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Renaissance der Hybridsiebe

Einsatz von Dickschicht-Hybriden für besondere Anforderungen
Renaissance der Hybridsiebe

Seit Jahrzehnten finden Dickschicht-Hybride ihren Einsatz in der Elektronikindustrie. In letzter Zeit sind sie fast durch die Standard-Leiterplatte verdrängt worden. Sie sind jedoch für besondere Anforderungen in einigen Nischenbereichen nicht zu schlagen. Dazu zählen beispielsweise Anwendungen in der Automobilelektronik, bei denen die Schaltungen Temperaturen von – 50 bis + 150 °C ausgesetzt sind.

Klaus Kieninger, FHS München für Koenen

Durch die SMT-Leiterplattentechnik und den verstärkten Einsatz von ASICs beziehungsweise FPGAs sind große Bereiche der traditionellen Anwendungsgebiete für die konventionelle Dickschicht-Hybridtechnik weggefallen. Einige Unternehmen haben deshalb ihre Fertigungskapazitäten im Bereich der Hybridtechnik eingeschränkt oder die Fertigung ganz eingestellt. Die Anwendungsnische für Dickschichtschaltungen scheint deshalb immer kleiner zu werden. Waren vor Jahren noch Anwendungen im Bereich Telekommunikation, Datentechnik, industrielle Anwendungen und Consumer-Applikationen wichtige Stützpfeiler der Hybridtechnik, so treten heute Produktnischen mit speziellen Eigenschaften in den Vordergrund. Gerade die Automobilbranche nimmt dabei eine wichtige Stellung ein. Für bestimmte Baugruppen in der Kfz-Elektrik stellen sich Forderungen, wie beispielsweise der Einsatz bis + 150 °C in der Nähe von Hochleistungsmotoren, die Integration sehr niederohmiger Leistungshalbleiter wie Leistungs-MOSFETs, erhöhte mechanische Stabilität gegen Erschütterung und Schock, Temperaturwechselbeanspruchung in einem Bereich von -50 bis +150 °C, Beständigkeit gegen chemische und klimatische Beanspruchung, EMV-Probleme und nicht zuletzt die Forderungen nach Miniaturisierung, einem günstigen Preis und guter Umweltverträglichkeit. Natürlich müssen die Dickschichttechnik immer weiter entwickelt und die eingesetzten Materialien, die Prozesse und die Fertigung den veränderten Anforderungen angepasst werden, doch hat sich in all den Jahren gezeigt, dass gerade die Hybridtechniken besonders gut mit der Entwicklung standhalten können. Im folgenden wird gezeigt, wie sich viele Probleme mit Hilfe der Dickschicht-Hybridtechnik lösen lassen.
Leistung und Temperatur
Es ist ein Grundprinzip, dass dort, wo elektrischer Strom fließt, Wärme erzeugt wird. Teilweise mag dieser Effekt gewollt sein, bei einer Herdplatte etwa soll der Strom diese erwärmen. Meist ist dieser Effekt nicht erwünscht und die entstehende Wärme wird von der elektronischen Baugruppe als Verlustwärme an die Umgebung abgegeben. Durch die fortschreitende Miniaturisierung der elektronischen Bauteile, hier sollen vor allem die Halbleiterbauteile angesprochen werden, konzentriert sich die entstehende Wärme auf eine immer kleiner werdende Fläche, was zu einem erheblichen Temperaturanstieg an dieser kleinen Fläche führen kann. Ein Zahlenbeispiel soll dies verdeutlichen: Eine Kochplatte nimmt in der höchsten Heizstufe etwa 2000 W elektrische Leistung auf und setzt diese in Wärme um. Ohne entsprechendes Kochgut würde die Kochplatte mit der Zeit so heiß werden, dass sie zu glühen beginnt. Betrachtet man nun die Leistung pro Flächeneinheit, also die Verlustleistungsdichte, so ergibt sich für eine Kochplatte mit 190 mm Durchmesser ein Wert von ungefähr 70 mW/mm²; ein Wert, der bei unzureichender Wärmeableitung ausreicht, die Kochplatte auf mehrere hundert Grad zu erhitzen. Stellen wir nun den Vergleich zu einem Leistungs-MOSFET an. Aus dem Datenblatt ist zu entnehmen, dass der Transistor unter Berücksichtigung der maximalen Sperrschichttemperatur von 175 °C, mit einem Strom von 10 A belastet werden kann. Dabei fällt an seinem inneren Ohmschen Widerstand von 0,2 V eine Leistung von 20 W ab. Diese Leistung konzentriert sich auf eine Fläche von ca. 1,4 x 2,0 mm², also auf 2,8 mm². Dies bedeutet eine Verlustleistungsdichte von ungefähr 71 W/mm². Der Vergleich zeigt, dass am Leistungshalbleiter die 1000-fache Verlustleistungsdichte auftreten kann. Da der Halbleiter aber maximal eine Temperatur von 175 °C erreichen darf, da er sonst zerstört wird, muss für eine sehr gute Wärmeableitung gesorgt werden. Dies kann durch den Einsatz der Dickschicht-Hybridtechnik erreicht werden, da dabei Keramik als Baugruppenträgermaterial verwendet wird. Keramik zeichnet sich unter anderem durch eine sehr gute Wärmeleitfähigkeit aus. Wird der Halbleiter ohne Gehäuse, also direkt auf die Keramik montiert und stellt die mechanische Verbindung von Halbleiter und Keramik nur einen sehr kleinen thermischen Widerstand dar, so ist gewährleistet, dass die entstehende Wärme aus dem Halbleiter abgeleitet und über die Keramik zum Beispiel an einen Kühlkörper weitergeleitet wird, der die Wärme an die Umgebung abgeben kann.
