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Zero-Defect- Produktion

Der Weg zur Qualitätssicherung (Teil 1)
Zero-Defect- Produktion

Jährlich werden weltweit über 60 Millionen Pkw produziert, von denen die meisten mit Airbag-Aufprallschutz ausgerüstet sind. Davon darf keiner versagen, was eine Produktion mit null Fehlern voraussetzt. Darüber hinaus müssen die Bauteile eine Lebensdauer von mindestens 15 Jahren haben, also auch extreme Langzeitstabilität auf-weisen.

Josef Sedlmair, F&K Delvotec, Ottobrunn

Solche Produkte kann man nicht mehr durch Testen oder Inspizieren in gute und schlechte sortieren, oder genauer ausgedrückt: ein Fertigungsschritt kann in der Praxis nicht mehr danach beurteilt werden, ob seine Produkte zu einem höheren oder niedrigeren Prozentsatz fehlerhaft sind. Diese Fehlerraten bewegen sich nämlich im ppm-Bereich, und schon um festzustellen, ob Prozess A besser ist als Prozess B, müsste man Zehn- oder Hunderttausende Bauteile prüfen, um zu einer belastbaren Aussage zu kommen. In der Praxis zeigt sich aber beispielsweise bei der optischen Inspektion, dass gerade bei geringen Fehlerraten die Sichtprüfer selbst ermüden und die seltenen Fehler dann nicht sehen, weswegen in Extremfällen sogar spezielle Fehler-Dummies eingeschleust werden, um die Kontrolle zu kontrollieren.
Schlechtteile aufzuspüren und auszusondern ist also nicht der Weg zur Null-Fehler-Fertigung. Jenseits einer gewissen Anforderungsschwelle kann Qualität nicht mehr selektiert werden – sie muss von vorneherein produziert werden. Der entscheidende Schritt ist damit, den Fertigungsprozess selbst so weitgehend und hautnah wie möglich zu beherrschen, also genaue Steuergrößen und Messungen an jedem Schritt zu haben. Solche Verfahren sind schon seit langem bekannt und werden als ZDF-Strategie („Zahlen-Daten-Fakten“), 6-Sigma-Strategie, Ishikawa, DIRFT (Do-it-right-first-time), Poka-yoke oder Kai-zen breit diskutiert.
Die Grundlage der meisten Verfahren sind Statistik und die Gauß’sche Normalverteilung. Man geht davon aus, dass ein interessierender Wert (etwa eine Platziergenauigkeit oder ein Durchlassstrom) um den Zielwert herum streut, und zwar in der charakteristischen Verteilung einer Glockenkurve mit einem einzigen Kennwert, der Standardabweichung Sigma. Je kleiner dieses Sigma, desto näher liegen also die Messwerte oder Datenpunkte beisammen, und desto homogener ist das Prozessergebnis. Je enger die Verteilung aber ist, desto seltener sind abweichende Werte über die Toleranzgrenze hinaus.
Um diesen Sachverhalt an einem Beispiel zu verdeutlichen, wählen wir angesichts der nahenden Fußball-WM einen Elfmeterschützen (Bild 1). Er soll die Schüsse möglichst genau auf seine Zielposition abgeben, um die Strafstöße treffsicher zu verwandeln. Nehmen wir an, ein sehr guter Schütze schießt 1000 Mal auf die Tormitte, und eine Ausmessung der tatsächlichen Treffpositionen zeige eine Verteilung mit einer Standardabweichung (Sigma) von 1 m. Dann ergibt sich aus der Gauß’schen Normalverteilung, dass 68,26% der Werte innerhalb von 1 Sigma, also weniger als 1 m, vom Zielwert entfernt liegen, 95,44% innerhalb von 2 m und 99,73% innerhalb von 3 m. Etwas mehr als 2 von 3 Schüssen treffen also maximal 1 m von der Mitte entfernt ins Tor. (Nicht unwichtig ist dabei festzuhalten, dass die 1 m Standardabweichung nach links und nach rechts vom Zielwert gelten, die Schüsse also ein Feld von 2 m Breite überstreichen). Wie viele Schüsse gehen nun tatsächlich am Tor vorbei? Man würde denken, dass ein so guter Stürmer das immerhin 7,23 m breite Tor mit praktisch 100% Ausbeute treffen würde. Übersetzt in unser Beispiel hat der Schütze von der Zielposition in der Mitte des Tors nach jeder Seite 361,5 cm Toleranz, also etwas mehr als die dreieinhalbfache Standardabweichung. In die Gauß-Kurve eingesetzt, erhält man eine Fehlerrate von 0,03% oder eine Ausbeute von 99,97%. Für einen Torschützen wäre ein einziger Fehlschuss unter etwa 3000 Schüssen hervorragend, aber für eine anspruchsvolle Fertigung nicht akzeptabel: 99,97% Ausbeute bedeuten eine Fehlerrate von 300 ppm (Bild 2)!
