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Mittelstand erweist sich anpassfähig

50 Jahre: Familienunternehmen stellt sich erfolgreich internationalem Wettbewerb
Mittelstand erweist sich anpassfähig

Das Herrenberger Unternehmen Feinmetall feiert 2014 sein 50-jähriges Bestehen. Der Firmenname ist Programm: Mit der Metallbearbeitung für die Uhrenindustrie hat 1964 in Ludwigsburg unter dem Dach des Kreidler-Konzerns alles begonnen. Heute ist das Unternehmen in Familienhand, nachdem es die Familie Bürkle 1982 übernommen hatte, und fertigt Federkontaktstifte sowie Prüfkarten für die Elektronikindustrie. Das Unternehmen hat sich in den letzten 50 Jahren mehrfach neu erfunden und sich schnell an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst. Es ist ein Paradebeispiel für ein gut geführtes modernes, schwäbisches Familienunternehmen.

In der durchaus wechselvollen Unternehmensgeschichte gab es in den 1970er Jahre mehrere Einschnitte.

Von Feinmechanik zur Elektronik
1971 verlegte Feinmetall den Firmensitz von Ludwigsburg nach Herrenberg. Dort fanden rund 50 Mitarbeiter im neu erbauten Firmensitz Arbeit. Mit einer Jahresproduktion von fünf Millionen Präzisionsspiralfedern war aber bereits 1972 der Zenit dieses Produktes erreicht.
Der Siegeszug der Quarzuhren führte zum Niedergang der Schwarzwälder Uhrenindustrie, der Bedarf an qualitativ hochwertigen mechanischen Bauteilen sank. Da traf es sich gut, dass der benachbarte Computerhersteller IBM auf der Suche nach einem neuen Lieferanten für Federkontaktstifte auf das Unternehmen stieß.
Die Lösung wurde gefunden, um die Federkontaktstifte, die zur Prüfung der elektrischen Kontakte von Leiterplatten benötigt wurden, präzise und mit höchster Qualität zu liefern. Das entwickelte Produkt hielt dreimal länger als die Stifte der Konkurrenz.
Der Auslöser für den Produktbereich Federkontaktstifte mag eine glückliche Fügung gewesen sein, den Ausbau dieses Geschäftsfeldes trieb das Unternehmen in der Folge mit Engagement und Weitblick voran.
Die Brüder Kurt und Walter Bürkle haben als Familienunternehmer mit Umsicht sowie erheblichen Investitionen die Weichen für den Erfolg, die Wettbewerbsfähigkeit und die Internationalisierung gestellt. Heute wird das Unternehmen in zweiter Generation von der Familie geführt.
Qualität und Innovation
Genauso rasch, wie sich die Elektronikindustrie entwickelte, stellte sich das Unternehmen nun auf die neuen Herausforderungen ein. Die massenhafte Verwendung von elektronischen Bauteilen sowie die rasch voranschreitende Miniaturisierung stellten hohe Anforderungen an die Prüfkontakte.
So entstand zu Beginn der 90ger Jahre ein weiteres Standbein mit der Entwicklung von neuartigen Prüfkarten für die Halbleiterindustrie, basierend auf der sogenannten Knickdraht-Technologie, mit der das Unternehmen schon in der Zusammenarbeit mit IBM Erfahrung gemacht hatte.
