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Update für Wellenlötanlagen

Wellenlötanlagen kostengünstig auf Bleifrei umrüsten
Update für Wellenlötanlagen

Die Richtlinie zum Einsatz bleifreier Techniken in der Elektronikfertigung stellt für viele Fertiger ein großes Problem dar, bedeutet sie doch oft den Ersatz der bisherigen Lötanlage durch eine bleifreifähige. Das ein kompletter Anlagenwechsel aber nicht unbedingt sein muss, zeigt Air Liquide mit seinem Konzept.

Prof. A. Rahn, Dipl.-Ing. K. Poggemöller, Air Liquide, Düsseldorf

Das Sitzungsdokument des Europäischen Parlaments vom 26. April 2001 enthält einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Einschränkung gefährlicher Stoffe in elektronischen Geräten. Dieser Vorschlag ist eine Weiterführung eines älteren Enwurfs und nennt einen früheren Termin für das Inkrafttreten der Richtlinie: Statt des zu-erst angepeilten 1. 1. 2008 wird jetzt der 1. 1. 2006 angestrebt. Dieser frühere Einführungstermin wird durch die Innovationen und Anstrengungen der von der Umstellung betroffenen Betriebe möglich. Denn einerseits sind aus der Vielzahl der herstellbaren bleifreien Legierungen potentielle Ersatzlote ausgewählt und weitgehend getestet worden, andererseits haben die Maschinenhersteller sich mit den Konsequenzen, die der Einsatz dieser Lote mit sich zieht, auseinander gesetzt. Beispielsweise macht es der im Gegensatz zum herkömmlichen Lot erhöhte Zinngehalt fast aller bleifreien Ersatzlote sowie die erforderliche Temperaturerhöhung notwendig, die Maschinen bezüglich ihres Prozesses sowie ihrer Materialien neu zu überdenken. Dies gilt besonders für das Schwalllöten, denn die Fachleute sehen dort größere Probleme als beim Reflowlöten.
Dabei hat sich aber ein gewisser „toter Winkel“ im Blickfeld der Lötanlagen-Hersteller ergeben, denn beinahe zwangsläufig hat sich das Augenmerk auf die großen Unternehmen gerichtet, die selbst große Anstrengungen bezüglich bleifreier Lote unternommen haben. In Zusammenarbeit mit diesen Firmen sind sowohl die Prozesse als auch die Lötanlagen neu konzipiert worden. Dabei musste vernachlässigt werden, dass das Verhältnis der Wellenlötanlagen zwischen großen Fertigern und mittleren beziehungsweise kleinen Betrieben bei 20:80 liegt, da nur mit reaktionsstarken Partnern gearbeitet werden konnte, die obendrein auch noch in der Lage waren, staatliche Fördermittel effektiv zu verwenden. Mittlere und kleine Betriebe haben dagegen oft weder die finanziellen noch die personellen Möglichkeiten hier mitzuhalten. Deshalb sind sie erst einmal in Wartestellung gegangen, teilweise in der Hoffnung, dass der Einsatz der bleifreien Technik an ihnen vorüberzieht oder aber dass sie auf den fahrenden Zug, vor den sich die Großindustrie als Lokomotive gespannt hat, aufspringen können.
