbologie für den gewählten Ident ist von entscheidender Bedeutung. Tabelle 1 zeigt Anhaltswerte für den Platzbedarf numerischer Kennzeichnungen bei unterschiedlichen Auflösungen der verwendeten Medien. Dabei dient Datamatrix als Vergleichsbasis. Für lineare Codierungen wie Barcode sind als Barcodehöhe 5 mm angesetzt. Dabei geht die Schätzung bei Datamatrix von 3 Dots pro Modul aus, entsprechend 3 Dots pro dünnstem Element bei den Strichcodes. Aus der Tabelle 1 ist leicht ersichtlich, dass ein sechsstelliger linearer Strichkode wie 2/5 Interleaved den neunfachen Platzbedarf einer gleichwertigen Datamatrix-Codierung hat! Die Platzverschwendung ist noch prononcierter beim traditionellen, in Ehren ergrauten Code 39: Dessen Platzbedarf ist im Vergleich zu Datamatrix der 14-fache!
Codierung und geringerer Datenumfang
Mit wachsenden Datenumfängen zur Modul-Kennzeichnung wachsen auch die Anforderungen an die Druckqualität und den Kontrast. Die Schlussfolgerung: Weniger ist mehr! Ungenutzte, vorangestellte Nullen in extrem langen Seriennummern sind schlechthin kontraproduktiv! Zur Abbildung eines tagesgenauen Fertigungsdatums in einer Etiketten-Codierung zeigt eine Ziffernfolge wie „18072006“ nur geringe Effizienz. Sie vergibt acht Stellen zur Darstellung von „18. Juli 2006“. Natürlich ist das möglich. Aber dieselbe Information lässt sich in verkürzter oder komprimierter Form auch als „199G“ verschlüsseln – einfach durch die Auswahl eines anderen Kodierungsschemas. In diesem Beispiel stehen die drei numerischen Digits für den 199. Tag des Jahres. also den 18. Juli. Und das alphanumerische Digit G bezeichnet das Jahr 2006, wenn man das einfache Schema 2000=A, 2001=B, 2002=C, etc. adaptiert.
Die Auswahl eines geeigneten Kompressionsschemas wie im genannten Beispiel könnte der Ära der Inkjet-Bedruckung in der Welt der Leiterplattenkennzeichnung zu ihrem Ende verhelfen. Mit möglichen Auflösungen um die 100 dpi und der eingeschränkten Abrieb- und Lösungsmittelbeständigkeit der Inkjet-Bedruckung findet sich für diese Variante kaum noch eine Einsatzmöglichkeit als allgemeine Ident-Methodik. Wenn man – vorerst – die RFID-Technologie ausklammert, verbleiben nur zwei Alternativen: Laserkennzeichnung und das Applizieren von Etiketten.
Mit Auflösungen zwischen 500 und 600 dpi bietet die Kennzeichnung per Etikett alle Prozessoptionen zur Identifizierung von Komponenten und Boards – selbst bei großen Datenumfängen. Es stimmt, dass die Lasermarkierung in den letzten Jahren hinsichtlich der Hardware-Anforderungen und den passenden Dekodiertechniken kontinuierlich aufgeholt hat. Doch die Lasermarkierung kann mit der Etikettierung im Hinblick auf Kontrast und Unabhängigkeit von der Beschaffenheit des Untergrundes nicht konkurrieren. Ein Kontrast von 100 % Schwarz auf weißem Grund erzielt eindeutig den bestmöglichen Kontrast, ganz gleich ob mattes oder glänzenden Etikettenmaterial verwendet wird.
Thermotransfer-Drucker für alle Applikationen
Was sind nun für den Anwender die entscheidenden Kriterien zur Auswahl von Hardware und Verbrauchsmaterialien im Hinblick auf ein optimales Kennzeichnungssystem, das auf einer Etikettierlösung basiert? Der Umfang der zu kodierenden Daten ist sicherlich eines dieser Kriterien. Dieser Parameter bestimmt maßgeblich die Auflösung des zu wählenden Thermotransferdruckers. Nur damit können die nachgeschalteten Lesegeräte (Barcode oder 2D-Kamera) optimale Ergebnisse bzw. hohe Erstleseraten liefern – auch bei Auflösungen von 7 mil und darunter. Zu diesem Zweck bietet Brady ein umfassendes Produktportfolio an Druckern mit Auflösungen zwischen 200 und 600 dpi (Tabelle 2).
