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Wie finde ich meinen optimalen Reinigungsprozess? Dipl.-Ing. Martina Stieglmeier, Produktmanagement Zestron, Ingolstadt

Handlungsempfehlungen für die Wahl des richtigen Reinigungsequipments
Wie finde ich meinen optimalen Reinigungsprozess? Dipl.-Ing. Martina Stieglmeier, Produktmanagement Zestron, Ingolstadt

Sucht der Anwender auf dem Markt einen geeigneten Reinigungsprozess, dann steht er vor der Qual der Wahl. Der Markt bietet an dieser Stelle unterschiedlichste Reinigungsanlagen mit verschiedenen Reinigungsmechaniken an. Alle Hersteller von Reinigungsmedien bewerben ihr Produkt als das Beste, und hat sich der Anwender einmal durch den Dschungel von Normen zur Reinheitsqualifikation gekämpft, dann stellt sich immer noch die Frage „Welches Testverfahren ist für mich das Beste?“. Anwender sollten an dieser Stelle nichts überstürzen, sondern ihre Wahl mit Bedacht treffen. Dies wird umso entscheidender, je komplexer die Anwendung ist. So ist bei der Baugruppenreinigung die notwendige Oberflächenreinheit deutlich höher als in der Schablonenreinigung, was gleichzeitig auch deutlich höhere Anforderungen an Reinigungschemie und -anlage zur Folge hat.

Noch bevor sich viele Anwender für die Anschaffung eines maschinellen Reinigungsprozesses entscheiden, wird häufig versucht, die Entfernung von störenden Flussmittel-, Lotpasten- oder SMT-Kleberrückständen mit den verschiedensten manuellen Reinigern zu bewältigen. Erst wenn der Durchsatz zu hoch, der Arbeitsaufwand zu viel und die Reinigungsergebnisse zu schlecht werden, wird über die Anschaffung eines automatischen Reinigungsprozesses nachgedacht. Ist die Entscheidung einmal zugunsten eines neuen Reinigungsprozesses gefallen, werden Budgets genehmigt und Broschüren von Reinigungsanlagen und Medien bestellt und verglichen. Aber wie wählt man jetzt das Richtige aus und wie bekommt man für sein Geld das beste Reinigungspaket?

An dieser Stelle sollte der Anwender einen Schritt zurücktreten und sich drei elementaren Fragen zuwenden:
  • Was reinige ich und wie sauber muss es werden – sprich „Was sind meine Anforderungen an die Oberflächenreinheit?“
  • Was und wie möchte ich entfernen – sprich „Was ist meine Verunreinigung und welches Reinigungsmedium benötige ich?“
  • Wieviele Teile pro Tag möchte ich reinigen und welche Materialflussanforderungen habe ich – sprich „Welche Reinigungsanlage benötige ich?“
Was sind die Anforderungen an die Oberflächenreinheit?
Dies ist eine sehr wichtige Frage, die sich Anwender als Allererstes stellen sollten, denn sie bildet die Grundlage für die Anforderung an Reinigungsmedium und -anlage beziehungsweise an den Reinigungsprozess. Oftmals herrscht hier beim Anwender Ratlosigkeit. Selbstverständlich sind die Reinheitsanforderungen bei Schablonen geringer als bei Baugruppen und klar ist auch, dass die Substrate sauber werden müssen, aber die Frage „Wie sauber?“ ist häufig unklar.
Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich für den Anwender lediglich um kosmetische beziehungsweise optische Sauberkeit handelt oder ob an die Oberflächenreinheit konkrete Anforderungen gebunden sind. Ein Indikator für die benötigte Oberflächenreinheit sind oftmals die der Reinigung nachgelagerten Prozessschritte. Finden hier Bond- oder Beschichtungsprozesse statt, ist eine hohe Oberflächenreinheit notwendig. Werden an dieser Stelle Flussmittelrückstände oder Harzrückstände nicht komplett entfernt, kann es zu Delaminationseffekten der Beschichtung, elektrochemischer Migration, schlechter Bondhaftung, Kriechströmen etc. – kurzum zu Feldausfällen – kommen. Je öfter die Baugruppen später Teile kritischer Steuerelemente sind, die zum Beispiel extremen Umwelteinflüssen wie häufigen Temperaturwechseln, hoher Luftfeuchtigkeit oder Schadgasatmosphären ausgesetzt werden, desto mehr steigt das Risiko von Ausfällen.
Hilfe können Anwender auch bei den verschiedenen Industrienormen wie IPC oder J-STD finden. Durch diese werden Mindestreinheitsstandards festgelegt und Testmethoden zur Überprüfung vorgeschlagen. Das Problem für den Anwender ist oftmals die Vielzahl an verschiedenen Normen, die einen dichten Dschungel darstellen. Häufig fehlt die Zeit, um sich durch das Dickicht hindurch zu kämpfen.
