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Ganzheitliche Betrachtungsweise Thorsten Scheler, RMCtech, Sindelfingen

Produktionsoptimierung von komplexen elektronischen Systemen
Ganzheitliche Betrachtungsweise Thorsten Scheler, RMCtech, Sindelfingen

Die immer zunehmendere Komplexität elektronischer Systeme, verbunden mit den hohen Anforderungen an die Lieferqualität, Time to Market und Zuverlässigkeit dieser Systeme, erfordert es, dass die Hersteller ganzheitliche Produktionskonzepte entwickeln. Bestehen diese komplexen Systeme aus mehreren einzelnen Elektronikbaugruppen, die im Produktionsablauf zusammenfließen, ist eine grundlegende Kenntnis über die Wirkung der Einzelelektroniken auf das Gesamtsystem in Bezug auf die qualitätsbeeinflussenden Faktoren unumgänglich.

Diese Faktoren lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen. Faktoren, die durch die Aufbau- und Verbindungstechnik herrühren wie zum Beispiel Lötstellen sowie die elektrische Funktionalität der einzelnen Bauelemente. Sind diese Faktoren bekannt, ist eine Ermittlung der realisierbaren Lieferqualität zu bestimmen und auf die Serienproduktion zu übertragen, wobei Schwachstellen bereits im Vorfeld durch das Konzept identifizierbar werden.

