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Für Zuverlässigkeits-Anforderungen

Auswahl von optimalen Schutzlacken in der Elektronikfertigung
Für Zuverlässigkeits-Anforderungen

Schutzlacke werden in der Fertigung von Leiterplatten oder Baugruppen bereits seit Jahrzehnten eingesetzt. Jedoch gewinnen sie nun wegen der immer höheren Packungsdichte bei gleichzeitiger Abnahme der Leiterbahnabstände ständig an Bedeutung. Zudem sind hohe Anforderungen an die Zuverlässigkeit oft nur durch den Einsatz von Schutzlacken zu gewähr-leisten.

Stephan Karau, ITW, Mühlacker

Dabei sind es nicht mehr nur primär die ursprünglichen Anforderungen, wie Verbesserung der elektrischen Eigenschaften auf der Oberfläche durch Erhöhung der dielektrischen oder Kriechstromeigenschaften, die von Elektro-Schutzlacken zu erfüllen sind. Immer wichtiger werden auch andere Zusatznutzen, wie Erhöhung der mechanischen Beständigkeit und das Versiegeln gegenüber Fremdstoffen, die in den Vordergrund treten. Die wesentlichen Anforderungen, die Schutzlacke heute zu erfüllen haben, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
• Schutz vor Korrosion durch Umgebungsstoffe, wie Chemikalien oder Kühlschmierstoffe
• Unterbinden von Kurzschlüssen
• Verhindern von Elektromigrations-effekten
• Feuchtigkeitsausschluß
• Erhöhung der mechanischen Beständigkeit
• Temperaturbeständigkeit
• Verhindern von Schimmelbildung
• Schutz vor sonstigen aggressivenMedien
Daraus läßt sich erkennen, daß das Hauptziel der Verwendung von Schutzlacken eine Verhinderung von Ausfällen der Schaltungen darstellt. Um dieses Ziel optimal zu erreichen, ist jedoch im Vorfeld notwendig, die Anforderungen an den Schutzlack exakt zu definieren, damit diese vollständig erfüllt werden können und man ferner auch den ökonomischen Aspekt berücksichtigen kann. Im Folgenden ein Blick auf die am häufigsten anzutreffenden Arten von Schutzlacken mit Ihren Stärken und Schwächen.
Schutzlackeauf Acrylat-Basis
Hierbei handelt es sich sicherlich um die am weitesten verbreitete Sorte von Schutzlacken. Ihre Vorteile liegen in der relativ unproblematischen Verarbeitbarkeit und einem günstigen wirtschaftlichen Aspekt, da sie preisgünstig sind. Ihr Einsatzgebiet liegt innerhalb eines Temperaturfensters von ca. -70 bis +100°C und einer Durchschlagsfestigkeit von ca. 20 kV/mm. Ihre Chemikalienbeständigkeit ist ebenfalls nur sehr beschränkt, da sie gegenüber den meisten organischen Lösungsmitteln nicht beständig sind. Eine gute Feuchtebeständigkeit sowie Beständigkeit gegenüber verdünnten Säuren und Laugen ist jedoch gegeben. Ihre mechanische Beständigkeit ist im mittleren Bereich anzusiedeln, ihre Flexi-bilität gut. Ein großer Vorteil ist jedoch ihre sogenannte Reparaturfähigkeit: Bauelemente können einfach aus behandel-ten Schaltungen durch den Schutzlack ausgelötet werden, da das Acrylat unter dem Einfluß des heißen Lötkolbens schmilzt.
Die Haftung dieses Schutzlacktyps ist wie bei allen weiterhin beschriebenen Typen auf den gängigen Untergründen, wie Kunststoffen, Metallen, Glas, Keramiken, Papier usw., aus-gezeichnet. Zusammenfassend läßt sich dieser Schutzlacktyp als der solide Schutzlack für Standardanwendung beschreiben, beispielweise den Feuchteschutz.
Lacke auf Acrylatbasis, enthalten wie auch die anderen beschriebenen Systeme, organische Lösungsmittel als Verdünner. Diese verlangen beim großflächigen und häufigen Einsatz entsprechende Schutzmaßnahmen, wie Absaugung und Schutzkleidung für den Anwender. Um diesen Typus von Verdünner zu ersetzen wird verstärkt an wasserbasierenden Schutzlacken gearbeitet. Diese Schutzlackart wird auch mehr und mehr im Zuge höherer Umweltfreundlichkeit und der VOC-Diskussion (Volatile Organic Compounds, flüchtige organische Stoffe) an Bedeutung gewinnen. Zur Zeit sind aber noch einige Nachteile, wie lange Trocknungszeiten und ein hoher Preis, zu überwinden.