TemperaturwechselBeanspruchung
Elektronische Baugruppen müssen bei den unterschiedlichsten Temperaturen betrieben werden können und dabei in der Lage sein, auch schnelle Temperaturwechsel ohne Schaden zu überstehen. Die Beanspruchung, die die Baugruppe dabei erfährt, resultiert aus unterschiedlichen thermischen Ausdehnungen unterschiedlicher Materialien. In der Automobilindustrie wird häufig ein Temperaturbereich von – 50 bis +150 °C gefordert. Der untere Wert ergibt sich aus der möglichen Umgebungstemperatur im Winter, der obere Wert ist durch die Erwärmung der Bauteile während des Betriebs gegeben. Ist ein Halbleiterbauteil auf Grund der geforderten guten Wärmeableitung ohne Gehäuse direkt auf den Schaltungsträger montiert, so tritt zwischen dem Silizium des Halbleiterbauteiles und dem Schaltungsträger (Substrat) eine mechanische Spannung auf. Diese ist um so größer, je unterschiedlicher die thermischen Ausdehnungskoeffizienten der beiden Materialien sind. Durch den Einsatz von keramischen Substratmaterialien kann eine sehr gute Anpassung des Ausdehnungskoeffizienten des Schaltungsträgers gegenüber dem Silizium erreicht werden. Keramik als Substrat ist in der Dickschicht-Hybridtechnik Standard, und bei Verwendung von AlN (Aluminiumnitrit) anstatt Al2O3 (Aluminiumoxid) erzielt man ein thermisch sehr gut angepasstes System. Obwohl am Markt nicht die gleiche Vielfalt an Dickschichtpasten für AlN-Substrate verfügbar sind, bieten sich genügend Möglichkeiten, um mit Hilfe der Dickschicht-Hybridtechnik Baugruppen fertigen zu können, die den Temperaturwechsel-Beanspruchungen der Automobilbranche Rechnung tragen können.
Miniaturisierung
Es ist schon fast eine Grundforderung, dass heute elektronische Baugruppen klein sein müssen. Ein hohes Maß an Miniaturisierung kann durch die Integration einer Vielzahl von Schaltungsfunktionen in Halbleiterbauteile (ASICs) erreicht werden. Kleine und kleinste Bauformen bei passiven Bauteilen (Widerstände und Kondensatoren in der Bauform 0402 bzw. 0201) tragen ebenso zur Miniaturisierung der Baugruppe bei, wie feinste Leiterbahnen und Mehrlagentechnik bei der Verdrahtung der Bauteile. Im Hinblick auf Leiterbahnbreite, Abstand zwischen Leiterbahnen und Anzahl der Verdrahtungsebenen steht die Dickschicht-Hybridtechnik den Leiterbahntechniken in nichts nach. Mit entsprechend ausgereiften Methoden bei der Siebstrukturierung lassen sich Linienbreiten und Abstände von weniger als 100 µm erreichen. Obwohl jede weitere Verdrahtungsebene in der Dickschichttechnik mehrere Druckprozesse mit Isolationspasten erfordert und unter Umständen die Vias in den Isolationsschichten zusätzlich mit Leiterbahnpaste gefüllt werden müssen, lassen sich Baugruppen in Dickschichttechnik mit vier, sechs oder mehr Verdrahtungsebenen gut und mit hoher Ausbeute realisieren. Weiter tragen neue Gehäuseformen bei den aktiven Bauteilen (Halbleitern) dem Wunsch nach Miniaturisierung Rechnung. Die Landefläche der sogenannten Chip-Scale-Packages benötigt nur unwesentlich mehr Platz als der Halbleiterkristall ohne Gehäuse innerhalb der Baugruppe einnehmen würde. Das Kontaktieren dieser Gehäuse erfolgt gemeinsam mit allen andern Bauteilen durch Reflow-Löten. Dabei müssen sehr kleine Lötstellen (Durchmesser 200 µm) hergestellt werden. Einen weiteren Schritt zu noch kleineren Abmessungen bei Baugruppen eröffnet die sogenannte Flip-Chip-Technik. Dabei werden sehr kleine Bumps (Metallhöcker 100 µm) direkt auf dem Halbleiterbauteil aufgebracht. Das Bauteil wird anschließend mit Hilfe der Löt-, Bond- oder Klebetechnik mit dem Schaltungsträger verbunden. Auch in diesem Fall bietet die Hybridtechnik Lösungsmöglichkeiten. Siebdrucktechnisch lassen sich sowohl die Leiterbahnstrukturen in der geforderten Feinheit herstellen, wie sich auch Kleber sehr gut auftragen und dosieren lassen.
