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Steigerung der Zuverlässigkeit elektronischer Komponenten

Anne-Laureen Lauven von Plasmatreat über das neue Redox-Tool
Steigerung der Zuverlässigkeit elektronischer Komponenten

Während der productronica 2023 wurde erstmals das Redox-Tool vorgestellt, eine spezielle Fertigungszelle, welche Oxidschichten im Inline-Prozess entfernt und den Einsatz von Flussmitteln beim Löten überflüssig macht. EPP hatte die Möglichkeit, sich mit Anne-Laureen Lauven, Head of Marketing bei der Plasmatreat GmbH zu unterhalten, um Einblicke in die Dynamik, die Herausforderungen und Chancen des effizienten und umweltfreundlichen Prozesses zu gewinnen.

EPP: Können Sie uns einen Überblick über das Redox-Tool geben? Was macht dieses Plasmasystem einzigartig?

Anne-Laureen Lauven: Kurz gesagt: Mit unserem Redox-Tool entfernen wir Oxidschichten inline von Metalloberflächen. Der Prozess wird mit unserer umweltfreundlichen und effizienten Plasmatechnologie durchgeführt. Mit diesem Tool ebnen wir der Elektronikindustrie neue Wege, den steigenden Anforderungen an die Produktion zu entsprechen. Durch den Einsatz der Lösung kann die Oxidschicht bei der Herstellung von Leiterplatten oder Leistungsmodulen ohne den Einsatz von Flussmitteln entfernt werden. Als Tunnellösung konzipiert, ist das System aber auch bei anderen Prozessen einsetzbar, in denen eine Oxidschicht von Metalloberflächen entfernt werden soll, z. B. vor dem Sintern, Die-Bonden, Drahtbonden und dem flussmittelfreien Thermokompressionsbonden. Sie sehen, das System ist für viele Prozessschritte in der Elektronikindustrie einsetzbar.

EPP: Welche spezifischen Herausforderungen bei der Metalloxidation wurden bei der Entwicklung des Tools adressiert?

Anne-Laureen Lauven: Die Oberfläche von Komponenten und Bauteilen aus Metall oxidieren von Natur aus, sobald sie Sauerstoff ausgesetzt sind. Das Tunnelkonzept sowie die Inlinefähigkeit des Redox-Tools ermöglichen die direkte Weiterverarbeitung der Bauteile. Die hohe Qualität der gereinigten Metalloberfläche kann somit direkt die Ergebnisse des nächsten Prozessschritts positiv beeinflussen, da eine Oxidation, aber auch andere unerwünschte Reaktionen der Oberfläche sowie Verunreinigungen vermieden werden, die den weiteren Prozess stören können. Da Temperatur und Höhe der Luftfeuchtigkeit eine entscheidende Rolle für die Oxidation spielen, haben wir unser Redox-Tool so konstruiert, dass es über verschiedene Temperierzonen verfügt und optimale Bedingungen für die Bauteile schafft.

EPP: Wie funktioniert das Tool im Detail? Könnten Sie die Schlüsseltechnologien oder -prozesse erklären, die für die Effizienz bei der Metalloxidation sorgen?

Anne-Laureen Lauven: Über ein Förderband werden die Bauteile in das Tool hineingefahren. Wie bereits erwähnt, haben wir diese Anlage als Tunnelsystem mit drei verschiedenen Zonen entwickelt. Zuerst durchlaufen die Bauteile die Vorwärmzone. Hier werden sie auf die passende Temperatur für die Plasmareduktion gebracht. In der Reduktionszone wird der Tunnel dann mit Stickstoff geflutet, um eine inerte Umgebung zu schaffen, während der Plasmastrahl N2H2 verwendet, um den Reduktionsprozess durchzuführen. Nach der Reduktion durchlaufen die Bauteile eine Kühlungszone, um wieder auf Umgebungstemperatur für die weiteren Prozessschritte gebracht zu werden. Durch die Verwendung einer einzigartigen Kombination aus Stickstoff und Wasserstoff wird im gesamten Reduktionsprozess auf umweltschädliche Säuren wie Flussmittel oder Zitronensäure verzichtet.

Gemäß Kundenwunsch und Möglichkeiten in der Produktion kann das System bei Bedarf mit zwei Tunneln ausgestattet werden, um den Durchsatz zu optimieren. Hier gewähren wir höchste Prozessflexibilität. Alle Prozessdaten werden aufgezeichnet und über SecsGem oder andere Produktionsautomatisierungssysteme bereitgestellt. Ein optionaler Barcode-Scanner unterstützt die Rückverfolgbarkeit und hilft bei der Erfüllung aller Anforderungen, die unsere Kunden an die Prozessüberprüfung haben.

EPP: In welchen Anwendungsgebieten findet diese Lösung seine Anwendung? Gibt es bestimmte Branchen oder Industriezweige, in denen dieses Plasmasystem besonders vorteilhaft ist?

Anne-Laureen Lauven: Grundsätzlich ist die Anwendung des Redox-Tools bei allen Metallanwendungen denkbar, in denen eine Oxidschicht von der Oberfläche entfernt werden soll. Die ersten Kundenanwendungen sind in der Herstellung von Halbleitern und IGBT Powermodulen zu finden. Weitere Anwendungen und Industriezweige werden nach und nach erschlossen, denn wir stehen neuen Herausforderungen und Kundenanfragen aus anderen Segmenten offen gegenüber. Unsere Innovationsstärke und Flexibilität erlaubt es uns, individuell auf Kundenanfragen einzugehen.

