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Temperaturresistente Schutzlacke

Beschichtungsstoffe für elektronische Baugruppen mit äußeren Belastungen (Teil 2)
Temperaturresistente Schutzlacke

Insbesondere im Bereich Automotive hat das Thema Stressfaktoren und resultierende Ausfälle an Wichtigkeit zugenommen, nicht zuletzt da immer mehr elektronische Baugruppen im Automobil verbaut werden. Diese Baugruppen wandern zudem immer näher an die Aggregate und werden so immer unfreundlicheren Umweltbedingungen ausgesetzt.

Dr. Manfred Suppa, Lackwerke Peters, Kempen

Die Hydrolyse ist eine chemische Reaktion und beschreibt die Aufspaltung einer chemischen Verbindung durch Wasser. Durch die Hydrolyse werden viele Biomoleküle, aber auch Polymere gespalten und in ihre Bausteine zerlegt, es ist ein Degradationsprozess. Dieser Degradationsprozess ist ein zeitlich sehr langsam ablaufender Prozess, der insbesondere so genannte Polyester, Polyurethane Polyamide – um nur einige wichtige Polymere zu nennen – betrifft. Aus chemischer Sicht kann die Hydrolyse unter neutralen, sauren oder basischen Randbedingungen ablaufen. Hierbei sind die chemischen Prozesse bei der neutralen und sauren Hydrolyse gleichlaufend. Verschiedenste Faktoren haben einen Einfluss auf die Hydrolyse und/oder die Geschwindigkeit. Dies sind neben den Grundeigenschaften des Polymers wie ionisierbare funktionelle Gruppen, Vernetzungsgrad, sterische Effekte, Filmmorphologie und nicht zuletzt die Wasseraufnahme auch externe Größen wie Luftfeuchte, Temperatur als auch Ablagerungen möglicher Luftschadstoffe und nicht zuletzt Kontaminationen und Restprodukte aus den vorhergehenden Prozessen der Baugruppenfertigung.
Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass durch Säuren ein beschleunigter hydrolytischer Abbau stattfinden kann [1]. Unter diesem Aspekt sei insbesondere auf mögliche Einflüsse von Aktivatoren aus Flussmitteln für den Lötprozess verwiesen. Diese werden bei der Beschichtung von elektrischen Baugruppen teilweise mit in den Beschichtungsfilm eingelagert und stellen hier eine potenzielle Filmschwächung im Sinne der Hydrolysebeständigkeit dar.
Typische Auswirkungen eines hydrolytischen Polymerabbaus sind neben Verfärbungen der Schutzbeschichtung insbesondere die Erweichung des Filmes, Klebrigkeit, bis hin zur völligen Auflösung, Enthaftungen, Blasen- oder Runzelbildung.
Die hydrolytische Stabilität im Sinne der IPC-CC-830 wird nach IPC-TM-650, Test Method 2.6.11.1 [2] bestimmt. Durch eine Auslagerung von 120 Tagen bei 85 °C und 95 ±4 % RF wird die mögliche Degradation der Polymerbeschichtung bestimmt. Zu beachten ist, dass dieser Hydrolysetest entsprechend dem Arrhenius-Ansatz ein so genannter zeitraffender Test ist. Die Zeitraffung dient vor allem dem Materialvergleich und lässt normalerweise keine direkte Extrapolation auf ein Langzeitverhalten unter entsprechend schwächerer Belastung zu [3].
Die von Lackwerke Peters für Schutzlacke eingesetzten modifizierten Urethan- und Acrylharze sind aufgrund ihrer Modifizierung mit Urethanen bzw. Acrylaten und der zusätzlich stattgefundenen oxidativen Vernetzung gegen einen Polymerabbau im Sinne von Plastifizierung und Erweichung, Blasen- oder Runzelbildung weitgehend stabil. Zu beobachten ist eine mit zunehmender Belastungsdauer von über 84 Tagen sich verstärkende Verfärbung. Diese zu beobachtenden Verfärbungen lassen sich auf die beim Hydrolysetest unvermeidlichen parallel ablaufenden Oxidationsprozesse durch den Sauerstoffgehalt der Luft erklären [4].
Um eine Wertung dieser Verfärbung (Bild 2) vornehmen zu können, wurden die Prüflinge nach einer Hydrolysebelastung von 128 Tagen dem zuvor beschriebenen 85/85-Test unterzogen. Auch nach dieser Belastungsdauer wurden die elektrischen Isolationswerte auf zum Teil hohem Niveau gehalten. Unter den IPC-Konditionen 65 °C/90 % RF wird auch von den verfärbten Prüflingen die 500-MOhm-Grenze noch eingehalten.
