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Preform-Produkte aus bleifreiem Lot Karl Pflucke, Eric Bastow, Mike Fenner, Indium, Milton Keynes (UK)

Für untypische SMT- oder Wellenlötaufgaben
Preform-Produkte aus bleifreiem Lot Karl Pflucke, Eric Bastow, Mike Fenner, Indium, Milton Keynes (UK)

Der Übergang zu bleifreien Loten hat Auswirkungen auf Entwurf und Montage von Elektronikprodukten. Ein Großteil der Bemühungen für diesen Wechsel ist auf Lotpasten für die Oberflächenmontage (SMT) und Stangen aus Lot sowie Fluxer für das Wellenlöten bzw. für gemischt bestückte Baugruppen konzentriert. Dieser Bereich der Elektronikfertigung ist mittlerweile genauestens untersucht und dokumentiert. Allerdings gibt es auch noch andere Aspekte der bleifreien Löttechnik, die sich nicht ignorieren lassen.

Der Begriff bleifreie Lotlegierungen wurde mittlerweile ein Synonym für die sogenannten SAC-Legierungen (SnAgCu = Zinn-Silber-Kupfer), und das gilt auch umgekehrt. Dieser Umstand beruht hauptsächlich auf der Dominanz der SMT-Baugruppenfertigung, bei der typischerweise Lotpasten verwendet werden. Jedoch gibt es eine große Zahl von bleifreien Loten, die man oft bei anderen Montagetechniken einsetzt. In der Tabelle auf Seite 22 sind eine ganze Zahl von wichtigen und häufig eingesetzten Bleifrei-Legierungen aufgeführt. Aufschlussreich ist der Blick auf einige wichtige bleifreie Lotlegierungen und deren Applikationsfelder.

Gold-Zinn (AuSn)
Die Legierung Au80Sn20 hat Eigenschaften, die sie besonders geeignet machen für Anwendungen, in denen andere Lote nicht verwendet werden können. Opto-elektronische Baugruppen werden häufig in mehreren Schritten ohne Fluxer-Einsatz assembliert. Fluxer kann deswegen nicht verwendet werden, weil die Gefahr besteht, dass hier Materialkomponenten ausgasen und sich auf der Optik als Beläge niederschlagen können. Entsprechend seiner relativ oxidfreien Eigenschaften wird AuSn oft auf dickeren Goldmetallisierungen eingesetzt, wobei keinerlei Fluxer nötig ist, jedoch Schutzgase wie Stickstoff oder Argon.
Die Legierung zeichnet sich durch hohe Scher- und Zugfestigkeit von 276 MPa aus. Zudem verschlechtern sich diese Eigenschaften auch nicht bei Umgebungstemperaturen über 125°C, wie dies bei vielen anderen Weichloten der Fall ist.
Gold-Germanium (AuGe)
Ähnlich wie Gold-Zinn weist auch die Legierung Au88Ge12 eine ausgezeichnete Scher- und Zugfestigkeit von 248 MPa auf. Zudem verträgt das Material auch Arbeitstemperaturen über 125°C. Wegen dem hohen Schmelzpunkt von 365°C lässt sich AuGe als erstes Lot in solchen Applikationsreihen verwenden, wo in einigen aufeinanderfolgenden Schritten stets ein Material mit noch niedrigerem Schmelzpunkt eingesetzt wird. Aufgrund der hohen Schmelztemperatur von AuGe kann als Flussmittel nicht das populäre Kolophoniumharz eingesetzt werden. Fluxer auf dieser Basis beginnen ab etwa 350°C zu verkohlen. Das hat zur Folge, dass AuGe im allgemeinen in einer Reduktionsatmosphäre (5 bis 15% Wasserstoff, Rest besteht aus Stickstoff) gelötet wird. Deshalb lässt sich diese Legierung, genauso wie Gold-Zinn, in Anwendungen verwenden, in denen kein Flussmittel erlaubt ist.
