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Lautstarke Millionenseller

Kundenspezifische Mikromontageanlage
Lautstarke Millionenseller

Die Bauteile werden immer kleiner, die Stückzahlen immer größer, der Wettbewerb härter. Die Rede ist von Lautsprechern für Mobiltelefone, deren Fläche kleiner als die eines Daumennagels ist. Für die Montage der lautstarken Winzlinge werden sogar Anleihen aus anderen Fachbereichen gemacht. Zum Aufbringen einer abdichtenden Zwischenlage, den so genannten Gaskets, dient eine modifizierte SMD-Maschine, die in die Montagestation von Rohwedder Micro Technologies integriert wurde.

Rohwedder Micro Technologies, Bruchsal

Die Geschichte von NXP in Wien füllt Bände, die Erfolgszahlen in jüngster Zeit ebenfalls. Die Idee aus den Anfängen der 90er Jahre, Lautsprecher für den Mobilfunkmarkt zu entwickeln, ist eine Story geworden – mit der Begleitmusik vieler technischer Highlights, sozusagen dem hohen C der Technik.
Waren Lautsprecher lange Jahre rund, hat die Miniaturisierung zu rechteckigen Bauformen geführt. Akustisch kein Problem, aber was die Montage betrifft durchaus mit Tücken, wie Dr. Mark C. Dolezal, Manager Prozess-Automation bei NXP in Wien versichert: „Wir haben in vielen Punkten jetzt höhere Ansprüche, weil die Produkte schwieriger zu handhaben und zu positionieren sind.“ Auf das Niveau der Anforderungen müssen sich selbstverständlich auch Partner und Lieferanten einlassen, die wie Rohwedder Micro Technologies jetzt eine zweite Gasket-Anlage für die Montage in Wien geliefert haben.
Nicht gerade eine Zwickmühle, aber durchaus eine Herausforderung sind sich widersprechende Auslegungskriterien. So soll die Anlage einen hohen Standardisierungsgrad aufweisen, um möglicherweise zusätzliche Varianten adaptieren zu können. Auf der anderen Seite muss ein spezifisches Produkt so kostengünstig wie möglich montiert werden, was entsprechende spezifische Ausrüstung erfordert. Prozessingenieur Wolfgang Suete: „Wir schauen darauf, einen möglichst hohen Wiederverwertungsgrad zu haben, wenn ein neues Produkt über die Anlage gefahren werden soll.“ Definitiv halten die Anlagen länger als die Mode auf dem Mobilfunkmarkt. Für die Nutzung einer Anlage über die Lebensdauer oder wenigstens über den Abschreibungszeitraum ist das ja nicht ganz unwesentlich. Deshalb können sich auch die Techniker bei der Auslegung nicht ganz von einschlägigen Überlegungen freimachen. Das Design eines Produktes und der Anlage sowie die erste Fertigung sind Aufgabe des Kompetenzzentrums in Wien. Denn dort, wo das Produkt entwickelt wird, hat man durchaus auch Ideen, wie es in der Ramp-Up-Phase begleitet werden kann und wie die Prozessoptimierung in der ersten Produktionszeit voran geht – bis das Produkt und die Anlage „matured“ sind. Das ist meist auch schon die Zeit, in der sich der Kostendruck des Marktes in der Produktionshalle bemerkbar macht.
Um der jährlichen Preiserosion zu begegnen, plant NXP von vornherein eine Verlagerung von ausgereiften Produktionsanlagen an firmeneigene Standorte in aller Welt ein. Die Schwesterfirma in Peking arbeitet, keineswegs überraschend, mit niedrigeren Lohnkosten, aber durchaus kompetent mit diesen Anlagen. Dolezal nennt ein beeindruckendes Beispiel: „Einen unserer 13-mm-Lautsprecher produzieren wir schon seit zwölf Jahren. Davon haben wir bereits mehr als 1,2 Milliarden Stück gefertigt.“ Hier und da ein kleines Re-Design, da und dort ein neuer Kniff in der Montage. Das Ende der Erfolgsgeschichte ist nicht abzusehen.
Die nächste Generation steht ohnehin bereit, neue Rekorde zu brechen. „Speaker“ für Mobiltelefone erreichen heute schon akustische Leistungen, wie sie viele Heimverstärker nicht bringen. Im Gegensatz zum „Receiver“, der in einem Frequenzband zwischen 500 und 4 000 Hz arbeitet, bringt der Speaker zwischen 300 und 20 000 Hz. Damit ist neben Sprache auch Musikwiedergabe mit sehr guter Qualität möglich; für die Inhalte wird natürlich nicht garantiert.
Angesichts der Stückzahlen ist es verständlich, dass die Anlagen normalerweise nur für ein Produkt ausgelegt sind. Aber auch hier beweist NXP, dass alles möglich ist. Denn es gibt auch Standardanlagen, beispielsweise für 16-mm-Typen, auf denen bis zu drei Varianten montiert werden können. Nicht immer sind die Anlagen dafür von Anfang an ausgelegt. Varianten ergeben sich im Laufe der Lebensdauer eines Produktes, wenn etwa ein Re-Design ansteht. „Dann versucht man, das alte Linienmuster beizubehalten“, sagt Dolezal und liefert die Begründung gleich mit: „Wir versuchen, das Investment so gering wie möglich zu halten.“
