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Fünf Stufen zum Erfolg (Teil I)

Planung und Implementierung der Bleifreitechnik
Fünf Stufen zum Erfolg (Teil I)

Weltweit wollen Elektronikproduzenten aus einer Vielzahl von Gründen wie z. B. Umweltaspekte oder Umsetzung von Gesetzesvorgaben ihre Lötprozesse auf bleifrei umstellen. Die Entwicklung bleifreier Lote und entsprechender Flussmittel sowie technisch hoch entwickelte Lötanlagen haben die Voraussetzungen für den Einsatz dieser neuen Technik geschaffen.

Gerjan Diepstraten, Vitronics Soltec, Oosterhout, Niederlande

Die erfolgreiche Einführung bleifreien Lötens erfordert Sorgfalt, eine gut durchdachte Strategie sowie eine genaue Beobachtung des gesamten Prozesses in Bezug auf Qualität. Dieser und die nachfolgenden Artikel sollen darstellen, wie für Wellen- und Reflow-Lötprozesse in fünf Stufen die Bleifrei-Technik eingeführt werden kann. Diese fünf Schritte basieren auf moderner Fertigungsmethodik wie z.B. Problemlösungs-/Prozessverbesserungs-Modellen (Planung, Ausführung, Kontrolle, Eingreifen), Qualitäts-Engineering, Versuchsdesign sowie statistischer Prozesskontrolle und sollen einen stabilen, reproduzierbaren Prozess mit gleichbleibend gutem Ergebnis garantieren.
Die Intension dieses Ratgebers ist es, genau da anzusetzen, wo mit dem bleifreien Löten begonnen werden soll. Die meisten der kürzlich erschienenen Publikationen diskutieren Punkte wie Gesetzgebung, Marketing, Temperaturen und bleifreie Lotzusammensetzungen, aber nirgendwo ist zu finden, wie man diesen Prozess in der Produktion einführt. Was muss also unternommen werden, bevor die ersten bleifrei gelöteten Boards die Produktionslinie verlassen?
Bis jetzt beschränkt sich das Wissen über bleifreies Löten auf Projektstudien verschiedener Konsortien, Untersuchungen des Benetzungsverhaltens sowie universitäre Forschungsprojekte. Lediglich ein sehr kleiner Anteil bezieht sich auf blei-freies Löten im Produktionsumfeld. Die meisten der Anwender, die seit ungefähr zwei Jahren oder auch schon länger bleifrei löten, stammen aus dem Automotive-Bereich oder sind Lieferanten für spezielle Applikationen, bei denen die Tempearturanforderungen an die Baugruppen bei 150 °C oder höher liegen. Aus diesen Erfahrungen können wir mehr über Punkte wie z.B. Lotverunreinigung, Kosten, Leiterkartenverwindung, Erträge sowie einzelne interessante Aspekte der Prozesskontrolle erfahren. Durchführbarkeitsanalysen und weitere Studien helfen, die richtigen Materialien auszuwählen.
Was sind die fünf Stufen?
Stufe 1: Richtige Auswahl von Material und Lötequipment
Von der Wahl des Lots und Flussmittels bis zur Auswahl der Anlagen
Stufe 2: Bestimmung des Prozesses
Ermittlung der Prozessparameter mit Taguchi-Methodik
Stufe 3: Entwicklung eines stabilen Prozesses
Analyse der Daten, Rückschlüsse ziehen, Prozessfehler beseitigen
Stufe 4: Einführung des Bleifrei-Prozesses in die Produktion
Anlauf der Produktion, Beobachtung des Prozesses, falls erforderlich Korrekturen
Stufe 5: Kontrolle und Prozessverbesserung
Der Prozess wird durch Überwachung und Analyse der Daten kontrolliert und weiter stabilisiert
1.Auswahl von Material und Lötequipment
Dazu zählt nicht nur die Auswahl der richtigen Lote oder Pasten sondern auch die Wahl der Flussmittel, das Material und die Beschichtungen für die Leiterplatten sowie das Material der Bauelemente und deren Finish.
Die Eliminierung des Bleis kann man in drei Bereiche einteilen:
  • 1.Bleifreie Lotpasten (Reflow) und Lot (Welle): Das Material und die Technik ist bereits verfügbar
  • 2.Ersetzen flammenhemmender Bestandteile (Halogene) herkömmlicher Board-Materialien durch Board-Finishes die für bleifreies Löten geeignet sind. Das Leiterplattenmaterial muss gegenüber höheren Temperaturen beständig sein.
  • 3.Die Bauteilebeschichtung ist durch die Auswahl der Paste bzw. Lot bereits festgelegt. Die verwendeten Kunststoffe und anderen Materialien müssen höheren Temperaturen gegenüber beständig sein
Bei der Konfiguration der Wellenlötanlage müssen die Fluxer-Applikation sowie die Vorheizung auf das Flussmittel bzw. die erforderliche Prozesstemperatur abgestimmt werden. Das ausgewählte bleifreie Lot und dessen Lötbarkeit haben neben der Wellenkonfiguration und den Kontaktzeiten unmittelbaren Einfluss auf die Qualität der Lötstelle.
