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Fünf Stufen zum Erfolg (Teil III)

Planung und Implementierung der Bleifreitechnik
Fünf Stufen zum Erfolg (Teil III)

Während im ersten Teil darüber diskutiert wurde, welche Materialien und mögliche Maschinenkonfigurationen sich für die Umstellung auf bleifreier Lötprozesse eignen, behandelt dieses Kapitel, welchen Einfluss die einzelnen Parameter auf den Prozess haben. Dabei geht es nicht nur um die Bestimmung des Prozesses sondern auch darum, wie sich Qualität und Reproduzierbarkeit kontrollieren lassen.

Gerjan Diepstraten, Vitronics Soltec, Oosterhout, Niederlande

Jetzt, an dem Zeitpunkt an dem die Einführung des Bleifreilötens in der Produktion kurz bevorsteht, muss eine effektive Methode für die Prozessentwicklung erstellt werden, um die optimalen Werte für die Prozessparameter zu ermitteln. Bleifreies Löten ist leider keine Drop-in-Lösung, also kein Prozess bei dem lediglich zwei Lotlegierungen getauscht werden. Die Einführung eines neuen Lotes beeinflusst den gesamten Prozess, deshalb müssen sämtliche Maschineneinstellungen den neuen Umständen angepasst werden. Speziell beim Reflow-Löten ist es unser Ziel, das den Anforderungen der Lotpaste entsprechende Profil zu entwickeln und gleichzeitig innerhalb der Spezifikationen von Bauteilen und Leiterplatten-Materialien zu liegen. Die Herausforderung liegt darin, mit bestehenden Reflow-Lötöfen ohne Durchsatzeinbußen ein Profil zu erreichen, das den Anforderungen der Lotpaste genügt und die Spezifikationen der Bauteile und Leiterplatten-Materialien einhält. Daher sollten die Maschinen gute bis sehr gute Wärmeübertragungscharakteristiken aufweisen, d.h. gleichmäßige Temperaturübertragung für kleine DT auf den Boards. Die meisten Reflow-Anlagen neuerer Generation ermöglichen den Einsatz bleifreier Lote. Allerdings sollten Strahleröfen (IR-Lampen) besser ersetzt werden, da eine gleichmäßige Erwärmung der PCBs oft nicht gegeben ist und daraus große DT auf den Boards resultieren.
Auch beim Wellen-Lötprozess wirkt sich der Umstieg auf bleifreie Lote auf nahezu alle Prozessparameter aus. Speziell für diese Prozesse ist es unser Ziel, zusammen mit der Implementierung der Bleifreitechnik auf wasserbasierender Flussmittel umzusteigen sowie flammhemmende Bestandteile wie Halogene bei Leiterplatten zu eliminieren. Die Produktivität bzw. der Durchsatzes darf dadurch natürlich nicht eingeschränkt werden.
Die Anforderungen an die Ausrüstung lassen sich über verschiedene Verrsuchsanordnungen und die Taguchi-Methode in Erfahrung bringen. Taguchi-Experimente optimieren auf wirtschaftliche Art und Weise das Prozessdesign, indem sie die Versuchsdurchführung relativ unempfindlich gegenüber veränderter Prozessparameter machen und die Anzahl der Versuche reduzieren. Dadurch lassen sich u.a. Kosten für Forschung und Entwicklung sowie Herstellungs- und Betriebskosten minimieren. Die Gestaltung eines Taguchi-Experimentes ist sehr wichtig, weil die Aussagekraft der Ergebnisse von einer geeigneten Auflistung der Daten in Tabellen direkt abhängt. Die Versuchsvorbereitung beginnt mit einem Brainstorming, an dem Mitarbeiter verschiedener Abteilungen involviert sein sollten: Produktdesigner, Bedienpersonal, Qualitäts- und Fertigungsingenieure, etc.. Die Aufgabe des Teams besteht darin, die jeweiligen Probleme zu formulieren mit dem Ziel, aus allen möglichen Kombinationen der einzelnen Prozessfaktoren das Optimum zu bestimmen.
In der ersten Stufe werden sämtliche Parameter, die gravierende Auswirkung auf die Lötqualität haben, sowie kontrollierbare Eingangsmaterialien aufgelistet. Beispiele für solche Werte sind z. B. beim Wellenlöten: Flussmittelauftrag, Vorheizung, Transportgeschwindigkeit, sowie Lotbadtemperatur. Beim Reflow-Löten sind dies beispielsweise Stickstoffverwendung, Transportgeschwindigkeit sowie Vorheiz- und Peakzonen-Temperaturen. Die Art des Flussmittels und der Board-Finishes sind Beispiele für Eingangsmaterialien, die kontrolliert werden können. Ergeben sich Wechselwirkungen zwischen einzelnen Größen, sollten diese ebenfalls aufgelistet werden. Die einzelnen Faktoren sollten ihrer Bedeutung nach in Bezug auf deren Auswirkungen auf die Lötqualität geordnet werden, wobei jedes Teammitglied seine eigene Reihenfolge erstellt. Sogenannte Noise-Factors sind solche Prozess- oder Produktparameter, die zwar Einfluss auf das Lötergebnis haben, aber entweder nicht oder nur unter sehr hohem Kostenaufwand unter Kontrolle gehalten werden können. Beispiele hierfür sind z. B. die Qualität des Leiterplatten-Materials, die Raumtemperatur sowie die Feuchtigkeit. Diese Faktoren können in einer Matrix erfasst werden, die der Versuchsauswertung angehängt ist, um die Stabilität des Prozesses weiter zu optimieren.
