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Verbesserungspotenziale aufgedeckt

16. EE-Kolleg über Fehler in und auf der elektronischen Baugruppe
Verbesserungspotenziale aufgedeckt

Der technische Fortschritt bei der Produktion elektronischer Produkte ist eine Herausforderung an die Qualität und birgt Risiken. Erschwerend neigt der Mensch bekanntlich dazu, gern den einfachsten Weg zu gehen, so dass Fehler vorprogrammiert sind. Dem Themenfokus, es gibt Fehler in und auf der elektronischen Baugruppe, jedoch immer etwas zu verbessern, widmete sich die älteste Veranstaltung zum Thema Baugruppen, das 16. Europäische Elektroniktechnologie-Kolleg in Colonia de Sant Jordi auf Mallorca.

Traditionell und wie in den letzten Jahren eröffnete und moderierte Dr. Hans Bell, Rehm Thermal Systems, das Europäische Elektroniktechnologie-Kolleg. Der kurzen Vorstellung der sieben Geschäftspartnern / Veranstaltern ASM Assembly Systems, Asys Group, Balver Zinn, Christian Koenen, kolb Cleaning Technology, Rehm Thermal Systems und Zevac, folgten Ausführungen und Zahlen zum Markt.

Zur Einführung in den Themenschwerpunkt des Events und die Vorträge bot sich das Flugverbot von Boeings Prestigeflieger nahezu an. So durften drei Monate sämtliche Dreamliner nicht mehr in die Luft, nachdem eine Batterie an Bord einer in Bosten geparkten Maschine der Japan Airlines Feuer gefangen hatte, eine weitere während dem Flug der All Nippon Airways geschmolzen ist. Boeing setzt Lithium-Ionen-Akkus ein, die zwar leichter als herkömmliche sind, jedoch auch schneller entflammbar. Die Zwangspause des Dreamliners soll Schätzungen zufolge mit rund 600 Mio. Dollar zu Buche geschlagen haben. Da könnte sich intensive Ursachenforschung an elektronischen Baugruppen durchaus lohnen.
Potenziale und Strategien
Michael Pongratz von Zollner Elektronik griff das Thema direkt auf, und stellte mit der Frage: Wissen Sie was Ihre Baugruppe alles erlebt hat?, die Bedeutung transparenter Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette in den Vordergrund. Denn um das auf den ersten Blick nicht sichtbare Verbesserungspotenzial zu heben, müssen die durchgängig erfassten Daten intelligent miteinander verknüpft werden, um deren Abhängigkeit zu erkennen und daraus Verbesserungen abzuleiten. So ist ein gesamtheitliches Traceability mittlerweile Standard im Unternehmen. Die daraus erhobene Datenmenge wird intensiv analysiert, und auf der Basis standardisierter Kennzahlen ein Material- sowie Produktionsreportingsystem aufgebaut und ständig gemessen. Mit Hilfe von Werkzeugen und Methoden aus Six Sigma sowie Lean Produktion wird bei jeder Verbesserung im Kleinen stets die Auswirkung auf das gesamte Produktionssystem betrachtet, um sicher zu gehen, wirklich einen Mehrwert für das Produkt zu erhalten.
Unter der Head „Aus Fehlern lernen“ präsentierte Dipl.-Ing. Wolfgang Motzek von Coronex Electronic, EMS-Dienstleister, Potenziale und Strategien zur Steigerung der Prozess- und Produktqualität in der Elektronikfertigung. Um das ganze zu verdeutlichen, zog er ausgewählte Beispiele hinzu. Sein Augenmerk lag auf Leiterplatten, deren Prüfmöglichkeiten beim Wareneingang im Unternehmen bereits im Jahr 2009 deutlich erweitert wurden. Mit ausgewählten Reklamationen bei der Wareneingangsprüfung von größtenteils asiatischen Leiterplatten demonstrierte der Redner diverse Fehlerquellen an Leiterplatten. Dann ging es ein Step weiter zur Produktion mit ihren Fehlerquellen, wo die Leiterplatte als wichtigstes Bauteil der Elektronikfertigung gesehen wird. Denn fehlerhafte Leiterplatten können Prozessstörungen in allen Fertigungsschritten verursachen, wobei speziell auf den Schablonendruck und Schablonen eingegangen wurde.
