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Testreihe Bleifrei

AOI bleifreier Lötstellen – Was ändert sich?
Testreihe Bleifrei

Basierend auf der EU-Richtlinie 2002/95/EG dürfen ab dem 1. Juli 2006 nur noch bleifreie Baugruppen die Fertigungslinien durchlaufen. Diese Umstellung konfrontiert die Elektronikindustrie auch mit der Forderung nach bleifreien Alternativen für ihre wichtigste Verbindungstechnologie, das Löten. Bis dato sind die meisten Lötprozesse auf bleihaltige Lote abgestimmt.

Viscom, Hannover

Welche Auswirkungen das bleifreie Löten auf die automatische optische Inspektion hat, wurde in einem Gemeinschaftsprojekt untersucht. Jede Fertigung, die mit dem Ziel der 100%-Prüfabdeckung bzw. Null-Schlupf arbeitet, kommt an der automatischen optischen Inspektion nicht vorbei. Will man den hohen Anforderungen nach Qualität und Traceability genügen, bietet die AOI heute neben der reinen Fehleranalyse umfangreiche Möglichkeiten zur Prozessoptimierung. Die Bleifrei-Implementierung stellt die Hersteller nun vor neue Herausforderungen und schafft Unsicherheit im Hinblick auf zusätzliche Fertigungsprobleme.
Um Aufschluss darüber zu erhalten, welche Auswirkungen bleifreie Lote auf die AOI haben, hat Viscom in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer ISIT und einer Gruppe von Elektronikfertigern zwei Typen von Baugruppen (wellen- und reflowgelötet) geprüft, und die Ergebnisse anschließend ausgewertet. Die Leiterplatten wurden auf dem Lötstelleninspektionssystem Viscom S6055II (Bild 1) geprüft und über einen Zeitraum von drei Tagen durchgeführt. Insgesamt wurden 54 Baugruppen mit unterschiedlichen bleifreien und bleihaltigen Loten sowie Pad-Oberflächen inspiziert.
Bleifreies Löten – Auswirkungen?
Zinn-Blei-Legierungen befinden sich laut Schätzungen in 90% aller elektronischen Baugruppen, z.B. als Lötmaterial in der Verbindungstechnik oder auch in den Bauteilen selbst. Diese bleihaltigen Legierungen gilt es jetzt durch bleifreie zu ersetzen. Die wesentlichen Veränderungen, die die Umstellung mit sich bringt, sind kleinere Prozessfenster, höhere Prozesstemperaturen und ein verändertes Fließverhalten des Lots.
Zukünftig werden neue Legierungen wie SnCu, SnAg oder SnAgCu eingesetzt werden, welche aufgrund des größeren Zinnanteils einen etwa 40°C bis 50°C höheren Schmelzpunkt als SnPb-Legierungen haben. Aufgrund der steigenden Prozesstemperaturen befürchtet man eine Deformation von Bauteilen und Leiterplatten sowie eine höhere Fehlerrate, insbesondere eine verstärkte Neigung zu Grabsteineffekten und eine verminderte Lötfähigkeit.
Infolgedessen stellt sich unmittelbar die Frage, wie es eigentlich mit den Systemen aussieht, die diese Fertigungsfehler finden sollen. Sind sie in der Lage, auch Fehler an bleifreien Lötstellen sicher zu erkennen? Und welche Voraussetzungen müssen die AOI-Systeme erfüllen, um die erhöhten Anforderungen im Umstellungsprozess und der späteren Bleifreifertigung zu erfüllen?
Ziele des Prüfaufbaus
Der Prüfaufbau sollte Aufschluss über folgende Aspekte geben:
  • Auswirkungen des bleifreien Lötens auf die automatische optische Inspektion und auf die unterschiedlichen Fehlerarten,
  • Auswirkungen auf das Verhältnis von Basismaterial und bleifreiem Lot.
Zum Einsatz kamen beim Prüfaufbau ein Lötstelleninspektionssystem vom Typ S6055II und der Reparaturplatz HARAN 6002 für die Klassifizierung. Für die anschließende statistische Auswertung wurde das Viscom SPC-Package genutzt.
Das Prüfverfahren
Vor der eigentlichen Prüfung der Baugruppen musste zunächst einmal die Prüfprogrammerstellung beider Leiterplatten-Seiten (Reflow-/Wellenseite) erfolgen (Bild 2 und 3). Der vorgesehene Prüfumfang umfasste Anwesenheit, Position, Lötstelle, Polarität und Kurzschluss. Beide Prüfprogramme wurden anschließend an den SnPb-Leiterplatten optimiert. Auf dieser Basis folgte die eigentliche Testreihe mit anschließender Nachklassifikation sowohl für die Reflow- als auch für die Wellenbaugruppen. Die Varianten der Kontaktflächenendschicht waren Nickel-Gold, Chemisch-Zinn und OSP.
Ergebnisse der Testreihe Reflow