Der Weg zur Qualitätssicherung geht also über die Prozessbeherrschung, und das heißt zunächst die Charakterisierung des Prozesses. Möglichst viele aussagekräftige Parameter müssen deshalb gemessen, erfasst und ausgewertet werden, um eine Verschlechterung des Prozesses zu bemerken und Gegenmaßnahmen einleiten zu können, lange bevor ein Defekt überhaupt entsteht. Dieses Verfahren ist aus Qualitätsregelkarten längst bekannt, wo aber üblicherweise nur Stichproben genommen werden. Für eine Null-Fehler-Fertigung ist eine 100%-Erfassung von wichtigen Parametern wünschenswert oder sogar notwendig.
Für viele mikroelektronische Bauelemente sind die Prozess-Schritte Die-Bonden und Drahtbonden die technologisch anspruchsvollsten und am schwierigsten zu beherrschen. Daher treffen Inspektionsverfahren für diese beiden Schritte auf besonders großes Interesse auf dem Markt. F&K Delvotec ist ein wichtiger Hersteller für Produktionsequipment in beiden Bereichen und hat sich in der letzten Zeit stärker auf Inspektionsverfahren konzentriert. In einer Serie von Artikeln zum Thema Zero Defect Produktion werden einige dieser Inspektionslösungen und ihre Ansätze näher diskutiert. Die Philosophie und ihre möglichen Weiterentwicklungen werden dann in der letzten Folge näher dargestellt.
Die Standardprüfverfahren wie Schertests beim Die-Bonden oder Pulltests beim Drahtbonden sind zerstörende Verfahren und können daher nur als gelegentliche Stichproben dienen. Während oder unmittelbar nach dem Prozessschritt sind beim Die- und Drahtbonden fast nur optische Inspektionsverfahren sinnvoll; Positions- und Deformationsmessungen und verwandte Verfahren beim Drahtbonden werden noch eigens dargestellt.
Qualitätswesen und Produktionsleitung verlangen von einem Inspektionsverfahren folgende Eigenschaften:
  • Quantitative Erfassung aussagekräftiger Parameter (so können sie auch statistisch ausgewertet werden)
  • Geringer Aufwand für die Erfassung dieser Parameter
  • Leichte Anpassung und Änderung der Inspektionsaufgabe bei Änderung der Bauteile (Programmierung durch Bediener)
  • Keine Verlangsamung der Produktionslinie durch Inspektion
  • Einstellbarer Inspektionsgrad zwischen unter 1% der Produktion (zufällige Stichprobe) bis 100%-Prüfung
  • Erfassung der Inspektionsdaten und Auswertung getrennt, möglichst über Hostrechner und zentrale Datenbank
  • Rückverfolgbarkeit der Inspektionsdaten auf das individuelle Bauteil, Maschine, Operator, Materialien etc.
  • Inspektion möglichst nah am Produktionsgerät, um bei Defekten das betroffene Fertigungsvolumen (Totvolumen) gering zu halten
  • Möglichst universelles Inspektions-Equipment, um bei neuen Produkten oder geänderten Aufgaben ohne große Investitionen in Geräte und Schulung mitzuwachsen.
Für die Inspektion beispielsweise von Lotverbindungen gibt es zahlreiche Angebote verschiedener Hersteller in unterschiedlichsten Automatisierungsgraden. Beim Die- und Drahtbonden steht die Technologie noch weitgehend am Anfang, und F&K Delvotec ist der erste Anbieter, der integrierte praktische Lösungen anbieten kann.
Beim Die-Bonden können folgende Aspekte überprüft werden:
  • Anzahl, Lage, Fläche der Klebepunkte (oder des Klebermusters) vor dem Platzieren des Dies
  • Oberfläche des Chips vor dem Platzieren (Kratzer, Flecken, Beschädigungen, Partikel, Ausbrüche, Kantenfehler)
  • Position des Chips nach dem Platzieren in X, Y und Verdrehwinkel
  • Chipoberfläche nach dem Platzieren (wie oben), zusätzlich mit Kleberresten oder Beschädigungen durch das Tool
  • Verteilung des Klebers um den Chip herum: Menge, Form, Muster.
Beim Drahtbonden können erstmals alle gebondeten Drähte inspiziert werden:
  • Vorhandensein und Anzahl der Drähte
  • Position und Geradlinigkeit des Draht-Loops
  • Position der Bondfüße auf dem Bondpad (ausgewählte Bonds oder auch alle Bonds)
  • Taillängen der Bonds
  • Deformation der Bondfüße
  • Asymmetrie der Bondfuß-Deformation
  • Loophöhen und Loopformen der Drahtbrücken.
Im folgenden Artikel der Serie (EPP 10/2005) wird dann die Postbond-Inspektion für Drahtbonds näher beschrieben.
EPP 453
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