Umweltverträglichkeit
Die Forderung nach Umweltverträglichkeit sowohl bei der Herstellung als auch bei der Entsorgung von elektronischen Baugruppen gewinnt immer größere Bedeutung. In einigen Jahren soll auf Blei bei der Fertigung elektronischer Baugruppen gänzlich verzichtet werden. Dies hat besondere Auswirkungen auf den Lötprozess. Heute ist die Verwendung von Zinn-Blei-Loten in der Elektrotechnik üblich. Diese Lote weisen Schmelztemperaturen von etwa 180 °C auf. Dadurch liegen die maximalen Temperaturen, denen eine Baugruppe während des Lötprozesses ausgesetzt sind, in der Regel unter 230 °C. Diese Temperaturen erhöhen sich allerdings erheblich, wird auf das Legierungsmetall Blei verzichtet. Bleifreie Lote mit hohem Zinnanteil, beispielsweise 96,5 % Sn 3,5 % Cu, erfordern Prozesstemperaturen die bis zu 50 °C höher liegen als bisher. Bei einer Leiterplatte auf FR4-Basis kann diese Temperaturbelastung schon zu nicht zulässigen Beschädigungen führen. Auch hier zeigt Keramik als Trägermaterial seine Vorteile. Zum Einbrennen der Dickschichtpasten wird das Keramiksubstrat auf Temperaturen von 850 °C (oder mehr) aufgeheizt. Somit stellen Löttemperaturen im Bereich von 270 bis 280 °C kein Problem dar. Bleifreies Löten ist aber nur ein Umweltaspekt, weitreichender wirkt sich aus, dass die Dickschicht-Hybridtechnologie eine Additivtechnologie darstellt. Bei dieser Technik wird ausschließlich dort Material auf den Schaltungsträger aufgebracht, wo dieses funktional notwendig ist. Pasten für Leiterbahnen, Isolationsschichten und Widerstände werden Lage für Lage mit Hilfe des Siebdrucks aufgebracht und gesintert. Im Gegensatz dazu verwendet man in der Leiterplattentechnik ganzflächige Metallflächen auf Kunststoffträger, die ätztechnisch strukturiert und galvanisch veredelt werden. Dabei fallen große Mengen an chemischen Abfällen an. Um diese Abfälle umweltverträglich zu entsorgen oder einer Wiederverwertung zuzuführen, sind einige Anstrengungen notwendig und es fallen zusätzliche Kosten an. Bei der Additivtechnik des Siebdrucks der Strukturen fallen als Abfall nur die Lösungsmittel an, die zum Reinigen der Drucksiebe nötig sind. Auch in dieser Richtung werden Anstrengungen unternommen, noch umweltverträglicher zu werden. Die heute üblichen chemischen Lösungsmittel (wie etwa Alkohol) sollen in Zukunft durch Wasser ersetzt werden. Wasserlösliche Dickschichtpasten sind in der Entwicklung und Erprobung. Gelingt diese Entwicklung, so können Drucksiebe zukünftig mit Wasser gereinigt werden, und die sich dann im Wasser befindenden Pastenreste lassen sich beispielsweise physikalisch rückgewinnen.
Zusammenfassung
Nach wie vor bietet die Dickschicht-Hybridtechnik eine Vielzahl von Vorteilen, die es ermöglichen, den gestiegenen Anforderungen bei speziellen elektronischen Baugruppen gerecht zu werden. Die guten Eigenschaften des keramischen Trägermaterials erfüllen die hohen Ansprüche hinsichtlich thermischem und mechanischem Verhalten. Mit Hilfe der Siebdrucktechnik können auch feinste Strukturen kostengünstig hergestellt werden. Sowohl bei der Herstellung als auch im Bereich der Entsorgung erweist sich die Additivtechnik als umweltverträglich.
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