Zinn-Zink (SnZn)
Die eutektische Legierung Sn91Zn9 weist einen Schmelzpunkt von 199°C auf. Dieser liegt damit äußerst nahe an den Schmelztemperaturen der traditionellen Legierungen aus Zinn-Blei (Gold) mit 179 bis 191°C. Trotz der gewünscht niedrigen Schmelztemperatur hat dieses Material wegen der schlechten Erfahrungen mit SnZn-Pastenformulierungen keine große Verbreitung in der Oberflächenmontage gefunden. Das liegt daran, dass Zink ein sehr aktives, verbindungsfreudiges Metall ist, das sogar bei Raumtemperatur mit den meisten Bestandteilen in Lotpasten/Fluxer-Formulierungen reagiert. Jedoch weisen andere „massive“ Materialformen wie Lotdraht oder Preforms usw. nicht diese kurze Lagerungszeit auf, die auf das Flussmittel zurückzuführen ist. Zink hat ein zu Aluminium sehr ähnliches elektrochemisches Potenzial. Man kann also mit SnZn direkt auf Aluminium löten – wobei später auftretende Korrosionsprobleme wie bei anderen Loten nicht zu befürchten sind.
Zinn-Silber (SnAg)
Die Zinn-Silber-Legierung wird hauptsächlich in zwei sehr ähnlichen Kompositionen eingesetzt: als Sn96,5Ag3,5 (eutektische Eigenschaft bei 221°C) und als Sn96Ag4. Zinn-Silber wurde als eine der ersten Legierungen für den Ersatz von bleihaltigen Loten (SnPb, Ag) ins Auge gefasst. Jedoch haben der deutlich höhere Liquidus von 221°C sowie Probleme mit der reduzierten Benetzungsfähigkeit dazu geführt, dieses Material nicht mehr als Bleifrei-Ersatz zu favorisieren. Dennoch ist Zinn-Silber heute in vielen Anwendungen zu finden. Wegen der relativ hohen Schmelztemperatur von 221°C wird von einigen Anwendern SnAg als das erste Lot in Baugruppen verwendet, die anschließend bei niedrigerer Temperatur mit SnPb (Ag) Material oder auch bleifreien Legierungen gelötet werden. Dies sind Pasten-Formulierungen wie beispielsweise BiSn(Ag) mit einem Liquidus zwischen 138 bis 140°C oder In52Sn48 mit 118°C.
SnAg wird in vielen Applikationen im Medizin- und Lebensmittelbereich eingesetzt, denn es enthält keine toxischen Metalle wie Blei, Kadmium oder Quecksilber. Zudem stellt es ausgezeichnete Verbindungen zu rostfreiem Stahl und Nitinol (NiTi) her. Die Legierung ist außerdem kompatibel mit Keramik-Dickschicht-Hybriden, in denen Silberpasten verwendet wird.
Zinn-Antimonium (SnSb)
Die Legierung Sn95Sb5, Schmelztemperatur im Bereich von 235 bis 240°C, kann ebenfalls in stufenweisen Lötprozessen eingesetzt werden – ähnlich wie SnAg. Sie bietet höhere Festigkeit als Zinn-Silber und lässt sich statt Reinzinn (232°C) in jenen Fällen verwenden, in denen bessere mechanische Eigenschaften verlangt sind. Im Vergleich zu Reinzinn ist auch die Neigung zur Whisker-Bildung weniger ausgeprägt. Neben den Anwendungen in der Elektronik wird SnSb auch in Haushaltsapplikationen bzw. ähnlichen Bereichen eingesetzt, beispielsweise zur Verbindung der Kupferröhrchen in Kühlschränken oder für Lötaufgaben in Trinkwassersystemen.
Zinn (Sn)
Reinzinn (232°C) konnte sich als Lot kaum durchsetzen, denn es hat eine ausgeprägte Neigung zur Whiskerbildung und bei Temperaturen um 13°C tritt die sogenannte Zinnpest auf. Unter bestimmten Bedingungen bildet das Metall dünne, haarähnliche Auswüchse, die man allgemein als Whisker bezeichnet. In dichtgepackten Schaltungen, bei denen die Bauteilanschlüsse sehr eng beieinanderliegen, können Zinn-Whisker fatale Kurzschlüsse verursachen. Außerdem ist Zinn bei Temperaturen um 13°C einem Phasen-Übergang (Zinnpest) unterworfen, dabei zerfällt das silberfarbene, glänzenden Metall zu einem grauen Pulver. Hauptsächlich wegen dieser beiden gravierenden Nachteile hat Zinn als Lot in Elektronikapplikationen nur wenig Anklang gefunden.
