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Geschlossene Lackversorgung

Prozessregelungen für automatische Beschichtungsverfahren
Geschlossene Lackversorgung

Die Beschichtung von bestückten Baugruppen mit den entsprechenden Schutzlacken ist in weiten Bereichen der heutigen Elektronikfertigung bereits als Standardprozess eingeführt. Ob sicherheitsrelevante Baugruppen für die Automobilelektronik, hochwertige Industrieelektronik, Antriebstechnik, Medizin- und Luftfahrtelektronik oder auch im Consumer Bereich: durch die Beschichtung von elektronischen Baugruppen lassen sich korrosionsbedingte Fehlfunktionen verhindern und die Zuverlässigkeit und Lebensdauer der jeweiligen Produkte deutlich verbessern.

Asymtek, Maastricht (Nl)

Die Beschichtung mit Schutzlacken ermöglicht elektrische Schaltungen vor dem negativen Einfluss von Feuchtigkeit, aggressiven Umgebungsbedingungen, Staub und anderen Verunreinigungen zu schützen, die ansonsten zu Beeinträchtigungen, Fehlfunktionen oder einem vorzeitigen Ausfall der Schaltung führen würden. Darüber hinaus kann das Wachstum von Dendriten und die Oxidation auf der bestückten Leiterplatte wirkungsvoll verhindert werden.
Analog zu anderen Fertigungsschritten kann auch in diesem Fall eine Entwicklung von einfachen, manuellen Anwendungen hin zu automatisierten und selektiven Beschichtungsverfahren festgestellt werden, um einen funktionierenden Prozess zu gewährleisten. Veränderungen der Verarbeitungsparameter können jedoch gravierende Fehler verursachen, wenn sie nicht rechtzeitig entdeckt und korrigiert werden. Die durch Reparatur, Nacharbeit oder Ausfall von fehlerhaft beschichteten Baugruppen verursachten Kosten können enorm sein, da die Beschichtung erst am Ende der Wertschöpfungskette stattfindet. Umfassende Prozesskontrolle in Verbindung mit intelligenten Regelungen ermöglichen den Prozess besser zu überwachen und können helfen die durch fehlerhafte Beschichtungen hervorgerufenen Kosten zu reduzieren. Durch die Regelungen lassen sich Veränderungen der Prozessparameter und somit auch die Fehlerrate deutlich reduzieren und erlauben den Prozess exakt und reproduzierbar innerhalb vorgegebener Grenzen stabil zu halten.
Automatische Beschichtungsanlagen, die den Lack selektiv auf die Baugruppe auftragen, können eine erste, grundlegende Verbesserung des Prozesses ermöglichen. Diese Anlagen bestehen in der Regel aus einer Beschichtungskabine mit anschließender Trockenstrecke und zusätzlichen Handlingsmodulen (Bild 1), um eine vollständige Einbindung in die Produktionslinie zu ermöglichen. In der Kabine erfolgt die Beschichtung der Baugruppe. Die wesentlichen Bestandteile sind ein Software gesteuerter Roboter mit einem Beschichtungskopf, der den Lack auf die Baugruppe aufträgt und der entsprechenden Lackversorgung. Durch die spezifische Software werden die Beschichtungsprogramme für unterschiedliche Baugruppen einfach und komfortabel erstellt, abgespeichert und verwaltet.
Grundsätzlich kann zwischen luftunterstützten (Sprüh-) Verfahren und dem SelectCoat-Beschichtungsverfahren unterschieden werden. Luftunterstütze Sprühverfahren sind für diese Anwendung nur bedingt geeignet, da durch die nebelartige Applikation keine ausreichende Genauigkeit erzielt werden kann. Besonders problematisch wird es, wenn offene Kontakte oder Anschlussleisten dicht an zu beschichtende Flächen grenzen. Durch den vorhandenen Sprühnebel kann eine Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden. Dieser Effekt ist umso ausgeprägter, je größer der Abstand zwischen Düse und Leiterplatte ist.
Demgegenüber ermöglicht der geschlossene Lackvorhang bei dem SelectCoat-Verfahren ein exakt definiertes Auftragsbild ohne Sprühnebel (Bild 2). Der an dem Roboter angebrachte Beschichtungskopf wird so programmiert, dass der Lack als geschlossener Film nur noch auf die dafür vorgesehenen Bereiche der Baugruppe aufgetragen wird. Offene Kontakte, Steckerleisten, Relais usw. können in der Regel exakt und ohne zusätzliche Maskierung von der Beschichtung ausgespart werden. Dieser Prozess ist optimal für niedrigviskose Schutzlacke geeignet. Die erzielten Schichtstärken lassen sich je nach verwendetem Lack in einen Bereich von ca. 25 µ bis 200 µ einstellen, wobei eine äußerst reproduzierbare und exakt definierte Kantenschärfe erzielt wird. Selektive Beschichtungsanlagen gewährleisten eine gleichmäßige und reproduzierbare Applikation, einen hohen Durchsatz bei gleichzeitig reduziertem Materialverbrauch und verfügen über eine geschlossene Lackversorgung. Dadurch wird wirkungsvoll verhindert, dass Lösemittel entweichen oder aber Verunreinigungen in das System eindringen können.
Die Prozesskontrolle fängt bereits bei der Lackversorgung an. In Abhängigkeit der Umgebungstemperatur verändern Schutzlacke ihre Viskosität, die Benetzungseigenschaften und ihr Fließverhalten. Mit anderen Worten: Veränderungen der Umgebungstemperatur haben zwangsläufig Veränderungen des Beschichtungsergebnisses zur Folge. Ohne Prozessregelung können Fehlbeschichtungen auftreten, oder häufige manuelle Nachjustierungen der Verarbeitungsparameter erforderlich sein.
