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Traceability im Wandel

Mit Industrie 4.0 wird Rückverfolgbarkeit erwachsen
Traceability im Wandel

Traceability im Wandel
Vor über 10 Jahren lief ich als neuer Marketing Mitarbeiter bei Universal Instruments Inc. in Binghampton, USA, an Reihen von Fertigungsmaschinen entlang. Damals waren es noch Entwicklungen wie der 30 Spindel ‚Lightning Head‘, der Hochgeschwindigkeiten von 30.000cph versprach und gar die Fähigkeit hatte, 01005 Bauteile zu erfassen! Es ging um Schnelligkeit, Genauigkeit, Flexibilität und Kostensenkung. Auch die anderen Maschinenanbieter, Softwareprovider und Verbrauchsmaterialhersteller waren bestrebt, möglichst schnelle, genaue, flexible und kostengünstige Lösungen auf den Markt zu bringen, um dem Druck des Kunden zur Kostensenkung gerecht zu werden.

Gleichzeitig befand sich die Fertigungsbranche mitten im Wandel, geprägt durch den Trend weg von der Eigenproduktion (OEM) hin zum Outsourcen an EMS Anbieter und auch ein Exodus von Produktionen, vor allem Großserienfertigungen, von West nach Ost in Low-cost Länder wie China.
Das Thema Rückverfolgbarkeit war damals hauptsächlich eine gesetzliche Voraussetzung für qualitätsempfindliche Fertigungen, so zum Beispiel in der Automobil-, Medizin-, Militär-und Luft/Raumfahrt-Branche. Gerade in diesen Marktsegmenten war die Herstellung von Produkten ohne Einhaltung der Vorschriften (RoHS, WEEE, Congressional Tread Act, etc.) ausgeschlossen.
Sicherlich gab es auch in anderen Fertigungen bestimmte Prozesse, die den Materialfluss innerhalb der Produktion verfolgten und aufzeichneten – oftmals allerdings durch manuell auszufüllende Formulare oder einfache digitale Datenspeicheranwendungen und MES Systeme (Manufacturing Execution System). Im Ansatz wurden diese Maßnahmen eingeführt, um kostspielige Rückrufe besser in den Griff zu bekommen. Also um besser reagieren zu können, nachdem ein Fehler aufgetreten war. De Fakto waren es allerdings im Vergleich zu heutigen MES Systemen relativ primitive und autonome arbeits-, zeit-, und kostenaufwändige Maßnahmen, die als Folge einen hohen Anspruch an Archivplatz und Datenaufwand beanspruchten und keine schnelle Rückverfolgbarkeit ermöglichten.
Mit dem Trend zur Globalisierung, zur Miniaturisierung und der Ausgliederung von Produktionsleistungen an Externe kamen allerdings ganz neue Herausforderungen. Jetzt wurde in ‚fremden‘ Ländern hergestellt mit unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen, mit verschiedenen Arbeitskulturen, mit gewissen Weltrufen, vor allem mit Bezug auf Qualität. Jetzt ging es im weitesten Sinne um Markensicherung durch rechtzeitige Fehlererkennung und dadurch das Vermeiden von kostspieligen Rückrufen. Auch die Absicherung vor Produktfälschung gewann an Bedeutung. Um Qualitätsmängel zu vermeiden, die oft zu peinlichen und kostspieligen Rückrufen führen konnten und auch für manch einen geführt haben, wurde der Rückverfolgbarkeit des gesamten Fertigungsprozesses ein hoher Stellenwert zugeordnet. MES und Prüfsysteme verwandelten sich in kürzester Zeit in fortgeschrittene und intelligente Anwendungen, die jedes Teil und jeden Prozess zur Qualitätssicherung und Fehlervermeidung überprüfen.
Allerdings waren viele noch skeptisch – die Rückverfolgbarkeit wurde als gesondertes Endziel angesehen und mit den verbundenen Investitionen dadurch für bestimmte Fertigungen lediglich eine Funktion, die Kunden/Produkt-spezifisch erforderlich war.
Andere erkannten schnell, dass Zertifizierung (Compliance), Test- und Kontrollmaßnahmen, über die gesetzlichen Vorschriften hinaus, zum Geschäftsvorteil und für viele eine strategische Ausrichtung zur Differenzierung wurde.