Versuchs-Layout
Danach wird das Versuchs-Layout gewählt. Bei der Taguchi-Methode wird jeder Einstellungswert für einen Parameter jeweils mit unterschiedlichen Einstellungen der anderen Faktoren gleich oft getestet. Zuerst wird die Zahl der Durchgänge und Wiederholungen festgelegt, die von den entstehenden Kosten, der Zeit und der verfügbaren Materialien abhängig ist. Danach werden die Einstellwerte der einzelnen Parameter gewählt. Es ist an dieser Stelle sehr wichtig, Mut zu beweisen, denn nur so können in einem Versuch wie diesem auch tatsächlich Veränderungen wahrgenommen werden. Wenn bei den einzelnen Durchläufen keine deutlichen Qualitätsunterschiede festzustellen sind, bedeutet dies, dass die Werte nicht richtig gewählt waren oder die gewählten Kontrollfaktoren haben keinerlei Einfluss auf die Lötqualität.
Das folgende Beispiel soll zeigen, wie die Taguchi-Methode funktioniert: In einer Standard-Wellenlötanlage werden acht Durchgänge (L8-Matrix, Tabelle 1) mit drei Wiederholungen gefahren. In einer angehängten Matrix werden zusätzlich zwei Flussmittel getestet. Dies ergibt eine Gesamtzahl von insgesamt 8 x 3 x 2 = 48 Durchgängen. Als Lot wurde eine SnAgCu-Legierung gewählt. Die beiden verwendeten Flussmittel sind auf Wasserbasis, die Vorheiz-Temperaturen wurden nach den jeweiligen Flussmittel-Spezifikationen bestimmt. Die Wellenlötanlage ist mit einer Haupt- und einer Smart-Welle ausgestattet. Eine Smart-Welle ist ein in der Hauptwelle rotierendes Sechskant, das Turbulenzen in der Welle hervorruft, wodurch das Lot stärker als bei herkömmliche Wellen nach oben gedrückt und die Durchkontaktierungen besser ausgefüllt werden. Die verwendeten 1,6 mm starken FR4-Leiterplatten werden mit 14 Steckerleisten bestückt (280 Pins = 280 potentielle Brücken).
In dem Versuch sollten in erster Linie der Durchstieg und die Brückenbildung zwischen den einzelnen Pins betrachtet werden. Besonders die Durchstiegs-Eigenschaften haben sich bei bleifreiem Lot im Allgemeinen verschlechtert. Einfluss darauf haben u.a. die Kontaktzeit, Stickstoffeinsatz, Flussmittel, Board-Finish und die Temperatur des Lotbades. Um einen möglichen Verzug der Boards zu vermeiden, ist die maximale Lotbad-Temperatur auf 265 °C begrenzt.
Frühere Tests haben bereits gezeigt, dass bei der Brückenbildung die Vorheizung eine dominierende Rolle spielt. Eine zu hoch eingestellte Vorheiztemperatur kann beispielsweise die Flussmittel-Aktivatoren zerstören. Das führt dazu, dass kein Flussmittel am Wellenauslauf mehr vorhanden ist, wodurch Oxidation begünstigt wird. Brücken sowie schlechte Lötqualität sind die Folge. Daher sollte man nicht bis zur an der Board-Oberseite erlaubten Maximaltemperatur gehen, sondern sich an die Spezifikationen der Flussmittel-Hersteller halten.
Datenanalyse
Die Anzahl der nicht oder nur teilweise gefüllten Lötstellen wird in Tabelle 2 gezeigt. Der Durchgang Nr. 7 mit Flussmittel A zeigt die besten Lötergebnisse auf: Von allen 4000 Lötstellen sind lediglich nur vier nicht ausreichend gefüllt. Die Anzahl der Lotbrücken werden in Tabelle 3 aufgeführt. Wie man erkennen kann, gibt es mehrere Durchgänge ohne Brücken, der vierte Durchlauf mit Flussmittel B weist jedoch an 278 Pins Brücken auf.
Der Faktor, der den größten Einfluss auf das Durchstiegs-Verhalten (Hole Filling) hat, ist zweifellos der Flussmittel-Auftrag (Tabel-le 4). Das ist von der logischen Seite her leicht nachzuvollziehen, denn wo kein Flussmittel in den einzelnen Durchkontaktierungen aufgetragen wurde, findet auch keine Benetzung, geschweige denn Durchstieg statt. Auch sehr interessant ist der Einfluss der Smart-Welle von beinahe 20 %. Die Lottemperatur zeigt hier keinerlei Einfluss, wahrscheinlich ist der Temperaturunterschied von lediglich 10 °C nicht groß genug.