Schutzlacke aufPolyurethanbasis
Eine weitere bereits seit langem verwendete Gruppe von Schutzlacken sind jene auf Polyurethanbasis. Sie weisen im Vergleich zu Acrylat-Systemen eine etwa doppelt so hohe Durchschlagsfestigkeit auf (etwa 50 bis 60 kV/mm). Auch ihre Temperaturbeständigkeit ist mit -40 bis +130°C etwas höher. Deutliche Unterschiede findet man auch bei der mechanischen und der Chemikalienbeständigkeit, die im Vergleich zu den Acrylaten deutlich verbessert ist. Jedoch sind die Urethan-Schutzlacke nicht reparaturfähig, d.h. Bauteile können aus lackierten Boards nicht einfach mit dem Lötkolben ausgelötet werden, sondern der Schutzlack muß erst mühsam mittels Abkratzen oder Anlösen mit sehr aggressiven Lösungsmitteln entfernt werden. Auch ist die Verarbeitbarkeit nicht ganz so einfach und der finanzielle Aufwand etwas höher als bei den Acrylat-Schutzlacken anzusetzen. Dieser Typ von Schutzlacken empfiehlt sich vor allem für Applikationsbereiche in denen eine im Vergleich zu den Acrylaten erhöhte mechanische und chemische Beständigkeit sowie erhöhte Durchschlagsfestigkeit gefordert wird.
Schutzlackeauf Silikon-Basis
Diese Gruppe von Schutzlacken weist die besten elektrischen Eigenschaften mit Durchschlagsfestigkeiten von über 100 kV/mm und auch die mit Abstand beste Temperaturbeständigkeit mit einem Bereich von-40 bis +500°C auf. Ferner zeichnet sie sich noch durch eine extrem gute Chemikalienbeständigkeit und gute mechanischeEigenschaften aus. Jedoch sind auch sie nicht reparaturfähig, lassen also auch keinen einfachen Bauteilwechsel durch einen Lötkolben zu. Diese Gruppe von Lacken ist auch deutlich kostenintensiver als die zuvor Acrylat- und Polyurethansysteme. Sie sind hauptsächlich für speziell Einsatzgebiete geeignet, da sie in den Anforderungen die Bestwerte erfüllen. Doch ist dies auch mit einem deutlich erhöhten finanziellen Aufwand verbunden.
Schutzlacke auf Epoxid-Basis trifft man nur vereinzelt an, da sie keine besonderen Vorteile aufweisen und zumeist aufgrund ihres spröden Charakters nur sehr begrenzt eingesetzt werden können. Die Art und Weise wie ein Schutzlack am günstigsten aufgebracht werden kann, hängt im wesentlichen von der Geometrie der Baugruppe, der Stückzahl sowie der Flächigkeit bzw. Selektivität des Auftrags ab. Hier ein Blick auf die unterschiedlichen Applikationsmöglichkeiten.
Spraydose
Der Auftrag aus der Spraydose ist ideal bei Reparaturen an Baugruppen sowie der Fertigung von Kleinserien oder Prototypen, da dazu keinerlei weitere Aus-rüstungsgegenstände oder Hilfsmittel benötigt werden. Mit diesem Verfahren lassen sich mit etwas Übung durchaus ansprechende Ergebnisse erzielen, wobei der am häufigsten auftretende Fehler das Überlackieren ist, also der Auftrag einer zu großen Schichtdicke. Optimale Schichtdicken liegen im Bereich von ca. 25 Mikron, aber auch Schichtdicken bis 50 Mikron ergeben noch gute Resultate. Relativ aufwendig ist der selektive Auftrag, wenn bestimmte Bereiche ausgespart werden sollen, da das Abkleben relativ zeitaufwendig ist. Die Vorteile dieses Verfahrens liegen vor allem im geringen Aufwand und in seiner Wirtschaftlichkeit.
Pinseln
Das Auftragen mit Pinsel hat seine Vorteile ebenfalls in dem geringen Investitionsaufwand, der nötig ist um den Schutzlack aufzutragen. Auch hier wird vom Anwender einiges Geschick verlangt, sonst wird rasch eine zu große Schichtdicke aufgetragen. Ferner läßt sich damit ein selektiver Auftrag einfacher als im Falle des Aufsprühens realisieren. Die in diesem Bereich beobachteten Schichtdicken liegen in einem Bereich zwischen 50 und 100 Mikron. Die Nachteile dieses Verfahrens liegen darin, daß, falls auf der Baugruppe Verunreinigungen vorhanden sind, diese in den Vorratsbehälter zurückgetragen werden und somit den ganzen Lack kontaminieren. Ein anderes Problem ist, den Lack vollständig unter großen geometrisch anspruchsvollen Bauteilen (z.B. SMD-bestückten Baugruppen) aufzutragen.