Seit einiger Zeit sind die Drucksysteme der Hermes-A-Serie von Brady auch mit einer Auflösung von 600 dpi lieferbar. Damit sind nun auch In-line-Lösungen mit höchster Auflösungen wesentlich einfacher realisierbar. Für Eindruck- und Positioniergenauigkeiten von +0,3 mm sind das Druck- und Applikationssystem PAM 3000 sowie dessen Nachfolgemodell PAM 3600 verfügbar. Beide bieten eine Auflösung von 600 dpi. Ermöglicht wird dies durch ein patentiertes Transport- und Spendesystem. Alle diese Systeme arbeiten mit einer gemeinsamen minimalen Etikettenhöhe, die der Anwender nicht unterschreiten sollte: 5 mm für einfache Systeme, 4 mm für hochwertige und 3 mm für High-end-Systeme.
Manuelle Etikettierung
Außerdem hält Brady auch für das manuelle Etikettieren die passende Hardware bereit. Die Drucker der Serie Precision oder Printer THT bieten mit oder ohne Aufwickelmöglichkeit alle Optionen, Etiketten vorzudrucken, aufzutrommeln und für den manuellen Etikettierprozess bereitzustellen. Andererseits lassen sich vorbedruckte Etiketten auch automatisch bzw. maschinell auf Leiterplatten aufbringen. Der US-Anbieter Hover-Davis bietet dazu Feeder, die zu fast allen gängigen Bestückungsmaschinen kompatibel sind. Optional kommen diese Feeder sogar mit einem integrierten Druckmodul – was allerdings einige Spuren belegen kann. Auf der SMT Show in Nürnberg im Mai 2006 hat Brady eine weitere innovative Funktion im Etikettierungsprozess vorgestellt: die AutoApply-Etiketten als Ergänzung der Thermal Transfer Clean Liner Technology (THTCLT) Produkt-Portfolio. Die neuen AutoApply-Labels sind mit dem B-457 Polyimid-Film als Liner ausgerüstet, mit einem druckempfindlichen Acrylkleber und einer undurchsichtigen Deckschicht. Der Liner wird nach dem Ausstanzen unter den Etiketten aufgebracht. Der Vorteil ist, dass dabei kein Overcutting auftritt und so das Austreten von Kleber vermieden wird. Damit wird jegliche Ausfallzeit infolge von falsch platzierten oder falsch bedruckten Etiketten eliminiert. Die CLT-Labels sind kompatibel zu allen Applikatoren für THT-Labels. Sie werden für die Zusammenarbeit mit der PAM 2300- und PAM 3000-Serie garantiert, außerdem auch für die LP- und POD600-Feeder von Hover-Davis.
Nicht zu vergessen: Material- und Wartungskosten
Eine weitere notwendige Betrachtung bei der Auswahl des geeigneten Etiketten-Drucksystems ist die jährlich anfallende Druckmenge. Dies bestimmt die Kosten und die Logistik der Wartung. Die Kilometerleistung oder die Anzahl der jährlich bedruckten Etiketten bestimmen die erforderlichen Wartungsintervalle. Nur sach- und fachgerecht gewartete Systeme garantieren störungsfreien Betrieb. Alle Etiketten-Drucksysteme von Brady sind netzwerkfähig. Tools zum Drucken aus SAP- oder anderen gängigen Datenbanken (ITAC, Kratzer, etc.) sind verfügbar.
Die nächste Betrachtung bei der Auswahl des passenden Etikettenmaterials gilt dem Unterschied zwischen reflow-fähigen und nicht reflow-fähigen Materialien. Etiketten für Reflow basieren in der Regel auf Polyimidmaterialien. Nicht reflow-fähige Materialien können aus Polyester, Papier oder sogar Polyethylen oder Vinylen bestehen. Zur Beachtung: Wählt man ein Material mit der Kennzeichnung „Vor Beginn der SMD-Bestückung“, ist man gezwungen, Hochtemperaturmaterialien zu fahren. Deren Vorteil besteht in der damit möglichen 100%igen Prozesskontrolle, denn diese Etiketten lassen sich bereits am Linieneinlauf anbringen und damit sofort als Medium der Prozessdatenerfassung, etwa für den Siebruck, beim Bestücken und bei der Reflow-Lötung, etc. nutzen.