Aus diesem Grund empfiehlt sich der Einsatz einer beheizten und zirkulierenden Lackversorgung (Bild 3), um den Prozess möglichst konstant halten zu können. Durch die Temperierung des Lackes lassen sich negative Einflüsse aufgrund von Viskositäts- und/oder Druckschwankungen reduzieren, da die Lacktemperatur in einem Bereich von ca. ±1°C konstant gehalten werden kann. Der temperierte Lack ermöglicht eine bessere Benetzung der Oberfläche und erlaubt kürzere Trockenzeiten, da die flüchtigen Bestandteile nach der Lackierung schneller abgegeben werden können. Allein durch den Einsatz einer solchen Lackversorgung kann die Beschichtungsqualität gegenüber konventionellen Verfahren deutlich verbessert werden. Darüber hinaus wird die Lacktemperatur fortlaufend überwacht und im Fall von Über- oder Untertemperatur automatisch ein Alarm an den Bediener ausgegeben, um die Einhaltung der festgelegten Toleranzbereiche sicherzustellen.
Um die richtigen und sinnvollen Kontrollmechanismen und Regelungen entwickeln zu können, ist es erforderlich die Zusammenhänge und die tatsächlichen Ursachen für die Prozessschwankungen zu kennen, die Durchflussrate einer Beschichtungsdüse wird unter anderem von der Viskosität des Lackes bestimmt. Die Viskosität wiederum ist abhängig von dem Beschichtungsmaterial, der Temperatur, dem Lösemittelanteil und der Zeit. Sobald die Umgebungstemperatur innerhalb der Fertigung ansteigt, wird die Viskosität des Beschichtungsmaterials geringer werden und sich die Durchflussrate durch die Düse zwangsläufig erhöhen, was eine Änderung von Prozessparametern zur Folge hat. Die Veränderung hängt dabei von dem Beschichtungsmaterial selbst ab. Bestimmte Lacke verändern ihre Viskosität durch Temperatureinfluss stärker als andere. Um dies auszuschließen, ist es erforderlich den Lack durch eine beheizte Lackversorgung auf einem konstanten Temperaturniveau zu halten.
Die Aufgabe der Prozessregelungen ist es den Prozess zu überwachen und sicherzustellen, dass vorgegebene Toleranzen nicht über- oder unterschritten werden. Alle wichtigen Prozessdaten werden dabei kontinuierlich erfasst und mit Datum und Uhrzeit versehen in einem so genannten Log-File aufgezeichnet und stehen dadurch für Traceability Aufgaben, für statistische Auswertungen sowie für die Ausgabe auf den Monitor zur Verfügung. Im Falle von Störungen lassen sich so konkrete Hinweise erzeugen, die auf die jeweilige Anwendung zugeschnitten sind. Dies ermöglicht dem Personal einen sofortigen und direkten Eingriff im Falle einer Fehlfunktion.
Wie zuvor erläutert kann sich die Lackviskosität durch äußere Einflüsse verändern. Dadurch wird sowohl die Durchflussrate als auch die Auftragsbreite während der Beschichtung beeinflusst. Der Einsatz von speziellen Regelungen, wie beispielsweise der „Laser Fan Width Control“ (Bild 3, automatische Messung und Regelung der Beschichtungsbreite) ermöglicht diese Veränderung rechtzeitig zu erfassen und automatisch zu kompensieren, um so einen stabilen Prozess zu gewährleisten. Bei dieser Regelung erfolgt eine laserunterstützte Vermessung der Breite des Beschichtungsbildes. Die Überwachung der Auftragsbreite ermöglicht den Bediener rechtzeitig auf eine potenzielle Störung hinzuweisen und verbessert dadurch die Produktqualität. Die integrierte Software erlaubt den Einsatz von unterschiedlichen Kontrollroutinen: zunächst eine schnelle Überprüfung während eine Baugruppe ein- oder ausgefördert wird. Liegt das Messergebnis innerhalb des vorgegebenen Toleranzbereiches, wird die folgende Beschichtung ohne Verzögerung ausgeführt. Erst wenn der Messwert nicht mehr im Toleranzbereich liegt, wird automatisch eine weitere Routine ausgeführt, um die Veränderung zu kompensieren und die vorgegebene Lackierbreite wieder herzustellen
Automatische selektive Beschichtungsanlagen können eine deutliche Prozessverbesserung gegenüber konventionellen Anwendungen ermöglichen, da die Auswirkungen von veränderten Verarbeitungsparametern automatisch erfasst und ausgewertet werden können. Somit besteht die Möglichkeit entweder manuell oder auch automatisch eine entsprechende Kompensation durchzuführen, um einen stabilen und reproduzierbaren Prozess zu ermöglichen. Durch weiterentwickelte Beschichtungsverfahren und anwendungsspezifische Softwarelösungen wird eine wesentlich verbesserte Wiederholgenauigkeit erzielt. Der Einsatz von sinnvollen Prozessregelungen ermöglicht die Beschichtungsqualität deutlich zu verbessern und damit auch die Fehlerrate weiter zu reduzieren. Zusätzlich wird hiermit auch den aktuellen Anforderungen nach einer permanenten Erfassung von statistischen Prozessdaten entsprochen, um eine möglichst lückenlose Nachverfolgung und Überwachung des Prozesses zu ermöglichen.
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