Bei einer Reflow-Lötanlage sollte die Art der Wärmeübertragung im Vorfeld bestimmt werden. Die Länge der Heiz- und Kühlzone wird durch Faktoren wie z.B. erforderlicher Maschinendurchsatz, Leiterplatten-Abmessungen, Abstand zwischen den Leiterplatten, erforderliche Leiterplatten-Ausgangstemperaturen sowie dem Lötprofil bestimmt, was wiederum abhängig ist von den Bauteil- und Pastenspezifikationen.
2. Prozessbestimmung
Die Taguchi-Methode wird angewandt, um einen Prozess, bei dem verschiedene Parameter variiert werden, zu optimieren. Das heißt, die optimalen Einstellwerte rasch zu ermitteln und damit den gesamten Ablauf zu stabilisieren. In einem Brainstorming werden die Probleme, Ziele, Durchsatzerwartungen und Messmethoden für ein Bleifrei-Experiment festgelegt. Die Auswahl der Kontrollparameter sowie die Art und Weise wie die Ergebnisse in Zahlen beschrieben werden sollen, sind zu diskutieren. Eine genaue Überprüfung des besten Versuches dient dazu, das Ergebnis abzusichern.
3.Entwicklung eines stabilen Prozesses
Die dritte Stufe arbeitet mit den aus den Versuchen optimierten Prozessparametern. Das Produkt wird nun über einen längeren Zeitraum mit diesen Parametern gefertigt und die dabei erzielten Lötergebnisse genau aufgezeichnet. Es ist wichtig zu sehen, ob der Prozess auch nach Stunden noch stabil steht, oder ob Abweichungen in irgendeiner Art die Qualität beeinflussen. Ist das der Fall, so ist es notwendig, dies in der statistischen Prozesskontrolle zum Ausdruck zu bringen. Die Abluft- und Temperaturbedingungen müssen dabei ebenso überwacht werden. Die Zuverlässigkeit des gesamten Prozesses sowie die erzielte Lötqualität müssen mit den im traditionellen SnPb-Prozess erreichten Ergebnissen verglichen werden.
Wenn über einen längeren Vorserien-Zeitraum eine gute Produktqualitiät erzielt wird und die Maschine die Anforderungen des neuen Prozesses erfüllt, ist der Prozess ausreichend abgesichert, um ihn in die Produktion einführen zu können. Bisher wurden Versuche lediglich auf einer Test- oder Stand-Alone-Maschine gefahren. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, dies auf die Produktionslinie zu übertragen..
4. Einführung in die Produktion
Die vierte Stufe beschäftigt sich mit der Einführung der Bleifrei-Technik in die Produktion. Beim Wellenlöten ist es notwendig, einen neuen Löttopf zu installieren oder den alten Löttopf zu leeren und mit reinem Zinn zu reinigen. Im Transportsystem kann es notwendig sein, eine zusätzliche Leiterplatten-Unterstützung zu verwenden. Da das Flussmittel getauscht wird, müssen der Schaumstein oder die Sprühdüse gewechselt, Sprühbild und Benetzung kontrolliert werden. Weil teurere Legierungen zum Einsatz kommen, ist die Verwendung von Stickstoff wichtig. Er erhöht zwar die Kosten für den Prozess, verbessert aber die Benetzungseigenschaften und die Krätzemenge kann dadurch reduziert werden. Zudem besteht die Möglichkeit, auf weniger aggressive Flussmittel zurückzugreifen. Das thermische Profil und die Kontaktzeit sollten fixiert sein, bevor der Prozess für die Fertigung freigegeben wird. Beim Reflow-Löten ist eine zusätzliche Kühlung oder ein Flux-Management erforderlich, um die Kondensatrückstände zu minimieren.
Nachdem alle Parameter angepasst wurden, kann mit der Produktion begonnen werden. Dabei müssen die Lötqualität beobachtet und SPC-Charts erstellt werden, um den Prozess zu visualisieren. Sehr wichtig für die Auswertung sind auch Produktwechsel.
5.Kontrolle und Prozessverbesserung
Durch kontinuierliches Follow-Up, Aufzeichnungen und Datenanalysen wird der Prozess unter Kontrolle gehalten. Die erreichte Qualität muß ständig beobachtet werden, da der Lötprozess dynamisch und daher ständigen Störeinflüssen und Toleranzen ausgesetzt ist. Die Kosten für Flussmittel, Lotlegierung, Krätze, Stickstoff, Rework sowie Energiekosten sollten kalkuliert und mit denen des traditionellen SnPb-Prozesses verglichen werden. Der Stickstoffverbrauch (Menge im Verhältnis zur Krätzemenge) muss auch in die Kostenanalyse einfließen. Außerdem sollten ständig neue Materialien für Flussmittel, Legierungen, Pasten, Bauteile sowie Leiterplatten-Basismaterialien mit einbezogen und mögliche Verbesserungen geprüft werden. Wenn diese erfolgversprechend getestet sind, lassen sie sich in den Prozess implementieren. Alle Verbesserungen sollten aber folgende Ziele nie aus den Augen verlieren: Reduzierung von Variantenvielfalten sowie Steigerung der Qualität und der Produktivität der gesamten Produktionslinie.
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