Wählt man nicht temperaturfeste Etiketten, ist die Kennzeichnung erst nach dem Reflow-Schritt möglich. Diese Etikettenmaterialien sind preislich günstiger als die oben erwähnten Polyimid-Etiketten, doch mit dieser Kennzeichnungsmethode erleidet das Konzept der vollständigen Rückverfolgbarkeit starke Einbußen. Brady liefert außerdem Sondermaterialien, etwa als spannungsableitendes Material, das gleichzeitig temperaturfest ist. Qualitäts-Farbbänder garantieren abrieb- und lösemittelbeständige Bedruckungen. Deshalb können derart gekennzeichnete Leiterplatten ohne Weiteres gewaschen werden.
Wie die Tabelle 3 zeigt, gibt es für jeden Anwendungsfall das passende Material zur Kennzeichnung von Leiterplatten.
Beispiel für die Berechnung der Bedruckungsfläche
Zum Abschluss noch ein realistisches Fallbeispiel für die Kennzeichnung einer Flachbaugruppe mit einem 18-stelligen alphanumerischen Ident für vollständige Rückverfolgbarkeit. Das Mengegerüst für die antizipierte Druckleistung geht von etwa 600 000 Boards aus. Die Fertigung ist durchgängig für 1D- und 2D-Lesetechnik eingerichtet, bei minimal möglichen Auflösungen von 8 mil. Verglichen werden Lösungen für den Verbrauch von Materialien, und zwar für 1D- und 2D-Kodierungen.
Das Ergebnis ist wie folgt: 2D-Kodierung mit 3 Dots per Modul ergibt bei einem Datenumfang von 18 Stellen eine 14-x-14-Punktmatrix. Das entspricht einer Netto-Druckfläche von etwa 4 x 4 mm. Eine derartige Kodierung, erzeugt mit einem Standard-Druckerapplikator, passt auf ein Etikett von 7 x 7 mm Größe. Allerdings nur, wenn 300-dpi-Druck verwendet wird – entsprechend 10 mil für das kleinste Modul. Für diese Konfiguration ist die vorhandene Lesetechnik ausreichend; es werden also keine weiteren Investitionen fällig. Bleiben die Kosten für die Etikettenmaterialien. Die oben skizzierte Kodierung benötigt 49 mm2 pro Etikett. Das Bedrucken von 600 000 Labels pro Jahr verbraucht demnach jährlich 30 m2 Etikettenmaterial.
Einsatz einer 1D-Kodierung nach CODE 128 würde somit eine gesamte Druckbreite (einschließlich Beruhigungszonen) von beinahe 40 mm erfordern. Das Bedrucken mit 3 Dots für den dünnsten Strich bei 4 mm Strichkodehöhe würde somit beinahe 160 mm2 pro Kodierung erfordern – wobei der zusätzliche Klarschriftaufdruck noch nicht eingerechnet ist. Neben dem „unhandlichen „ Rechteckformat dieser 1D-Kodierung ist es vor allem der Materialverbrauch, der sehr ungünstig ist: nämlich um den Faktor 3,3 größer als bei 2D-Kodierung! Weitere Beachtung verdient der mit 2D ebenfalls geringere Bedarf an Farbbändern.
Schlussfolgerung
Aus dem bisher Gesagten wird klar, dass die Etablierung eines effektiven und zugleich effizienten Ident-Konzepts ein komplexes System aus zahlreichen aufeinander abgestimmten Elementen ist. Wird nur eines dieser Elemente falsch gewählt oder schlecht dimensioniert – sei es in der Hardware, seien es die Verbrauchsmaterialien oder ein nicht eingehaltenes Wartungsintervall der Drucktechnik – sind mit Sicherheit signifikant höhere Fehlerraten beim Prozessschritt Etikettieren zu erwarten. Dies kann sich aber auch auf die vielfachen nachfolgenden Leseschritte bei Prüfung und Montage auswirken. Das hätte unter Umständen katastrophale Konsequenzen. In anderen Worten: Spezialisten müssen her, um die jeweils geeigneten Kennzeichnungslösungen zu erarbeiten.
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