Produkte aus Lot
Bleifreies Lot lässt sich in einer großen Vielfalt von Ausführungen und Formen herstellen, um praktisch alle Anforderungen der Anwender zu erfüllen. Lotdraht lässt sich ziehen oder extrudieren in Durchmessern von 0,025 bis 6,35 mm. Zudem kann Lotdraht so hergestellt werden, dass sich damit alle Anforderungen im Die-Bonding erfüllen lassen. Mit der Verwendung von massivem Lotdraht (ohne Flussmittel-Seele) und separatem Fluxer lässt sich genau die benötigte Menge von Fluxer auf einer definierten Fläche kontrolliert aufbringen. Damit können Reparaturarbeiten, bei denen zuviel Flussmittel-Rückstände unerwünscht sind, optimal durchgeführt werden.
Bänder aus Lot werden in die passende Dicke und Breite gewalzt. Dabei können Abmessungen in der Breite von 0,5 bis 76 mm realisiert werden sowie Durchmesser von 0,025 mm bis zu jenen Maßen, die in einer speziellen Applikation nötig sind. Diese Bänder aus Lot eignen sich insbesondere für hochzuverlässige Anwendungen im Leistungsbereich, beispielsweise Mikrowellenbauelemente. Für Aufgaben im Die-Bonding lassen sich Bänder aus Lot gezielt so fertigen, dass sie mit allen Prozessen optimal kompatibel sind. Dies umfasst auch eutektische Lotlegierungen wie AuSn und AuGe, die sinnvolle Lösungen für hochtemperaturfeste Bleifrei-Produkte darstellen. Lotkügelchen (Solder Spheres) sind exakt runde, glänzende Metallbällchen mit Durchmessern von 0,1 bis 2,41 mm. Sie lassen sich aus SAC-Legierungen und jenen Pasten-Formulierungen für höhere Temperaturen wie dem eutektischen AuSn-Lot herstellen. Lotkügelchen eigenen sich für eine große Anwendungsbandbreite vom Ball-Attach bis hin zum Reballing von BGAs bei Reparaturen.
Vorgefertigte Teile aus Lot (Solder Preforms) werden aus Lötzinn-Bändern in den benötigten Abmessungen herausgestanzt (Bild 1). Preform-Teile lassen sich in Standardformen wie Rechtecke, Quadrate, Rahmen, Unterlegscheiben sowie Scheiben in allen Variationen herstellen. Sie eignen sich insbesondere für Anwendungen, bei denen eine exakte Menge von Lot an eine bestimmte Stelle aufzubringen ist. Typischerweise bewegen sich die Abmessungen zwischen 0,254 mm und 50,8 mm, wobei alle Varianten in großen oder kleinen sowie kundenspezifischen Ausführungen verfügbar sind. Bei Bedarf ist auch ein Fluxer-Auftrag möglich. Für die automatisierte Bestückung der Preform-Teile sind diese sowohl in den üblichen Rollen für Bauteilfeeder als auch als loses Schüttgut erhältlich. Zudem sind diese vorgefertigten Teile aus Lot auch eine optimale Lösung für Handlötaufgaben in Serienfertigungen, bei denen stets äußerst exakte Lotvolumen aufgetragen werden müssen.
Künftige Anwendungen
Der Einsatz von vorgefertigten Teilen aus Lot kann eine Lösung sein, wenn es darum geht, bei bedrahteten Bauteilen die Lötanschlüsse zu verstärken. Auch lässt sich damit der Bedarf für teuere, abgestufte Druckschablonen (Step Stencils) bei Anwendungen der Pin-in-Paste-Technik (PiP) vermeiden [1]. Für die Bestückung von Preform-Teilen für den Einsatz mit konventionellen Steckverbindern auf gemischt bestückten Baugruppen lassen sich die vorhandenen Fertigungsautomaten sowie die bisherige Prozesserfahrung einbringen.