Letztendlich empfiehlt es sich, Rat bei einem Experten zu suchen. Dieser sollte detaillierte Kenntnisse über die relevanten Normen und Reinheitsanforderungen haben und über die relevanten Testmethoden verfügen, um eine Reinheitsbestimmung durchführen zu könnnen. Denn welche Normen beziehungsweise Reinheitsanforderungen benötigt werden, ist immer anwenderspezifisch und kann letztendlich nur über einen Dialog mit dem Anwender herausgearbeitet werden.
Welche Verunreinigung und mit welchem Reiniger?
Die Frage „Was ist meine Verunreinigung und welches Reinigungsmedium benötige ich?“ wird häufig vom Anwender übergangen. Oftmals konzentriert man sich an dieser Stelle bereits auf die Anschaffung einer Reinigungsmaschine. Dennoch ist es elementar, sich mit dieser Frage genauer zu befassen. Ein Beispiel aus den eigenen vier Wänden kann vielleicht an dieser Stelle die Wichtigkeit des richtigen Zusammenspiels von Reinigungsmedium und Verunreinigung verdeutlichen. So kann man Flecken in der Kleidung natürlich auch mit Seife entfernen, es wird aber niemals so sauber wie mit einem speziellen Fleckenentferner.
Das Reinigungsmedium sollte daher wie nach einem Schlüssel-Schloss-Prinzip auf die jeweilige Verunreinigung (Flussmittel, Lotpaste, SMT-Kleber) angepasst sein, ansonsten wird man zwar ein gewisses Reinigungsergebnis erzielen, aber selbst mit der aufwendigsten und teuersten Reinigungsanlage weit von der gewünschten Oberflächenreinheit entfernt sein. Daher ist es zunächst sinnvoll, in Versuchen die optimale Chemie zu ermitteln.
Grundsätzlich gibt es drei unterschiedliche Reinigersysteme, die im Folgenden genauer beschrieben und verglichen werden:
  • Lösemittelreiniger
  • Tensidreiniger
  • MPC-Reiniger
Moderne Lösemittel zeichnen sich durch ein sehr breites Prozessfenster hinsichtlich der Entfernung aller Arten von Verunreinigungen aus. Daher sind sie technisch in manchen Fällen die beste Alternative. Gleichzeitig besitzen sie jedoch Nachteile wie Flammpunkt und einen stärkeren Eigengeruch.
Traditionelle Tensidreiniger dagegen sind wässrig und somit nicht brennbar. Sie besitzen jedoch ein enges Prozessfenster und verarmen schnell, was zu häufigem Nachbefüllen, zu verkürzten Badstandzeiten und damit zu einem hohen Verbrauch und Entsorgungsaufwand führt. Traditionelle Tenside bleiben zudem bei unzureichender Spülung auf der Oberfläche haften und bilden dort einen Film, der sich bei nachfolgenden Beschichtungs- und Bondprozessen negativ auf die Qualität auswirken kann.
Die patentierte MPC-Technologie vereint alle Vorteile der Lösemittel- und Tensidreiniger, ohne deren Nachteile in Kauf zu nehmen. MPC-Reiniger sind wasserbasierende Medien ohne Flammpunkt. Da der VOC (Volatile Organic Compound) Anteil auf Grund des minimalen Verbrauchs sehr gering ist, weisen sie gesamtheitlich die beste CO2-Bilanz im Vergleich zu Lösemitteln und Tensidreinigern auf. Sie sind zudem sehr geruchsarm. Durch ihr großes Prozessfenster können sie jedoch ähnlich wie Lösemittel für die Entfernung vieler Verunreinigungen eingesetzt werden.
MPC-Reiniger enthalten keine Tenside und lassen sich daher problemlos rückstandsfrei spülen. Sie können somit auch bei Anwendungen mit höchsten Reinheitsanforderungen eingesetzt werden. Die Reiniger garantieren zudem extrem lange Badstandzeiten, was auf ihrer speziellen Reinigungstechnologie beruht. So binden sich die reinigungsaktiven Komponenten (Mikrophasen) nicht permanent an die Verunreinigung, sondern lösen sie von der Oberfläche und geben sie dann an die Umgebung ab. Daher kann die Verunreinigung anschließend durch Filtration aus dem Reinigungsbad entfernt werden. Die reinigungsaktiven Komponenten bleiben dabei im Reinigungsbad erhalten.
Prinzipiell kann man sagen, dass es auf die Frage „Mit welchem Reiniger kann ich meine Verunreinigung entfernen?“ keine pauschale Antwort gibt. Jedoch weisen die verschiedenen Reinigersysteme bestimmte Vorteile und Nachteile auf, die bei der Auswahl unbedingt beachtet werden sollten. Auch hier hilft der Rat eines Experten, der über detailliertes Wissen bezüglich der verschiedenen Reinigungsmedien verfügt. Mit ihm zusammen sollten in Abhängigkeit von der Verunreinigung und den unternehmensinternen Anforderungen die verschiedenen Reiniger in Produktionsanlagen getestet werden, sodass der beste Reiniger ermittelt werden kann.
Welche Reinigungsanlage benötige ich?