Christoph Hippin von Endress+Hauser ging der Fehleranalyse und Prozessentwicklung am Beispiel von QFNs auf die Spur. Sollte es zu Fertigungsproblemen kommen, sieht die Sofortmaßnahme und damit Priorität 1 vor, die Lieferfähigkeit zu erhalten. Im zweiten Schritt sollten weitere Analysen vorgenommen werden, um einen stabilen und qualifizierten Prozess zu erhalten. Priorität 3 ging der Frage bezüglich einer Reparatur nach, um hochwertiges Rework prozessieren zu können. Der Referent beschrieb Fertigungsprobleme aus dem eigenen Unternehmen und zeigte innovative Lösungsansätze auf. Für Endress+Hauser führten sie zur Einführung / Qualifizierung von Rework und Reworkstation sowie zu umfangreichen Druckversuchen am Fraunhofer ISIT. Der Druckprozess gilt im Unternehmen als zentraler Prozess, der für die Qualität der Bestückungs- und Lötqualität verantwortlich ist. Daher ist es Philosophie, sowohl Qualität als auch Prozessstabilität in diesem Bereich zu steigern. Geplant sind weitere Untersuchungen bezüglich QFN in Micro / Macro Anwendungen sowie alternative Belotungsverfahren beim Rework von QFN.
Optimale Bau- gruppenqualität
Wie der Fertigungsprozess die Baugruppenqualität beeinflussen kann, Prozessfehler und ihre Auswirkungen, war Thema von Helge Schimanski vom Fraunhofer ISIT. Es war zu hören, dass Prozessfehler, nach dem Motto nichts ist unmöglich, auch da auftreten können, wo sie scheinbar als ausgeschlossen erachtet werden. Selbst unscheinbare Ursachen können gravierende Auswirkungen haben. Auch stellt die Feuchtempfindlichkeit und Temperaturbeständigkeit elektronischer Baugruppen den Baugruppenfertiger vor Herausforderungen. Prozesstauglichkeit steht nicht im Datenblatt, sondern muss im Praxistest nachgewiesen werden. Ursachenforschung dient als notwendige Basis zum Verständnis und zur Abhilfe von Prozessfehlern. Das Arbeitsziel zur Herstellung zuverlässiger Elektronik ist das Prozessfenster für sichere Baugruppenfertigung.
Andreas Kraus von der Kraus Hardware zeigte den Zuhörern den Sinn und die Möglichkeiten der elektrischen Baugruppenprüfung auf. Er ging auf die verschiedenen optischen und elektrischen Testverfahren mit ihren Vor- und Nachteilen ein, und kam zu folgendem Ergebnis seines Vergleichs von optischen und elektrischen Testverfahren. So ist es entscheidend, mit welchem Testverfahren und Strategie geprüft wird, um eine möglichst hohe Prüfabdeckung zu erreichen. Wichtig ist die Lieferung funktionstüchtiger Baugruppen in der gewünschten Qualität. Fakt ist, mit der richtigen Prüfstrategie lassen sich Kosten sparen, ein Muss sieht der Referent in der elektrischen Baugruppenprüfung.
Über die Qualität von Lötstellen und worauf man beim Löten achten sollte berichtete Dr.-Ing. Matthias Hutter vom Fraunhofer IZM. Wenn die Lötstellen frei zugänglich sind, lässt sich die Lötstellenqualität grundsätzlich durch optische Inspektion beurteilen. Dabei ist der Benetzungswinkel ein guter Indikator dafür, ob die Benetzung erfolgreich war. Schwierig sind Fälle, bei denen eine gut benetzbare Oberfläche bzw. Schutzschicht über einer fehlerhaften Oberfläche liegt, weil zunächst eine schnelle Benetzung stattfindet, es dann aber plötzlich zur kompletten Entnetzung kommt. Diese ist nicht unbedingt sofort sichtbar, wenn das Lot stellenweise Verbindungen mit Substrat bilden konnte. Bei BGAs sind diese Fehler besonders schwierig zu sehen, denn Röntgen lässt keine Aussage über die Qualität der Grenzflächen zu. Hier sind Querschliffe oder Abreißtests ratsam. Bei Zinnoberflächen muss auf ausreichende Bedeckung mit Zinn geachtet werden, freiliegende Cu/Sn-Phasen werden langsamer oder gar nicht benetzt.
Prozess- und Maschinenfähigkeit
Ulrich Fischer von Festo Didactic, Training und Consulting, referierte über TPM in Lean-Produktionssystemen und Erfolgfaktoren für die Einführung. TPM, Total Productive Maintenance, ist eine Methode zur Optimierung von Maschinen mit typischen Themen im Lean Bereich. Zuerst wurde die Situation der Unternehmen, wie sie sich heute darstellt, erläutert, um anschließend Strategien für den Weg zu einem schlanken Unternehmen vorzustellen. Dabei erfuhren die Zuhörer, wie TPM solch Einführung unterstützen könnte und welche Inhalte angesprochen sind. Die Ziele dieser Methode liegen klar in der Identifizierung der Anlagenverluste sowie kontinuierlicher Verbesserung der Maschinen auf das optimale Niveau, welches durch vorbeugende Instandhaltung der Produktion und Instandhaltungsabteilung auf diesem Level bleiben sollte. Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige TPM-Einführung, ein übrigens langfristiger Prozess über 3 bis 5 Jahren, sind neben einer konsequenten Strategie auch die Wahl einer geeigneten TPM-Organisation, die sicher stellt, dass die Maßnahmen greifen und in der täglichen Arbeitswelt eingehalten werden.