Heute sind die Vertical Probe Cards, die ViProbes, beim Wafer-Test von Chips aller Art nicht mehr wegzudenken. Zu den Abnehmern gehören Firmen wie Infineon, ST, Philips und später Quimonda. Für die Vermarktung in Amerika vergibt das Unternehmen eine Lizenz an die damals größte US-Probecard-Firma Cerprobe. 2004 erfährt der Erfolg dieser Prüfkarten nochmals einen beachtlichen Anstieg durch Inbetriebnahme eines neu erstellen Reinraums, seither wird rund die Hälfte des Umsatzes mit Prüfkarten generiert.
Für den Produktbereich Federkontaktstifte wird das Marktsegment des Kabelbaumtests zu dem am stärksten wachsenden Absatzmarkt und man kann sich im Laufe der Jahre hier eine weltweite Führungsposition erarbeiten: Nahezu sämtliche Fahrzeuge der namhaften Premium-Automobilmarkenmarken sind heute mit Kabelbäumen ausgestattet, die mit Federkontaktstiften des Unternehmens getestet wurden.
Internationali- sierung
2006 rückt das Unternehmen einmal mehr näher an seine Kunden heran durch den Eintritt in den asiatischen und amerikanischen Markt.
Man gründet Niederlassungen in den USA, Taiwan, Singapur und später in Mexiko sowie China. An den Standorten in Singapur werden auch Probe Cards gefertigt. Die jeweils auftragsspezifisch für die Kunden entwickelten Prüfkarten sind hochpräzise, zusätzlich wird an allen Standorten ein kundennaher technischer Service vor Ort geboten, ein weiterer Schlüssel des Erfolges.
2008 und 2009 trifft die Krise auch den Hersteller und im Dezember 2008 sinkt der Umsatz um dramatische 50%. Nur mit Kurzarbeit, dem Abbau von Arbeitsplätzen und einem weiteren finanziellen Engagement durch die Gesellschafter kommt man in Herrenberg durch diese schwere Krise.
So rasch wie diese kam, so rasch ging es dann bergauf:
Ab 2010 wurde bereits wieder das Niveau vor der Krise erreicht, seither verzeichnet man ein starkes Wachstum sowohl an den Märkten für Kontaktstife als auch an denen für Wafer-Prüfkarten.
Im Jahre 2012 wird eine weitere Vertriebsniederlassungen in China gegründet, in Shanghai und im weiter südlich gelegenen in Shenzhen. Tragende Säulen der Wirtschaft in diesen Regionen sind die Automobil- und die Elektronikindustrie mit einem enormen Bedarf an hochwertigen Prüfkontakten. 2013 wurde mit den Auslandniederlassungen zusammen einen Umsatz von rund 38 Millionen Euro erwirtschaftet.
Mit beiden Produktsegmenten, den Kontaktstiften für die Prüfung von elektronischen Baugruppen sowie den Prüfkarten für den Wafer-Test, nimmt Feinmetall weltweit eine Spitzenstellung ein. Der Exportanteil liegt 2014 bei etwa 70%.
Heute stellt sich die Technologie-Entwicklung bereits auf eine weitere Miniaturisierung in der Elektronik ein.
„Wir befinden uns mit unseren Lösungen an der Grenze des technisch Machbaren, wenn wir etwa hunderte Kontakte von der Stärke eines dünnen Haares exakt auf einer Fläche von einer Briefmarke in unseren Prüfköpfen platzieren, also müssen wir neue Technologien finden und einsetzen“, sagt Wolfgang Bürkle.
„Die größte Herausforderung der kommenden Jahre ist die Miniaturisierung und Internationalisierung. Wir sind jetzt dabei, mikromechanische Fertigungsmethoden zu erproben, damit wir mit der Entwicklung Schritt halten und unseren Kunden Prüfsysteme anbieten können, die auch in künftig noch kleiner werdenden Strukturen zuverlässig arbeiten“, fasst Wolfgang Bürkle zusammen.