Auf der Reflowseite wurde besonderes Augenmerk auf den Grabsteineffekt gelegt. Grabsteinbildung wurde hier durch einen Lotpasten-Längsversatz provoziert, der in der Druckschablone implementiert war. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Bleifrei-Umstellung führt zu weniger Tombstones, die meisten Tombstones wiesen die bleihaltigen Leiterplatten mit im Schnitt 29,7 Fehlern pro Leiterplatte auf. Die wenigsten Tombstone-Fehler hatte eine bleifreie OSP-Leiterplatte mit 9 Fehlern. Dieses gute Ergebnis im Bereich Tombstone war unabhängig von der Kontakt-endschicht, denn trotz der unterschiedlichen Oberflächen der bleifreien Leiterplatten wurden hier im Schnitt immer weniger Tombstones gefunden als auf bleihaltigen. Die landläufige Meinung, die Bleifreiumstellung würde mit einer vermehrten Tombstone-Bildung einhergehen, konnte hier widerlegt werden.
Im Weiteren wurden mit Hilfe der Viscom-AOI die Lötstellen anhand von Messergebnissen bewertet. Dazu wurden interne Verfahren der Grauwertanalyse und ein Lötstellenqualitätsfaktor verwendet. Zusammenfassend erwies sich, dass beim Reflowprozess die Grauwertunterschiede eindeutig vom Lötprozess und der Endschicht der Kontaktflächen abhängig sind. Dies gilt allerdings sowohl für bleihaltige als auch bleifreie Lötstellen. Beim Vergleich der beiden identischen Prozesse SnPb NiAu und SAC NiAu ergab sich eine messbare Grauwertaufhellung (ca. 2%) bei ähnlicher Standardabweichung (Bild 8). Für eine globale Prüfbibliothek ist es nun wichtig, die unterschiedlichen Grauwerteinflüsse herauszumitteln und sie im endgültigen Ergebnis nicht mehr zu betrachten. Dieser Schritt konnte erfolgreich durchgeführt werden, da die unterschiedlichen Konfigurationen zu denselben Lötstellenqualitätswerten für den C1206-R führen.
Ergebnisse der Testreihe Wellenlötung
Die Auswertung der Ergebnisse der Wellenseite erfolgte genauso wie die der Reflowseite. Der einzige Unterschied war die genauere Betrachtung der Fehlerverteilung von Kurzschlüssen. Auch hier konnte wieder festgestellt werden, dass im Wesentlichen bessere Ergebnisse bei bleifreien Leiterplatten erzielt werden konnten. Bleihaltige Leiterplatten wiesen im Schnitt 27 Fehler auf, bleifreie 17. Allerdings war hier eine größere Abhängigkeit von der Endschicht und der Lötatmosphäre erkennbar, denn die an Luft gelötete bleifreie OSP-Leiterplatte wies einen Schnitt von 118 Fehlern auf.
Die Messergebnisse der wellengelöteten Leiterplatten waren mit denen der Reflow-Leiterplatten identisch, bis auf die Tatsache, dass sich eine noch stärkere Grauwertaufhellung von ca. 4% bei ähnlicher Standardabweichung ergab (Bild 9).
Resümee
Vom äußeren Erscheinungsbild zeigen bleifreie Lötstellen ein mit den Zinn-Blei-Lötstellen vergleichbares Aussehen. Nur haben bleifreie Legierungen grundsätzlich eine stark körnige Oberfläche, während bleihaltige eine glatte Oberfläche aufweisen. Dies kann bei der AOI zu einem anderen Reflexionsverhalten führen. Aufgrund der körnigen Oberfläche werden Lichtstrahlen auch bei diffuser Beleuchtung direkt in die Kamera reflektiert. Im Bereich des Meniskus führt dies zu einer höheren Grundhelligkeit als bei bleihaltigen Lötstellen. Für die Lötstelleninspektion mit Hilfe eines AOI-Systems kann dennoch als entscheidendes Ergebnis festhalten werden, dass sich die Prüfung von bleifreien Lötstellen nicht als besonders kritisch darstellt. Die Umstellung auf bleifreie Lote wird generell keine Investition in neue Systeme oder Nachrüstungen erfordern, insofern es sich um ein AOI-System mit einer leistungsstarken, flexiblen Sensorik, Beleuchtung und Software handelt.
Diese Ergebnisse werden auch durch die langjährige Bleifrei-Erfahrung bei Viscom bestätigt. Seit mehr als sieben Jahren übernehmen Viscom AOI-Systeme bereits erfolgreich die Prüfung bleifreier Lötstellen in der Fertigung der Motorinnenraum-Elektronik. Diese wird schon seit längerem bleifrei gefertigt, da die höheren Schmelztemperaturen des bleifreien Lotes hier eine höhere Betriebstemperatur ermöglichen. Mit der Bestätigung durch diesen systematischen Test steht Viscom seinen Kunden bei der Umstellung auf einen bleifreien Lötprozess mit diesem Wissen, den langen praktischen Erfahrungen und einer integrierten Bleifrei-Prüfmusterbibliothek zur Seite.
EPP 454