Den Blick in die Glaskugel wagte Andreas Graß von Baumer Electric zum Thema Six Sigma. Ziele der Kompetenzentwicklungsmaßnahme lagen in der Beurteilung der Prozessfähigkeit und mit welchem Ausschuss in Zukunft zu rechnen ist sowie die Erläuterung zur Maschinengenauigkeit. Es ging um Kurz- und Langzeitzeitfähigkeit, die bei Six Sigma von der Nullserie bis zur Abkündigung reicht. Der Prozessfähigkeitsindex gibt mit CP an, ob der Prozess ins Prozessfenster passt, CPK dagegen gibt an, ob der Prozess das Prozessfenster getroffen hat. Dabei kann der CPK-Wert niemals größer sein als der CP-Wert. Kunden aus dem Automotivebereich fordern grundsätzlich beide Werte.
Olaf Laneus von Leesys, Leipzig Electronic Systems, berichtete über die Automatisierung zur Fehlervermeidung, wie im Unternehmen geschehen. So wurden unter anderem Bestückautomaten erneuert und Maschinenfähigkeitsuntersuchungen durchgeführt, um schneller zu werden. Zur Vermeidung von Produktionsstillstand mietete man ein Kalibrierwerkzeug vom Hersteller an, und überprüfte sowie kalibrierte die kompletten PCB- und Komponentenkameras neu. Alle Maschinenachsen wurden kontrolliert und Feineinstellungen an allen Bestückautomaten durchgeführt. Canbusfehlermeldungen und Pipettenfehler wurden durch Softwareänderungen behoben, um so Maschinenstillstände zu vermeiden.
Auch die Kunststoffverarbeitung, die sich neben der Elektronikfertigung unter einem Dach befindet, wurde automatisiert, so dass sich heute eine fast vollautomatische Prüfanlage für Telefone im Unternehmen findet. Prüfen, Zusammenschrauben und Lasern erfolgen automatisiert in einer Linie mit einer dynamischen Prüfung.
Sprache, Marken, Symbole
Der Vortrag zur Sprachvielfalt – Sprache, Sprechen, Verstehen, Verständnis von Dr. Andre Meinunger vom Zentrum für allgemeine Sprachwissenschaft Berlin, betraf das Thema Elektronik zwar nur peripher, doch können beispielsweise Verstehen oder Verständnis durchaus auch in diesem Segment ausschlaggebend sein. Denn laut einer Befragung sorgen aus Sicht von 34% die unterschiedlichen Sprachweisen und Dialekte innerhalb Deutschlands für eine erschwerte Kommunikation, wobei die Mehrheit (51%) 14- bis 29-Jährige ausmacht. Und wer möchte schon gern wegen Sprachbarrieren, im übrigen nicht nur innerhalb Deutschlands, auf Business verzichten? Der Referent untersuchte den Grund für so viele Dialekte, der auf die Absonderung von Menschengruppen abzielt. So schafft ein gemeinsamer Code neben Vertrauen auch Zusammengehörigkeit und bietet Vorteile bei einem möglichen Kampf ums Überleben. Sprachgruppen schaffen Gemeinsamkeiten, indem sie sprachliche Besonderheiten herausarbeiten. Abschließend gab es die Vorstellung einiger Besonderheiten diverser Dialekte wie auch der Jugendsprache.
Die Workshops über Lean Production, Temperaturprofile, Sprache, Marken, Symbole sowie Analytik brachten interessante Ergebnisse zutage. So wurden im Workshop zur Analytik mit Günter Grossmann vom EMPA detailliert die Analyse der Lötstellen, sowohl von PCBs als auch dem Bauteil, vorgestellt und abschließend die Funktionsweise der verschiedenen Analysemethoden präsentiert. Workshop Sprache-Marken-Symbole mit Andreas Hilgers von Icon Added Value dagegen eruierte zuerst den Begriff Marke. Erfolgreiche Marken bauen dauerhaft eine starke emotionale Beziehung zu ihrer Zielgruppe auf. Denn die Stärke der emotionalen Beziehung einer Marke zu den Menschen ist letztendlich entscheidend für den Erfolg der Marke.
Wieder einmal konnten die Teilnehmer des EE-Kollegs neben ausgiebigem Networking zahlreiche Informationen und Wissenswertes mit nach Hause nehmen, von dem angenehmen Ambiente mal ganz abgesehen. (dj)
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Doris Jetter, Redaktion EPP und Sophie Siegmund Redaktion EPP Europe sprechen einmal monatlich mit namhaften Persönlichkeiten der Elektronikfertigung über aktuelle und spannende Themen, die die Branche umtreiben.

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