Heute ist es gar keine Frage mehr, und schon in einem Interview mit EMSNow.com in 2012 rief François Monette von Cogiscan auf, eine Rückverfolgbarkeit nicht als ein gesondertes Endziel anzustreben, sondern als begleitendes Nebenerzeugnis eines effizienten Kontrollsystems. MES-Systeme wurden mit ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning) verbunden und bieten firmenweite qualitative und kostensenkende Vorteile durch verbessertes Inventarmanagement, Materialfluss, Qualitätskontrolle, Auftragsabwicklung und -verfolgung, Datenbankverwaltung usw.
Mit der neuesten Initiative ‚Industrie 4.0‘, einer neuen Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus von Produkten, befinden wir uns in den ersten Laufschritten einer vierten industriellen Revolution und somit in der nächsten wichtigen Entwicklungsstufe: Rückverfolgbarkeit entwickelt sich in Vor- und Rückverfolgbarkeit, und zwar nahtlos entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Benötigt werden Cyber Physical Systems (CPS), die Menschen, Objekte und derzeit noch autonome Systeme verknüpfen, um dynamische, echtzeitoptimierte und selbst organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke zu erzeugen. In der Produktion von morgen sind alle Produkte, Komponenten, Materialien und Prozesse ‚intelligent‘ und die Basis der sogenannten ‚Smart Factory‘. Jedes Teil ist eindeutig identifizierbar, jederzeit lokalisierbar. Historie, aktuelle Zustände sowie alternative Wege zum Zielzustand sind einfach und direkt zu erkennen.
Gerade bei den heutigen komplexen Fertigungsprozessen, die sich global erstrecken, muss ein weltweiter Überblick über jedes Bauteil und jeden Prozess gewährleistet sein, um Sicherheit und Qualität bis ins Detail zu garantieren. Informationen über die Herkunft, Lagerung und Zustand von Rohstoffen, Teilen, Produkten und Sendungen werden jederzeit abrufbar sein.
In der Praxis ist dies natürlich nicht einfach, da Systeme verschiedener Zulieferer mit denen des Herstellers und des Kunden bis hin zum Recycler verknüpft werden müssen, um nahtlos miteinander zu kommunizieren. Hierzu bedarf es hochspezialisierter Softwareunterstützung und ein radikales Umdenken der ‚traditionellen‘ Kontrollverfahren. Konzepte wie das ‚Internet der Dinge‘, (die Verknüpfung eindeutig identifizierbarer physischer Objekte mit einer virtuellen Repräsentation in einer Internet-ähnlichen Struktur), werden jetzt schon als Treiber einer zukunftsorientierten Produktion entwickelt und weitere Fortschritte in diesem Bereich bieten spannende und unbegrenzte Möglichkeiten.
10 Jahre nach meinen ersten Schritten entlang der Fertigungsmaschinen bei Universal Instruments schaue ich heute zurück auf meine Erfahrungen sowie Eindrücke auch als Redakteur bei EMSNow und jetzt als Marketing Berater bei Scoop Communications, und kann mit Gewissheit sagen, dass der Fortschritt definitiv ein schneller war – nicht im Sinne von den damals unbedingt angestrebten weltbewegenden Innovationen im Hardwarebereich, sondern in diesem immateriellen virtuellen Bereich, wo Menschen, Maschinen, Prozesse etc. kontinuierlich und unsichtbar mit einander kommunizieren und sich stets sowohl den zu vorigen als auch den derzeitigen und zukünftigen Begebenheiten und Ereignissen anpassen. Bei der daraus automatisch ermöglichten Rückverfolgbarkeit ist der Wortteil ‚Rück’ dann obsolet und wird zu einer noch viel machtvolleren, bi-direktionalen und Wertschöpfungsketten übergreifenden ‘Verfolgbarkeit’ – und wird dadurch erwachsen.
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