Bei der Brückenbildung zeigt die Auswertung, dass alle Parameter mehr oder weniger gleich viel Einfluss haben (Tabelle 5). Stickstoff-Einsatz sowie das Flussmittel sind, wie zu erwarten war, die Hauptfaktoren. Brücken zeigen in erster Linie, dass Oxide auf der Lotbad-Oberfläche vorhanden und die verwendeten Flussmittel nicht optimal sind, um der Brückenbildung entgegenzuwirken.
Aus den Ergebnissen lassen sich nun die optimalen Werte für die einzelnen Faktoren ermitteln. Die besten Einstellungen für gute Lotfüllungen in den Durchkontaktierungen sind (siehe Bild 2):
  • A1/A2 – Lotbad-Temperatur: keine Angabe, ökonomisch günstigsten Wert wählen
  • B1 – Stickstoff an
  • C2 – Kontaktzeit 4,3 s
  • D1 – Smart-Welle an
  • E1/E2 – Vorheiz-Temperatur: keine Angabe, ökonomisch günstigsten Wert wählen
  • F2 – erhöhter Flussmittelauftrag
  • G1 – Board-Finish OSP
N1 – Flussmittel A
Um Brücken zu vermeiden, sollten folgende Einstellungen gewählt werden (siehe Bild 3):
  • A2 – Lotbad-Temperatur 265 °C
  • B1 – Stickstoff an
  • C1 – Kontaktzeit 2,3 s
  • D1 – Smart-Welle an
  • E1 – Vorheiz-Temperatur: niedrig
  • F2 – erhöhter Flussmittelauftrag
  • G2 – Board-Finish NiAu
Zusammenfassung der Versuchsergebnisse
Bei der Betrachtung der Ergebnisse kann gesagt werden, dass das Lotbad eine Temperatur von 265 °C haben sollte. Die Verwendung von Stickstoff ist bei SnAgCu-Legierungen durchaus sinnvoll, weil dadurch nicht nur Krätzeentwicklung verringert wird, sondern auch weniger Lötfehler auftreten. Die besten Ergebnisse werden durch längere Kontaktzeiten erzielt. Dadurch wird der Durchstieg verbessert und, vorausgesetzt es ist genügend Flussmittel aufgetragen, entstehen keine Brücken.
Der Versuch zeigt auch, dass die Smart-Welle zu besseren Lötergebnissen geführt hat. So lange man die gegebenen Spezifikationen einhält, spielt die Vorheiz-Temperatur zunächst keine bedeutende Rolle. Dies ist ein Vorteil, weil größere Temperaturunterschiede auf dem Board nicht das Auffüllen der Durchkontaktierungen beeinträchtigen und zur Brückenbildung führen. Der Versuch hat auch gezeigt, dass mit geringerem Flussmittel-Auftrag auszukommen, keinen Sinn macht. Die Wahl des Board-Finishes kann sicherlich diskutiert werden. Aus Kostensicht, wäre OSP die beste Wahl.
Es ist an dieser Stelle noch einmal zu erwähnen, dass diese Auswertung nicht einfach 1:1 auf jeden Wellenlöt-Prozess übertragen werden kann.
Ein abschließender Durchlauf mit den bestmöglichen Prozessparametern sagt aus, wie gut das Endergebnis wirklich ist. Wenn man diesen Durchlauf mit den Vorhersagen der Software vergleicht, erhält man eine Bestätigung dessen, was vorher im Test selbst geschehen ist. Sollte zwischen dem abschließenden Durchlauf und den Testergebnissen keine Übereinstimmung sein, muss darüber nachgedacht werden, wo die Ursachen für solche Diskrepanzen liegen. Dies können äußere Einwirkungen (z.B. Bedienpersonal) oder Faktoren sein, die im Experiment nicht berücksichtigt wurden.
Nach der in Stufe 1 beschriebenen Materialauswahl sind wir nun in der Lage, mit nur einer relativ kleinen Zahl von Versuchen unter Anwendung der Taguchi-Methode, die für den Lötprozess optimalen Parameter-Einstellungen zu ermitteln.
EPP 166
Aus einer Vielzahl von Gründen wollen weltweit Elektronikproduzenten ihre Lötprozesse auf bleifrei umstellen. Die Artikelserie beschreibt, wie in fünf Stufen diese Technik in die Fertigung implementiert werden kann:
  • 1.Richtige Auswahl von Material und Lötequipment
  • 2.Prozessbestimmung
  • 3.Entwicklung eines stabilen Prozesses
  • 4.Einführung in die Produktion
  • 5.Kontrolle und Prozessverbesserung
Im ersten Teil in der EPP 1/2 2001 wurden diese fünf Punkte vorgestellt, im zweiten Teil in der EPP 3/2001 wurde der erste Punkt näher beschrieben.
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