Die bei der Hydrolysebelastung zu beobachtende farbliche Veränderung des Polymer ist als irreversible Schädigung zu sehen, d. h. diese Verfärbung ist durch Regeneration nach dem Test nicht wieder rückgängig zu machen. Die bei den modifizierten Harzen als auch abgeschwächter bei der feuchtevernetzten Polyurethanbeschichtung zu beobachtende Braunverfärbung ist möglicherweise ein optischer Mangel, hat jedoch keinen Einfluss auf die elektrische Isolationsfähigkeit unter Feuchtebelastung. Nach der zyklischen Feuchtebelastung (Bild 1) werden die elektrischen Isolationswerte des Ausgangszustandes wieder erreicht, d. h. die Regenerationsfähigkeit der Schutzbeschichtung ist auch weiterhin gegeben.
Elektrische Isolation nach thermischer Stressbelastung
Bei einer thermischen Stressbelastung laufen in Polymeren mehr oder weniger stark ausgeprägte irreversible Strukturänderungen ab. Diese Strukturveränderungen führen zu mechanischen und/oder elektrischen Eigenschaftsänderungen. Der thermische Alterungsprozess läuft bei Polymeren sehr unterschiedlich ab und die Alterungsmechanismen variieren mit den Betriebs- oder Belastungsbedingungen. Thermische Beständigkeitsprüfungen zur Bestimmung der Eigenschaftsveränderung werden beispielsweise entsprechend DIN EN 60216 durchgeführt [3].
Typische Alterungsmechanismen – wie sie die DIN EN 60216 auflistet – sind beispielsweise:
  • Verlust flüchtiger Bestandteile
  • Oxidationen
  • Weiterführung der molekularen Polymerisation, welche häufig zunächst zur Erhöhung der elektrischen und mechanischen Festigkeit führt, aber später in die Versprödung mündet
  • Hydrolyse des Polymers durch vorhandene Feuchte
  • chemische Abspaltung von niedermolekularen Bestandteilen, die durch den Alterungsprozess gebildet wurden.
Bei der Prüfung der Temperaturbeständigkeit müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, welche die Untersuchungsergebnisse erheblich beeinflussen können. Es ist von hoher Bedeutung, ob ein Polymer oder Lacksystem feuchter oder trockener Wärme ausgesetzt wird. In der Regel ist die Beständigkeit gegen feuchte Wärme erheblich geringer als bei trockener Wärme, da bei feuchter Wärme neben den rein thermischen Abbauprozessen noch hydrolytische Abbauprozesse ablaufen.
Wird ein Lacksystem längere Zeit erhöhter Temperatur ausgesetzt, so tritt meist Versprödung, Vergilbung, Glanzverlust, Änderung der elektrischen Eigenschaften, möglicherweise auch der Haftfestigkeit auf. Insbesondere die Änderung der elektrischen Eigenschaften steht hier im Vordergrund der Betrachtungen.
Bei den allgemein durchgeführten Temperaturdauerlagerungen finden durchaus auch feuchtigkeitsbedingte Abbauprozesse statt. Zu beachten ist, dass auch bei 150 °C in einem Abluftofen zwar die relative Feuchte drastisch gesunken ist, aber die außen herrschende Feuchtigkeitsmenge der Luft – dies sind 12 g/m³ bei 50 % RF und 23 °C – erhalten bleibt. Die tatsächliche Menge Feuchtigkeit pro m³ bleibt gleich, es ändert sich nur die relative Menge zur maximalen Sättigung.
Eine zentrale Frage ist, wie die elektronische Baugruppe nach einer solchen Dauerbelastung aussehen sollte/muss und was die einzelnen Komponenten noch in der Lage sind zu leisten. Von einem Dielektrikum wird z. B. gefordert [5]: „Die Zuverlässigkeit der Dielektrika setzt voraus, dass keine durch die Umgebungsatmosphäre eingebrachten ionischen Verunreinigungen oder durch Korrosion oder Elektromigration verursachte leitfähige Partikel im Zusammenhang mit Feuchtigkeit Leitfähigkeitspfade bilden können, z. B. zwischen Leiterbahnen, Pads usw. auf einer Leiterbahnebene bzw. zwischen Leitungssystemen verschiedener Leiterbahnebenen.“