Initiator
Unterschiedliche Projektanforderungen an die Ermittlung der Gesamtfertigungsqualität von komplexen elektronischen Systemen, verbunden mit dem Ziel Optimierungsmaßnahmen auf Prozess-, Material- und Design-Ebene zu definieren, war der Grundstein für die Entwicklung eines standardisierten Konzeptes. Durch systematisch methodisches Vorgehen ist es gelungen, die Anforderungen der Elektronikhersteller an
  • Reduzierung der internen Fehleranteile und
  • Ableitung von Optimierungspotenzial
mit einem effizienten und nachweisbaren Berechnungsmodell als ganzheitliches Konzept anzubieten. Eine Vielzahl von Projekten zeigt uns die Notwendigkeit und den Bedarf dieses Konzeptes.
Situation
Die Eingangsbedingung zur Erfüllung und Erreichung kleiner bis geringster Ausfallraten im Produktionsprozess und somit auch die Absicherung einer hohen Auslieferqualität oder auch Reduzierung des Rest-Fehleranteils des gesamten Systems, beginnt bei der Materialbeschaffung. Nicht jeder Elektronikhersteller hat die Möglichkeit, die erforderlichen Qualitätsvereinbarungen beim Komponentenlieferanten durchzusetzen. Entweder ist die Abnahmemenge zu gering oder der Termindruck zur Lieferung des Systems zu hoch.
Grundlegend bleibt die Frage nach den einzelnen Fehleranteilen aus
  • A) Material (Zukaufteil)
  • B) Design/Konstruktion (Anordnung der Komponenten im Layout)
  • C) Fertigungsprozess (Verarbeitung/Herstellung/Montage)
unbeantwortet. Und dies bereits weit vor Beginn der Produktion.
Konzeptbeschreibung
Aller Anfang zur Verwirklichung eines Produktes ist meist die Stückliste und der geplante Fertigungsablauf. Auch bei diesem Konzept liefert die Gesamt-Stückliste des Systems die erforderlichen Basisinformationen.
Unter Beachtung der Design- und Konstruktionsgegebenheiten des Systems wird diese Information produktspezifisch verfeinert. Auch fließen die Qualitätsvereinbarungen der Komponentenlieferanten, nach Typ und Lieferant sowie die Design- oder Konstruktionseinflüsse auf die einzelnen Komponenten mit ein. Diese Zusammenführung bildet den Fehleranteil auf Komponenten-Ebene.
Daneben ergibt sich aus dem Fertigungsablauf, speziell dem Material-Handling und den einzelnen Fertigungsprozessen ein Fehleranteil auf Fertigungsebene. Beide Fehleranteile zusammen bestimmen neben den funktionalen Anforderungen, bestehend aus elektrischen, mechanischen und systemspezifischen Eigenschaften die Auslegung der Prüfstrategie. Die einzelnen Test- und Prüfschritte sind auf Ihre Fehlerfindung und somit ihre Wirkung auf die genannten Fehleranteile zu beurteilen.
Auch nach der Herstellung und Prüfung des Systems ist der Betrachtungsumfang noch nicht abgeschlossen. Hinzu kommt die Frage der Fehlermöglichkeiten durch den Versand oder Transport. An dieser Stelle sei nur kurz auf mögliche ESD-Schädigungen während des Transports hingewiesen. Dies gilt im Speziellen für Elektronik, die als Zukaufteil in die eigene Herstellung des Systems einfließt oder als Teil-Elektronik an den Kunden ausgeliefert wird.
Fehleranteile und deren Klassifizierung
Die Ableitung der einzelnen Fehleranteile aus Material, Prozess und Design, mit dem Wunsch nach einer transparenten Gesamtdarstellung und der Möglichkeit zur Auswertung, macht es erforderlich, dass unter der Herleitung
Rest-Fehleranteil = Summe (Material + Prozess) – Prüfung/Test
die Fehleranteile in zwei Klassen unterteilt werden.
Klasse 1 beschreibt den Fehleranteil, der durch elektrisches Fehlverhalten oder Ausfall entsteht. Fehleranteile, die durch die Aufbau- und Verbindungstechnik begründet sind werden in Klasse 2 zusammengefasst. Typisches Beispiel für die Klasse 1 ist die Zuverlässigkeitsabnahme bei Tantalkondensatoren nach dem Reflowlötprozess bzw. die „offene Lötstelle“ an vielpoligen Bauelementen aufgrund Koplanaritätsabweichung in der Klasse 2.
Berechnungsmodell
Der Basiswert beider Klassen ergibt sich durch die vereinbarte Anlieferqualität oder durch Angaben aus Datenblättern, Datenbanken und Lieferantenauskünften zu den jeweiligen Komponenten. Dieser Ausgangswert wird im Berechnungsmodell als Basiswert angenommen. Der konstruktive Einfluss auf die jeweiligen Bauelemente wird über einen Faktor bestimmt. Diese Bestimmung erfolgt über eine detaillierte Analyse des Layouts und Konstruktion des Systems. D.h. Basiswert und der faktorielle Einfluss der Konstruktion bilden den Ausgangwert für die weitere Betrachtung und wird als Basis-ppm angegeben.
Durch den Fertigungsablauf vorgegeben, wirkt der prozessseitige Fehleranteil je Fertigungsprozess auf den Basiswert der jeweiligen Komponente ein. Bestimmt wird der prozessseitige Fehleranteil durch vorliegende Kennzahlen oder durch Erfahrungswerte aus den etablierten Prozessen.
Der jetzt gebildete Fehleranteil je Komponente wird bis zum nächsten Prüfschritt entsprechend der Prozesskette bestimmt. Dann wird die Fehlerfindung oder Wirkung des anstehenden Prüfschritts auf die Klassen 1 und 2 bewertet.
Bildet man gemäß der Stückliste je Betrachtungseinheit die Summe über die einzelnen Komponenten, so lässt sich zu jedem Zeitpunkt im Fertigungsablauf der gesamte Fehleranteil der Betrachtungseinheit oder nur die Anteile bestimmen (Bild 2).
Ergebnis
Neben der produktspezifischen Aufstellung der Fehleranteile unterteilt nach Baugruppen, Unterklassen oder Module und Sub-Systeme gemäß der Strukturstückliste des Systems ist zusätzlich eine detaillierte Darstellung der Komponenten möglich. Auch die einzelnen Prozessschritte sowie Prüfungen können abgebildet werden und stehen dabei immer im Zusammenhang mit dem Gesamtsystem.
Anhand der einzelnen Aufstellungen können Maßnahmen zur Reduzierung der Fehleranteile vorgenommen werden. Gleichzeitig sind Schwachstellen schnell zu identifizieren. Dies betrifft vor allem die verwendeten Komponenten, da der Bezug auf System-Ebene hergestellt wird. So können zum Beispiel Zielvorgaben für Lieferantenvereinbarungen ermittelt werden oder einzelne Prozessschritte hinsichtlich ihres Fehleranteils betrachtet werden. Sogar die Güte und Wirkung einzelner Prüfschritte auf die Fehlerfindung lässt sich bestimmen. Neben diesem präventiven Ansatz zur Reduzierung von Fehleranteilen ist auch zum Zeitpunkt der beginnenden oder auch laufenden Serienproduktion ein Vergleich zur realen Qualitätslage möglich.
Dieses berechnungsbegleitende Konzept lässt eine transparente Auswertung eines elektronischen Systems im Hinblick auf die Auslieferqualität zu, und bietet somit für den Elektronik-Hersteller die Möglichkeit, schon vor Beginn der Serienproduktion Schwächen auf Material-, Prozess- und Design-Ebene zu identifizieren.
Aufgrund der offenen Struktur und veränderbarer Daten und Parameter kann eine schnelle Anpassung vorgenommen werden. Auswirkungen von Optimierungen lassen sich ebenso verfolgen wie die Planung von neuen Produktionslinien.
Somit kann den Forderungen der Kunden an die Lieferqualität bereits in der Planungsphase von komplexen Systemen Rechenschaft getragen werde.
electronica, Stand A1.638
EPP 434
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