Tauchbad
Das Tauchbad erfordert im Gegensatz zu den beiden oben beschriebenen Verfahren Investitionen in Form einer Tauchanlage. Jedoch hat diese Methode in der Serienfertigung den Vorteil, das sie sich automatisieren läßt. Man erhält damit eine gleichmäßige Beschichtung der Baugruppe mit kompletter Kantenbenetzung, wobei die Schichtdicke sowie der uniforme Auftrag im wesentlichen durch die Variation der Parameter Eintauchgeschwindigkeit, Verweilzeit im Bad und dem Ausbringen aus dem Bad gesteuert werden kann. Ein relativ großer Zeitaufwand erfordert auch hierbei der selektive Auftrag des Lackes, weil er zeitintensive Vorbereitungen, z.B. in Form von Abkleben erfordert. Ebenfalls können hierbei Verunreinigungen von der Leiterplattenoberfläche in das Bad eingebracht werden und den Tauchbehälter zunehmend kontaminieren.
Select-CoatVerfahren
Hierbei handelt es sich um den gesteuerten Auftrag des Schutzlackes mit einem Sprühkopf, der automatisch die Bereiche der Baugruppe abfährt, die lackiert werden sollen. Mit diesem Verfahren lassen sich exakt definierte Schichtdicken und auch die am besten reproduzierbaren Ergebnisse erzielen. Durch Temperieren des Sprühkopfs wird die Viskosität des Lackes immer konstant gehalten, der Lackkreislauf ist in sich geschlossen und jeder einzelne Punkt der Oberfläche der Baugruppe ansteuerbar. Eine Kontaminierung des Lackes ist damit ausgeschlossen. Leicht läßt sich auch eine Absaugung realisieren, so daß eine Beeinträchtigung des Umfeldes durch die im Lack enthaltenen Lösungsmittel weitgehend vermieden werden kann. Jedoch ist der Investitionsaufwand für eine solche Anlage sowie der Zeitaufwand für das Einrichten der Maschine beträchtlich, so daß ein solches Verfahren nur für hochvolumige Serienfertigungen in Frage kommt.
Trocknungsprozesse
Alle diese Lacke trocknen selbsttätig bei Raumtemperatur durch das Verdunsten der darin enthaltenen Lösungsmittel. Jedoch gibt es gerade bei den silikonbasierenden Schutzlacke auch solche Systeme, die chemisch Vernetzen oder Trocknen. Bei den Lacken, die durch Verdunsten der Lösungsmittel trocknen, kann die Trockenzeit, die sonst im Bereich von 20 bis120 min liegt, durch eine Ofentrocknung bei 60 bis 80°C beschleunigt werden.
Ein heftig und zumeist auch kontrovers diskutiertes Thema ist die Fragestellung, ob ein Reinigungsschritt vor dem Aufbringen des Schutzlackes notwendig ist. Wir meinen aufgrund unserer Erfahrungen, daß dies unbedingt nötig ist, um die sichere Funktion der Baugruppe sicherzustellen. Zumeist handelt es sich bei schutzlackierten Boards um jene, die entweder besonderen Umgebungsbedingungen widerstehen müssen bzw. Resultat eines höheren Wertschöpfungsprozesses sind. Zum einen können die auf einer Baugruppe nach dem Löten zurückbleibende Pasten oder Flußmittel bzw. deren Zersetzungsprodukte die Haftung des Schutzlackes massiv beeinträchtigen. Dies gilt auch oder vor allem bei sogenannten No-Clean-Pasten oder feststoffarmen Flußmitteln, da bei der Verwendung solcher Systeme viele Rückstände vorwiegend unter ausladenden Bauteilen zurückbleiben. Ein Ablösen des Lackes hat zur Folge, daß Stoffe von außen eindringen können und somit die Schutzwirkung des Lackes verloren geht.
Reinigung istempfehlenswert
Zum anderen werden ohne Reinigungsschritt die auf der Oberfläche anhaftenden Substanzen eingeschlossen und unter dem Deckmantel des Schutzlackes laufen chemische Reaktionen oder Korrosionen ab, die dann im Laufe der Zeit zu Kurzschlüssen, Elektromigrationseffekten oder ähnlichem führen können. Besonders ärgerlich an diesen Vorgängen ist, daß sie erst nach einiger Zeit auftreten, wenn die Baugruppe bereits eingebaut ist und dann ein komplettes Gerät ausfallen kann. Wir empfehlen deshalb, immer einen Reinigungsschritt dazwischen zu schalten, um hochwertige und reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen, auch wenn es sich aus erster Sicht nur um einen unproduktiven bzw. kostenintensiven Schritt handelt. Im Falle von Störungen oder Defekten sind die Folgekosten ungleich höher.
Die Auswahl des passenden Schutzlacks sollte sorgfältig anhand der definierten Anforderungen erfolgen, um das optimale und wirtschaftlichste System einzusetzen. In der Palette unserer Elektroisolierlacke sind alle Ausführungen sowohl als Aerosol als auch in offener Form erhältlich. Damit hat der Anwender die Möglichkeit, gemäß der Anforderungen den passenden Schutzlacktyp auszuwählen, wobei ihm auch noch unterschiedliche Applikationsverfahren offenstehen.
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