Die einer Temperaturdauerbelastung über 2 000 h bei 150 °C ausgesetzten Prüflinge (B 24-Boards mit gelöteten Kämmen und beschichtet mit Schutzlacken) wurden daher auf ihre Isolationswirkung unter Feuchtebelastung hin untersucht. An dieser Stelle sei auf den Arrhenius-Ansatz verwiesen: Eine Temperaturerhöhung von 10 °C halbiert die Lebensdauer oder verdoppelt die Belastung. Derzeit ist auch dieser Temperaturbereich als Maximalbelastung für Leiterplatten aus FR4 bzw. modifiziertem FR4 zu sehen. Als Messgröße wurden die Feuchtigkeitsbeständigkeit und der Isolationswiderstand in Anlehnung an TM 2.6.3.1 der IPC-TM-650 bei 40 °C und 90 % RF als auch bei 85 °C und 85 % RF mit 50 V BIAS bestimmt. Die gefundenen Widerstandswerte liegen mit >500 MOhm alle oberhalb der so genannten IPC-Grenze aus der IPC-CC-830 (Bild 3).
Vergleichbare Untersuchungen sind auch mit fotostrukturierbaren Lötstopplacken (Elpemer, Lackwerke Peters) durchgeführt worden [6]. Die Feuchtigkeitsbeständigkeit und der Isolationswiderstand in Anlehnung an TM 2.6.3.1 der IPC-TM-650 bei verschiedenen Feuchte- und Temperaturkonditionen wurden im Bereich von 40°C und 90 % RF bis 85 °C und 85 % RF mit 50 V BIAS bestimmt (Bild 2). Die gefundenen Widerstandswerte liegen mit >500 MOhm alle oberhalb der so genannten IPC-Grenze aus der IPC-SM-840. Selbst die bei 85 °C/85 % RF belasteten Testboards liegen trotz der verschärften Feuchte-Temperatur-Belastung oberhalb der Untergrenze von 100 MOhm. Ein signifikanter Einfluss der verschiedenen Endoberflächen konnte nicht festgestellt werden. Eine Vorschädigung des Lötstopplackes und/oder des Haftverbundes zwischen Lötstopplack und Kupferleiter ist somit nicht zu beobachten.
Die hier untersuchten fotostrukturierbaren Elpemer-Lötstopplacke bilden ein sicheres und belastungsfähiges Substrat für die nachfolgende Schutzlackierung mit Elpeguard-Schutzlacken.
Zusammenfassung
Die Aussagen zur Temperaturdauerbeständigkeit von Schutz- und Isolierlacken als auch von Lötstopplacken nehmen an Bedeutung zu. Zum einen erhöhen sich die Umgebungstemperaturen, unter denen elektronische Baugruppen betrieben werden, und zum anderen nimmt der Anteil der Temperaturbelastung durch die Eigenerwärmung über die zunehmende Packungsdichte deutlich zu. Nicht hiervon zu trennen ist der Einfluss der Feuchtebelastung auf die Beschichtungsstoffe.
Schutzlacke auf Basis organischer Polymere gewähren auch bei hohen Temperatur-Feuchte-Belastungen eine sehr gute chemische Stabilität und dauerhaften Schutz. Sie zeigen auch nach sehr starker „Hydrolysebelastung“ noch ausgezeichnete elektrische Isolationseigenschaften. Die elektrische Isolationsfähigkeit unter Feuchte der vorbelasteten Schutzlacke als auch deren Regenerationsfähigkeit bleiben erhalten
Eine Aussage über die Temperaturdauerbeständigkeit von Elektroisolierstoffen kann über eine Untersuchung entsprechend der DIN EN 60216 getroffen werden. Schutzlacke auf Basis organischer Polymere lassen sich – je nach Polymerart – bis 150 °C Dauerbelastung bzw. 165 °C Kurzzeitbelastung verwenden. Erst oberhalb dieser Temperaturen sind Silikonlacke unabdingbar.
Die durchgeführten Untersuchungen zur Temperaturdauerbelastung von Lötstoppmasken zeigen, dass unter dieser hohen thermischen Belastung die Funktionssicherheit erhalten bleibt.
EPP 424

Literatur
[1] L. Reich and S.S. Stivala, Elements of Polymer Degradation, McGraw-Hill 1971
[2] IPC TM 650 Test Method 2.6.11.1 Hydrolytic Stability – Conformal Coatings (Supersedes 2.6.11B for Conformal Coating Test), 07/2000
[3] DIN EN 60216, Bestimmung der thermischen Beständigkeit von Elektroisolierstoffen
[4] R.H. Peters and R.H. Still, Some aspects of the degradation behavior of polymers used in textile applications, Applied Fibre Science. Vol. 2. F. Happy, ed. New York: Academic Press 231–427 (1979)
[5] ZVEI-Schriftenreihe Pro Technik – bleifreies Löten: Materialien, Komponenten, Prozesse, Adhoc-Arbeitsgruppe beim ZVEI/VdL (seit September 2002)
[6] M. Suppa, Lackwerke Peters, Zuverlässigkeitsprüfungen und Ausfallmechanismen bei Lötstopplacken , VdL, ZVEI – Panel Diskussion, „Erhöhte Anforderungen an die Zyklenfähigkeit von elektronischen Baugruppen“, SMT 2004
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