Das Konzept der Lötmaschinen-Hersteller zielt vielfach auf den Bau von Spezialanlagen, die sowohl von der Materialwahl als auch von anderen Prozessparametern den Ansprüchen genügen. Allein die sonst zu erwartende Verringerung der Produktionsrate macht ein derartiges Vorgehen zwingend nötig. Dabei sehen große Fertigungsunternehmen weder die Anschaffung einer neuen Maschine noch die Kosten einer Tiegelfüllung mit bleifreien Loten als ein unüberwindliches Hindernis, denn auf lange Sicht werden solche Investitionen auf das Produkt um-gelegt und sind deswegen weitgehend kostenneutral. Für kleine und mittelständige Hersteller kann jedoch die Anschaffung einer neuen Anlage oder die Kosten für die neuen Lote ein ganz kritischer Faktor sein. Da zudem die bleifreien Lote nicht nur wegen der Krätze, sondern auch durch das reduzierte Be-netzungsverhalten kaum ohne Stickstoff verwendet werden können, bedarf es des Engagements einiger Fachleute. Die Firma Kirsten etwa, die durch den Einsatz elektromagnetischer Pumpen statt der allgemein verwendeten Flügelradpumpen bekannt ist, hat deswegen in Zusammenarbeit mit Endress+Hauser und Air Liquide neue Wege beschritten. Dabei ist das Ziel, die Vorteile des Wellen- und Pumpenkonzepts mit denen des Stickstofflötens zu vereinen und eine Möglichkeit zu finden, die es auch den kleineren und mittleren Betrieben erlaubt, möglichst einfach in die bleifreie Tech-nik einzusteigen.
Bei der Einführung bleifreier Schwall-Lötprozesse sind ein höherer Zinngehalt und eine erhöhte Schmelztemperatur der Lote markante Parameteränderungen. Der Zinngehalt, der bei bleihaltigen Loten etwa bei 60 % lag, steigt bei bleifreien Loten auf über 90 %, gleichzeitig erhöht sich der Schmelzpunkt von etwa 180 ºC auf rund 220 – 230 ºC. Die Temperatur im Lötbad wird also ebenfalls um ca. 50 K steigen müssen. Bei einigen Versuchen wurden sogar Temperaturen um die 285 ºC gewählt. Diese beiden Faktoren, der Zinngehalt und die Schmelztemperatur, haben jedoch direkte Auswirkungen auf die Maschine, denn die bisher verwendeten Edelstähle für die Tiegel und die Pumpe sind für die neuen Lote ungeeignet. Bei den nun zu erwartenden Einsatztemperaturen greift der erhöhte Zinngehalt diese Stähle an und Korrosion, Lochfraß und Verunrei-nigung des Lots sind die Konsequenz. Die Maschinenhersteller haben deswegen nach Lösungen gesucht und fanden sie in Beschichtungen und neuen Legierungen für diese Module. Über Erfah-rungen im Langzeiteinsatz dieser Materialien wurde bisher allerdings nicht berichtet, was darauf schließen lässt, dass eine adäquate Legierung noch nicht gefunden wurde. Am Löttiegel direkt hat sich durch die neuen Legierungen und Beschichtungen jedoch nichts Wesentliches geändert. Das Tiegelvolumen ist nach wie vor das gleiche, obwohl durch die höheren Kosten der neuen Lote auch hier einige Änderungen nötig wären. Wegen der speziellen Pumpmethoden jedoch wären Verkleinerungen des Löttiegelvolumens nur schwer zu verwirklichen. Gleichzeitig fällt in einer Luftumgebung vermehrt Krätze an. Dabei ergeben Berechnungen einen Faktor von neun bis elf, tatsächliche Versuche stecken dagegen ein relativ weites Spektrum ab. Hier reichen die Werte von „kaum ein Unterschied“ bis zum zehnfachen, wobei man den letzten Wert als den objektiveren ansehen kann. Deswegen kann davon ausgegangen werden, dass allein die Krätze in der bleifreien Zukunft, den Einsatz von Stickstoff nicht nur rechtfertigen, sondern auch zu einer Notwendigkeit machen wird.