Deshalb kann Rohwedder eine Anlage auch nicht von vornherein „mit Reserven“ bauen. Die Prozessingenieure bei NXP, wie Wolfgang Suete, würden diese Reserve schon in einem frühen Stadium entlarven: „Wir werden eine Anlage nicht überdimensionieren.“ Und auch Andreas Görtz, gewissermaßen der Key Account Manager von Rohwedder für NXP, bestätigt: „Wir legen eine Anlage für eine bestimmte Taktzeit aus. Und wenn wir die Anlage in Betrieb nehmen, schauen wir, dass wir diese Werte erreichen.“
Natürlich kennen die Ingenieure sowohl bei NXP als auch bei Rohwedder die Stellschrauben, an denen sich drehen lässt. Beide Seiten sind sich jedoch einig, dass das Potenzial für Verbesserungen in der Praxis gewonnen wird. Das können oder müssen bei entsprechender Marktentwicklung schon einmal 10 bis 20 % im Jahr sein.
„Der Kunde wartet nicht“
Sätze aus dem Lehrbuch der Betriebswirtschaft sind leicht dahingesagt, und die Techniker müssen es „ausbaden“. Der Markt für Mobiltelefone ist allerdings so schnelllebig, dass ein solcher Satz schon ein Credo ist. Entsprechend eng sind die Zeitfenster für eine Markteinführung, entsprechend hoch ist der Druck auf die Techniker, technische Vorgaben auf einem hohen Qualitäts- und niedrigem Kostenniveau umzusetzen. „Deswegen fokussieren wir uns auf Lieferanten, die ein hohes technisches Verständnis haben und das auch umsetzen können, wie unter anderem auch Rohwedder“, sagt Dr. Mark C. Dolezal. Schon in einer frühen Phase eines Projektes ist die Zusammenarbeit zwangsläufig sehr eng.
Von der Größe her haben die Komponenten eine Grenze zwischen konventioneller und Mikromontage erreicht. Herkömmliche Backengreifer für das Handling haben da längst ausgedient. Nicht alleine wegen der Größe, sondern weil die Bauteile teilweise so empfindlich sind, dass sie nicht mehr geklemmt werden können. Also haben sich die Konstrukteure in anderen Revieren umgesehen und bei der SMD-Technik gewildert: Wesentliche Komponente der Gasketanlage ist eine Maschine, die ursprünglich für die Bestückungstechnik entwickelt worden war. „Eine Siplace-Station hat jeder Semiconductor in seiner Produktion“, sagt Dolezal, „aber für uns ist diese Technik eben neu in der Receivermontage.“ Benchmarking sei auch was die Technologien betrifft durchaus üblich bei NXP. Das entsprechende Know-how erarbeiten sich die Mitarbeiter des Unternehmens selbst. Große Erwartungen hegt man aber auch hinsichtlich Lieferanten wie Rohwedder Micro Technologies. „Manches Mal tastet man sich an eine Lösung heran, die erst durch entsprechende Wertschöpfung für ein bestimmtes Projekt geeignet ist“, trägt Andreas Görtz seinen Teil zur gemeinsamen Performance bei. Denn technisch seien Lösungen längst bekannt, bevor sie auch wirtschaftlich umzusetzen seien – auch diesen Aspekt erwartet das Team um Dr. Mark C. Dolezal von seinem Lieferanten.
Und dann sind es doch manchmal die ganz einfachen physikalischen Gesetze, die eine Station so einzigartig machen. Klassischer Maschinenbau für ein Hightech-Produkt wie einen Handy-Receiver? Aber ja doch. Dolezal: „Das ist eine Lösung, wie wir sie uns vorstellen: Einfach, robust und prozesssicher.“ Görtz bestätigt: „Es gäbe noch ein Dutzend anderer Möglichkeiten, aber jede wäre technisch komplizierter.“ Das „Wunder von Wien“ besteht in einer Andrückstation für die 96 Nester eines Werkstückträgers. Über jedem Nest befindet sich ein massiver Messingstab, der eine definierte Kraft dadurch aufbringt, dass er durch seine Masse auf das Teil gesenkt wird. Jeder Stab hat in der gleichen Höhe eine Bohrung, so dass bei korrekter Abfrage ein Lichtstrahl durch alle Bohrungen hindurch auf der anderen Seite detektiert werden kann.
Natürlich müsse auch das Finanzielle bei einem Projekt in der Größenordnung der Montageanlage stimmen. „Ein wichtiger Faktor ist jedoch das gegenseitige Vertrauen und wie man an solche Aufgaben herangeht“, skizziert Dolezal seine einfachen, aber wichtigen Anforderungen. Gerade in einfachen Lösungen zeige sich ja auch die Kompetenz eines Partners. Alleine die Gasketanlage umfasst einschließlich aller Qualitätsschritte 15 bis 20 Stationen. Und es wird schlicht alles geprüft, was man prüfen kann. Dolezal: „Zu den zahlreichen Visionsystemen gibt es noch einmal so viele Abfragen, die auch für die reibungslose Verarbeitung entscheidend sind.“ Ist das Bauteil überhaupt da? Liegt es in der richtigen Position? Stimmt die Höhe? Keine Frage bleibt in der Qualitätssicherung unbeantwortet.
Ob der Lautsprecher des Jahres 2050, sei es als Receiver oder Speaker, noch auf einer vergleichbaren Anlage gefertigt werden könne sei fraglich, meint der Manager der Prozess-Automation: „Er wird wahrscheinlich extrem flach, extrem laut und multifunktional sein.“ Weiter könne er nicht in die Zukunft blicken – zumindest will er nicht öffentlich darüber reden. Bestimmt aber lassen sich die Anforderungen an eine entsprechende Montageanlage formulieren. Denn die lauten nicht anders als heute: leistungsfähig, zuverlässig und wirtschaftlich.
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