Hier der Prozess im Überblick:
Schritt 1 – Lotpaste wird auf die Leiterplattenseite gedruckt, auf die der Steckverbinder zu bestücken ist. Das Pastenvolumen kann etwas größer ausfallen (Overprint), um einen Dochteffekt herzustellen, der für das flüssige Lot einen Pfad zum Preform-Teil bereitstellt. Beispielsweise kann das aus Lot vorgefertigte Teil in solche Overprints bestückt werden, während der Aufschmelzphase wird so der Lot-Verlauf zum Bauteilpin sicher gestellt. Die mit der aufgebrachten Paste verfügbare Fluxer-Aktivität reicht dafür dann auch aus.
Schritt 2 – Die Preform-Teile lassen sich mit automatischen Bestückmaschinen in der vorher aufgedruckten Lotpaste platzieren. Beispielsweise können sie die Form von kleinen Beilagscheiben oder von Segmenten der Baugröße 0603 aufweisen (Bild 2). Für hochvolumige Fertigungen mit hohem Durchsatz können die 0603-Ausführungen entweder aus üblichen Komponentenrollen (Reels) oder aus lose angelieferten Verpackungseinheiten (Schüttgut) bestückt werden.
Für einige Baugruppen kommen auch Variationen des Preform-Prozesses in Frage. Dabei sind folgende drei Abänderungen wesentlich:
Zu einem Array verbundene Preform-Teile – Um die Zahl der Bestückungsschritte zu minimieren, lassen sich speziell in halbautomatischen Fertigungen Preform-Arrays verwenden. Die Struktur aus Lot, welche das Preform-Teil in der korrekten Position hält, schmilzt während der Liquidus-Phase und verläuft zu den Lötstellen der Bauteilpins. Beispiele dieser verbundenen Preform-Arrays sind in Bild 4 zu sehen.
Einsatz von Preform-Teilen ohne Lotpaste – Im Grunde braucht man die klebrige Eigenschaft von Pasten in erste Linie nur, damit die vorgefertigten Teile in der korrekten Position fixiert werden. Man kann statt dessen aber auch mit Fluxer benetzte Preform-Teile direkt auf die benötigten Stellen bestücken – ohne vorhergehenden Druckprozess.
Steckverbinder mit montierten Preform-Teilen – Einige Hersteller von Steckverbindern bieten Komponenten, an die bereits in der Produktion solche Preform-Teilen montiert wurden. Diese Preform-Teile lassen sich per Crimpen an den einzelnen Pins befestigen.
Weitere Untersuchungen
In der Industrie herrscht die allgemeine Anschauung vor, dass bleifreie Lotlegierungen nicht solch gute Benetzungseigenschaften wie das herkömmliche Zinn-Blei-Gemisch aufweisen. Die Studien, die zu diesen Ergebnissen gelangten, wurden praktisch ausschließlich mit den üblichen SMT-Lotpasten ausgeführt. In solchen Untersuchungen wird immer wieder dargestellt, dass die flüssigen Bleifrei-Legierungen zwar zu den Bauteilanschlüssen hin verlaufen, doch weite Bereiche der Pads nicht bedecken. Dieser Effekt tritt im Gegensatz zu SnPb-Pasten auf, bei denen die komplette Benetzung und Bedeckung der Pads komplikationslos erfolgt. Man konnte bisher keine Probleme in der mechanischen Festigkeit oder Zuverlässigkeit mit dieser reduzierten Bedeckung der Pads feststellen, die bei allen Bleifrei-Pasten beobachtet wurden. Auch sollte festgestellt werden, ob unter diesen Bedingungen mit optimal angepassten bleifreien Preform-Teilen nicht ein besserer Lot-Verlauf, ja vielleicht sogar eine vollständige Bedeckung der Pads erreicht würde: Indem man ein dickeres Preform-Teil mit Abmessungen vergleichbar zum Leiterplatten-Pad verwendet, das mit dem nötigen Fluxer zur Aktivierung versehen ist.
EPP 416

Literatur:
[1] R. C. Lasky und T.J. Jensen: Practical Tips in Implementing the „Pin in Paste“ Process. SMTAI, September 2002, Chicago/USA
[2] R.B. Berntson, R.C. Lasky und K.D. Pflucke: Solder Preform and Mixed Technology Assembly. Apex, Februar 2004, Anaheim/USA
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