Da die derzeitige Situation noch einige Fragen unbeantwortet lässt, hat sich ein Expertenteam bestehend aus Spezialisten der Unternehmen Kirsten, Air Liquide und Endress+Hauser gebildet, die sich gemeinsam diesen Herausforderungen gestellt haben. Seit Jahren arbeitet Kirsten erfolgreich mit den Hohlwellen, die durch eine Magnetpumpe erzeugt werden, sowie mit beschichteten Tiegeln mit kleinen Volumen. Air Liquide hat bei der Inertisierung von Lotbädern und Wellen umfangreiche Erfahrungen gesammelt, die vor einigen Jahren in dem patentierten Begasungssys-tem ALIX-LT mündete. Dieses System wurde entwickelt, um es universell auf Maschinen unterschiedlicher Bauart verwenden zu können und es damit dem Benutzer erlaubt, Abdeckgase einzusetzen, ohne eine neue Maschine kaufen zu müssen. Schließlich hat Endress+Hauser seit Jahren nicht nur beim Löten mit bleihaltigen, sondern auch bereits seit 1992 mit alternativen Loten (SnAg), die nötige Produktionserfahrung.
Nachteile der Ölabdeckung
Die von Kirsten entwickelte elektromagnetische Pumpe hat keine beweglichen Teile, sondern beschleunigt das elektrisch leitfähige Lot durch ein elektromagnetisches Feld. Hierzu musste der Tiegel nichtleitend beschichtet werden, was durch eine keramische Beschichtung auf dem gusseisernen Tiegelmaterial realisiert wurde. Diese Beschichtung bietet bei der bleifreien Technik den Vorteil, dass sie selbst bei den nun geforderten hohen Temperaturen resistent gegen den Angriff des aggressi-ven Zinns ist. Dem Pumpensystem kommt auch ein geringer Tiegelinhalt entgegen, da das Aufheizen und Beschleunigen größerer Mengen Lot einen größen Energieaufwand und deswegen einen erhöhten Stromverbrauch erfordert. Als Konsequenz daraus hat Kirsten eine Düse entwickelt, die einen besonders dünnen Schwall erzeugt. Dieses Konzept hat sich besonders beim Löten von SMT-Baugruppen ausgezeichnet und ist als Bernoulli-Effekt bekannt geworden. Hier liegt aber gleichzeitig auch eine der Schwächen des Prinzips: Der dünne Spalt in der Düse kann leicht verstopfen, wenn Verunreingun-gen auftreten. Deswegen hat das Unternehmen auch nie ganz die Verwendung von der Schutzölabdeckung aufgegeben, denn der Einsatz von Abdeckölen verhindert die Entstehung von Krätze. Und das ist eine zwingende Voraussetzung beim Einsatz solcher Düsen.
Endress+Hauser produziert Sensoren für die Füllstands- und Druckmessung. Für den Herstellungsprozess der Sensoren werden Schwall-Lötanlagen eingesetzt, die unter Verwendung von Öl zur Verhindern der Krätzebildung arbeiten. Diese Lötanlagen werden seit einigen Jahren sowohl für die bleihaltige als auch die bleifreie Fertigung eingesetzt. Zwar ist Öl als Oxidationsschutz durchaus wirksam, es hat aber auch markante Nachteile. Dabei sind die Verschmutzung der Anlage und der hohe Wartungsaufwand nur die offensichtlichsten Handicaps, auch legen sich die entstehenden Dämpfe nicht nur im Bereich der Maschine ab, sondern gelangen auch in die Belüftungs- und Klimaanlagen. Auch das Öl auf der Baugruppe ist ein Problem, weil es zu Reinigungsproblemen beitragen kann. Zudem hat man bei Ölsystemen auch Öleinschlüsse in den Lötstellen gefunden, wobei deren Schädlichkeit jedoch nie ganz nachgewiesen wurde.