An dieser Stelle muss der Anwender unabhängig vom jeweiligen Budget oder der eigenen Präferenz hinsichlich Reinigungsmechanik oder Anlagentyp einen Schritt zurücktreten und sich folgende Fragen stellen:
  • Wie viel muss ich reinigen – sprich „Was ist mein Durchsatz pro Tag?“
  • Wie groß darf die Anlage sein – sprich „Was ist die verfügbare Anlagenstellfläche in meiner Produktion?“
Prinzipiell wird das Thema Durchsatz erst einmal in Zahlen gemessen. Durchsatz pro Stunde, Durchsatz pro Schicht etc. Unabhängig davon müssen sich Anwender auch eine weitere Frage stellen, die nicht so sehr mit dem zahlenmäßigen Durchsatz zu tun hat, sondern wie die Reinigung an der Maschine durch den Operator erfolgen soll.
So stehen unterschiedliche halbautomatische Prozesse zur Verfügung, bei denen das Reinigungsgut manuell zum Beispiel vom Reinigungstank in die Spülstufe umgesetzt wird. Dies führt womöglich zu einem ähnlichen Durchsatz wie bei einem vollautomatischen System, bei dem der Operator lediglich die Substrate in die Anlage stellen muss und der Reinigungsvorgang von einem Programm abgearbeitet wird, aber der personelle Aufwand/Kosten beziehungsweise das Handling ist im Vergleich zu einem vollautomatischen Prozess größer. Neben dem Durchsatz muss auch die verfügbare Stellfläche in der eigenen Produktion überprüft werden. So kann es sein, dass der Anwender zwar hohe Anforderungen an den Durchsatz stellt und auch über das notwendige Kleingeld verfügt, um eine derartige Anlage zu kaufen, aber die gewünschte Reinigungsanlage platzmäßig einfach nicht in die überfüllte Produktion passt.
Anhand der Tabelle 2 kann man sehr deutlich erkennen, dass sich die unterschiedlichen Maschinensysteme stark in Durchsatz und Stellfläche unterscheiden. Wobei pauschal festgestellt werden kann, dass die Anlagen mit hohem Durchsatzpotenzial naturgemäß auch eine größere Stellfläche benötigen. Grundsätzlich bietet der Markt eine Vielzahl von unterschiedlichen Varianten an, aus denen der Anwender wählen kann:
  • Tauchanlagen mit Ultraschall oder Druckumflutung
  • Einkammer-Spritzreinigung im Spülmaschinensystem
  • Inline-Spritz-Anlagen für die vollautomatische Reinigung
  • Einkammer-Vakuumreinigungsanlagen mit Dampfspülung
Bei Tauchanlagen werden die zu reinigenden Teile direkt in den Reiniger eingetaucht. Die Verunreinigung wird hier mittels Ultraschall oder Druckumflutung entfernt. Hier ist die Verwendung sowohl wässriger als auch lösemittelbasierender Reiniger möglich. Neben großen Tauchprozessen werden vor allem Benchtop-Systeme für kleine Durchsätze angeboten.
Bei Spritzprozessen (Einkammeranlage und Inline) wird der Reiniger mittels Düsen auf die Teile gespritzt. Spritzprozesse sind fast immer wässrige Prozesse, da die Reinigungsanlage bei der Verwendung von Lösemittelreinigern explosionsgeschützt sein muss und zum Teil eine erhebliche ESD-Gefährdung des Reinigungsgutes auftreten kann. Die Einkammer-Vakuumreinigung funktioniert dagegen ausschließlich mit Lösemitteln. Der Reiniger wird dabei wie beim Spritzprozess auf die Teile gespritzt. Die Trocknung erfolgt jedoch anschließend im Vakuum, was die Prozessdauer deutlich verkürzt.
Letztendlich darf die Entscheidung für eine Reinigungsanlage nicht auf dem Papier gefällt werden, sondern der Anwender sollte sich einen möglichst großen und unabhängigen Überblick über die Anlagenvielfalt verschaffen. Auch hier kann der Rat eines unabhängigen Experten helfen. Zusammen mit ihm sollten die verschiedenen Anlagentypen in praktischen Versuchen getestet werden, sodass für den Anwender das beste Anlagensystem ausgewählt wird.
Zusammenfassung
Auf der Suche nach dem eigenen optimalen Reinigungsprozess muss der Anwender sich die unterschiedlichsten Fragen stellen. Pauschale Antworten auf diese Fragen gibt es häufig nicht, denn letztendlich ist jeder Reinigungsprozess individuell, was bedeutet, dass Reinigungsmedium oder -anlage speziell auf die jeweiligen Anforderungen angepasst werden müssen.
Da die Auswahl in allen Bereichen sehr groß ist, empfiehlt es sich, den Rat eines unabhängigen Experten zu suchen. Dieser sollte zum einen das Fachwissen und die notwendige Prozesskompetenz besitzen. Zum anderen sollte dieser über eine repräsentative Auswahl an Reinigungsanlagen, Medien und analytischen Methoden verfügen, sodass durch Reinigungsversuche der beste Prozess eingegrenzt werden kann. So kann häufig an nur einem Tag ein solider Technologieüberblick gewonnen werden, welcher den Anwender auf dem Weg zu der richtigen Investitionsentscheidung einen großen Schritt weiterbringt.
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