Herr Bürkle, Sie sind 1994 in das im Besitz ihrer Familie befindliche Unternehmen eingetreten und haben 1997 die Geschäftsführung übernommen. Bereits ein Jahr später haben Sie mit der internationalen Expansion angefangen. Wie ging das damals vonstatten?
Wir hatten mit den steigenden Lohnkosten in Deutschland zu kämpfen und haben uns dann für eine Produktion in Tschechien entschieden, da wir dort sowohl kompetente Mitarbeiter als auch gute Rahmenbedingungen vorgefunden haben. Gleichzeitig hat die Elektronik- und Halbleiterindustrie ihre Produktionsstandorte aus Deutschland und Europa verlagert, so dass wir diesen Weg mit unseren Kunden mitgegangen sind. Heute haben wir mit sieben Standorten in Europa, Asien und Amerika Vertriebs- und Serviceniederlassungen überall dort, wo unsere Kunden sind und sorgen so für kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Das wissen unsere Kunden zu schätzen.
Wo liegen heute die größten Herausforderungen in der Elektronikfertigung?
In der Elektronikindustrie und der Halbleiterfertigung verläuft die Entwicklung rasant, die Größenverhältnisse werden immer kleiner und feiner. Neue Bauelemente werden immer integrativer entwickelt – und das muss alles geprüft werden. Die Kontaktabstände betragen heute schon bis vier Hundertstelmillimeter oder noch kleiner. Wir entwickeln ja bei jedem Auftrag mit, da unsere Produkte immer kunden- und anwendungsspezifisch sind. Aber es gibt auch grundsätzliche technologische Entwicklungsthemen, die etwa das ganze System einer Wafer-Prüfkarte betreffen. Mechanisch kann man so kleine Bauteile gar nicht mehr bearbeiten, es braucht neue Verfahren, wie z.B. solche aus der Mikrosystemtechnik. Hier arbeiten wir mit wissenschaftlichen Instituten zusammen und bauen auf unsere starke Forschungs- und Entwicklungsabteilung.
Wo sehen Sie Trends?
Wir rechnen auf jeden Fall damit, dass die weitere Durchdringung nahezu aller Lebensbereiche mit Elektronik noch weiter zunimmt, und damit auch der Bedarf an Prüf-Mitteln für die Produktion all dieser dafür benötigten Geräte, Baugruppen, Komponenten und Schaltkreisen. Wir haben ja zwei sich in mancher Hinsicht stark unterscheidende Produktbereiche, nämlich einmal den der Kontaktstifte für die unterschiedlichsten Anwendungen, hauptsächlich im Prüfbereich, und zweitens Probe Cards für den Wafertest in der Halbleiterfertigung. Dadurch sind wir auch auf unterschiedlichen Märkten präsent, mit jeweils ganz eigenen Trends. Was sich aber für die Prüftechnologie in allen Bereichen der Elektronik zeigt, ist die zunehmende Komplexität und Verdichtung der zu prüfenden Bauelemente sowie eine immense Verkürzung der Entwicklungs- und Produktzyklen. Das bedeutet für uns immer kürzere Liefer- und Durchlaufzeiten bei zunehmendem Engineering-Aufwand pro Auftrag. Diesen Anforderungen begegnen wir mit immer intelligenteren Produkt-Konzepten und kontinuierlicher Prozessoptimierung.
Woher kommt die äusserst geringe Fluktuationsrate Ihrer Mitarbeiter?
Um als Unternehmen erfolgreich zu sein, müssen die Mitarbeiter von dem, was sie machen, überzeugt sein, und sie müssen gerne in der Firma arbeiten. Das geht dann gut, wenn sie persönliche Erfolge bei der Arbeit haben. Das Gehalt ist wichtig, aber die Wertschätzung spielt eine große Rolle. Das fördern wir auch mit verschiedenen Programmen, da man Führen nicht unbedingt in der Berufsausbildung lernt. Einer der Gründe unserer niedrigen Fluktuationsrate. Mittlerweile ist der Wettbewerb um die besten Ingenieure und Fachkräfte voll entbrannt. Für uns heißt das, dass wir als Familienunternehmen attraktiver werden wollen. Wir finden auch zunehmend junge Leute, die explizit zu einem Mittelständler wollen.
Welche Perspektiven sehen Sie langfristig für Feinmetall, wird das Unternehmen weiter wachsen?
Wachstum ist notwendig, in unserem dynamischen Markt ist Stillstand tödlich. Wir können uns nicht klein und fein zurückziehen und sagen, das reicht jetzt. Wir wollen in unseren angestammten Bereichen unseren Marktanteil vergrößern, die Technologieführerschaft behalten oder eben ausweiten, so wie wir das etwa bei Kontaktstiften für den Test von Kabelbäumen für die Automobilindustrie in den vergangenen Jahren geschafft haben. Wir müssen noch mehr in die Automatisierung gehen, vor allem wenn die Teile immer kleiner werden. Irgendwann kann man sie auch nicht mehr mit der Pinzette greifen. Den Standort Herrenberg wollen wir sichern, in dem wir weiter wachsen, hier die Technologie-Kompetenz ausbauen und so immer noch einen Vorsprung haben gegenüber Herstellern aus Asien. Wir sind vielleicht etwas teurer, aber unsere Kunden bezahlen mehr, weil sie bessere Qualität bekommen und sich das am Ende rechnet.
Herr Bürkle, vielen Dank.
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