Die Entwicklung des Lötmoduls
Bei der Zusammenarbeit hat man sich auf das Wesentliche, nämlich auf das Lötmodul, konzentriert. Eine große Herausforderung dabei war, einen so geringen Restsauerstoffgehalt im Bereich der Welle und des Tiegels zu erzeugen, dass ein Entstehen von Krätze praktisch ausgeschlossen ist. Der erste Schritt war, das Begasungssystem Alix-LT auf dem Kirsten-Tiegel zu testen. Ganz ohne Modifikation des Systems konnten die gewünschten Erwartungen nicht erreicht werden. Die erste Testserie war jedoch ermutigend und ermöglichte ei-nen ersten praktischen Test. Bereits bei Kirsten waren umfangreiche Versuchserien gelaufen, die zeigten, dass die Verwendung von Stickstoff statt Öl auch weitere Vorteile beim Löten brachte. Der erste praktische Test wurde an einer Fertigungslinie mit bleihaltigen Loten gefahren. Obwohl mit der Qualität der Lötstellen auch bei der Verwendung von Öl sehr zufriedenstellende Ergebnisse erzielt wurden, ergab der Einsatz von Stickstoff als Abdeckmittel eine weitere, klare Verbesserung. Dies galt besonders für die Benetzung auf einigen sonst nur mit höherem Flussmittelauftrag lötbaren Leiterplatten. Wegen der guten Ergebnisse konnte das Befluxen um 50 % reduziert werden, was sich auf die Menge der Rückstände auf der Baugruppe positiv auswirkte.
Deutlich reduzierte Krätzemenge
Anschließend richtete sich das Augenmerk auf die produzierte Krätze. Untersuchungen ergaben nach einer Betriebsstunde ein Krätzeaufkommen von etwa 12 g (Bild 1), bei Langzeitversuchen fielen im Schnitt etwa 27 g pro Stunde an (Bild 2). Verglichen mit den etwa 500 g Krätze pro Stunde beim herkömmlichen Prozess stellte das eine signifikante Verbesserung dar. Natürlich wur-de auch auf den gezielten Stickstoffverbrauch geachtet, der nach der Feinabstimmung einiger Leitbleche der Abdeckung auf 14 und 15 m3/h reduziert werden konnte. Nach diesen erfolgreichen Versuchen waren nur noch ein paar kleinere Eingriffe an der Abdeckhaube nötig, um die Wartung so einfach wie möglich zu gestalten. Der Zugang zu den einzelnen Partien, die zur Beseitigung der Krätze erreichbar sein müssen, ist durch bewegliche Bleche oder durch einfaches Abheben von Teilen jetzt mit einem nur geringen Aufwand möglich. Danach bot sich ein direktes Übertragen des Lötmoduls auf die bleifreie Linie an. Dieser Schritt wurde ebenfalls erfolgreich absolviert.
Die Eigenschaften der inert abgedeckten Lötmaschine für die bleifreie Technik soll nun einer breiteren Klientel zugänglich gemacht werden, denn kleine Fertiger können sich nur mit großen finanziellen Anstrengungen zum Stichtag des Gesetzes eine neue bleifreie Anlage leisten. Obwohl diese eine durchaus taugliche Schwalllötanlage im Hause stehen haben, die den bisherigen Anforderungen völlig entsprochen hat. Was diesen Anlagen nur fehlt, ist ein für bleifreie Prozesse geeignetes Lötmodul. Deshalb wird der Löttopf von Kirsten in seiner neuen inerten Form als allgemeines Austauschprodukt angeboten. Sein Tiegel ist klein und passt deswegen in die Anlagen, die sonst große Tiegel mit beweglichen Pumpensystemen aufgenommen haben. Für den Einsatz des Tiegels sind keine großen mechanischen oder elektrischen Änderungen nötig und das modifizierte System erlaubt den Einsatz von Stickstoff, so dass die Kosten- und Prozessvorteile des inerten Lötprozesses voll genutzt werden können. Das Produkt bekam den Namen K-In2ertwave und wurde von Air Liquide zum Patent angemeldet. Nach der Präsentation dieser Technik haben vor allem Fertiger von Unterhaltungselektronik ihr Interesse bekundet. Aber auch große Lötanlagenhersteller zeigten bisher Interesse, die Firma Seho beispielsweise hat bereits die Integration und Adaption auf ihre Maschine vorgenommen. Um den Anforderungen auch in Zukunft gerecht zu werden, wird K-In2ertwave mit einer Welle von bis zu 600 mm Nutzbreite hergestellt. Die Funktion mit einer vollinertisierten Wellenlötanlage wird derzeit getestet.
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