Das Testboard „bleifrei3.2“ entstand in der Durchführung eines Gemeinschaftsprojekts zur Erarbeitung von Verfahrensparametern zum bleifreien Lötprozess mit folgenden Auftraggebern:
Elektro Beckhoff GmbH, Verl; Elektronik Service Christoph Dichte, Brunsbüttel; EN (Elektronik Network), Hannusch Industrie-Elektronik, Laichingen; Hella KG, Lippstadt; ifm ecomatic gmbh, Kressbronn; Jungheinrich AG, Norderstedt; KID Systeme GmbH, Buxtehude; Kuhnke GmbH, Bad Malente; mair elektronik GmbH, Neufahrn b. Freising; Miele & Cie. GmbH & Co. KG, Gütersloh; Paratus Electronic GmbH, Flintbek; Prettl Elektronik GmbH, Lübeck; SMA Regelsysteme GmbH, Niestetal; Still GmbH, Hamburg; treichel Elektronik GmbH, Springe.
Die Fertigung der Leiterplatten übernahm Fa. Andus Electronic GmbH, Berlin. Die SMD-Bestückung für Reflow und Wellenlötseite, die Reflowlötungen in bleihaltig und bleifrei sowie die Vergleichslötungen bleihaltig/Welle führte Fa. KID Systeme durch. Die bleifreien Wellenlötungen wurden von der Teilnehmerrunde im Hause und mit Unterstützung der Fa. ERSA Löttechnik GmbH in Wertheim durchgeführt. Das Fraunhofer ISIT war als Auftragnehmer mit der Ausführung des Leiterplattenlayouts, der Beschaffung von Leiterplatten und Bauelementen, der Koordination und der Auswertung der Testreihe betraut.
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