EPP: Welche Vorteile bietet das Tool im Vergleich zu herkömmlichen Methoden der Metalloxidation?

Anne-Laureen Lauven: Das Redox-Tool stellt einen bedeutenden Fortschritt gegenüber herkömmlichen Methoden dar, da es mehrere kritische Herausforderungen bei der Herstellung von elektronischen Bauteilen angeht. Nachfolgend möchte ich die wichtigsten Merkmale nennen.

1. Eliminierung von Flussmittelproblemen: Ein bemerkenswerter Vorteil dieser Technologie ist der Wegfall des Flussmittels, das bei Lötprozessen häufig verwendet wird. Dies vereinfacht nicht nur den Herstellungsprozess, sondern trägt auch zur ökologischen Nachhaltigkeit bei, da weniger gefährliche Stoffe verwendet werden müssen. Da kein Flussmittel mehr benötigt wird, verringert sich auch der Platzbedarf in Reinraumumgebungen, was den Herstellungsprozess weiter vereinfacht.

2. Miniaturisierungsunterstützung: Wenn die Bumps immer kleiner werden, können nur noch flussmittelfreie Verfahren eingesetzt werden, da eine Reinigung von Flussmittelrückständen nicht mehr möglich ist. Flussmittelfreies TCB wird daher die Methode der Wahl für 2,5– und 3D-Klebetechnologien in der modernen Verpackungsindustrie sein.

3. Oxidationsminderung: Die natürliche Oxidation von Metalloberflächen, die durch Feuchtigkeit und Hitzeeinwirkung ausgelöst wird, stellt eine Herausforderung für die Aufrechterhaltung der Haftung bei nachfolgenden Prozessen dar. Das Redox-Tool bekämpft, wie zu Beginn erklärt, dieses Problem effektiv, indem es eine Inline-Metalloxidreduktion bietet.

4. Rückstandsmanagement: Rückstände von Flussmitteln können sich nachteilig auf die Haftung, Leistung und Zuverlässigkeit auswirken. Beim Redox-Tool gibt es keine Rückstandsbildung und somit verbessert es die Gesamtqualität elektronischer Bauteile.

5. Reduzierung von Ausgasungen und Voids: Flussmittelrückstände können zu Ausgasungen und Voids in Lötverbindungen führen. Das passiert beim Redox-Tool nicht, wodurch eine optimale elektrische Leistung und langfristige Zuverlässigkeit gewährleistet ist.

6. Reinigungsherausforderungen gelöst: Die jüngsten Entwicklungen konzentrierten sich auf eine langanhaltende Haftung, ein geeignetes Verpackungsdesign und eine Qualitätskontrolle, um eine ausreichende mechanische Festigkeit, eine ordnungsgemäße Abdichtung, zu garantieren. Das Redox-Tool bietet eine präzise und effiziente Lösung für eine hohe Effizienz über die gesamte Lebensdauer der Leistungselektronik hinweg.

Im Wesentlichen entspricht das Redox-Tool den Trends der Branche, indem es eine umweltfreundliche Oxidreduzierung durch Plasmabehandlung bietet. Dadurch werden nicht nur die Haftungseigenschaften optimiert, sondern auch die zuverlässige Haftung in nachfolgenden Prozessen gefördert. Das Ergebnis ist eine Verringerung von Defekten, Delaminationen und Produktausfällen, was es zu einer zentralen Lösung für die moderne Herstellung elektronischer Komponenten macht.

EPP: Wie gestaltet sich die Anpassbarkeit des Redox-Tools an unterschiedliche Materialien und Anforderungen? Bietet es vielseitige Lösungen für verschiedene Einsatzszenarien?

Anne-Laureen Lauven: Das Redox-Tool zeigt eine große Anpassungsfähigkeit an verschiedene Materialien und Anforderungen und bietet vielseitige Lösungen für eine Reihe von Anwendungsszenarien. Seine Wirksamkeit erstreckt sich auf jede oxidationsfreie Metalloberfläche und macht es zu einer umfassenden Lösung für verschiedene industrielle Anforderungen.

Durch jahrelange Erfahrung und Aufbau eines umfangreichen Know-hows in unserer Forschung und Entwicklung sowie in unserer Anwendungstechnik verfügen wir über die Kompetenz, uns den unterschiedlichen Anforderungen in der Industrie und bei Kunden anzupassen, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.

Wir kennen die Bedeutung individueller Prozessparameter und stellen sicher, dass diese nahtlos in die Funktionalität des Redox-Tools integriert werden. Darüber hinaus werden die Heiz- und Kühlzonen des Werkzeugs sorgfältig eruiert und auf die individuellen Anforderungen des jeweiligen Anwendungsszenarios zugeschnitten. Der Anspruch an die Oxidation bleibt dabei in jedem Fall gleich: Die Oxidschicht auf der Metalloberfläche muss entfernt werden.

EPP: Können Sie Erfolgsgeschichten oder Fallstudien nennen, die die Leistung und Effektivität des Redox-Tools bei der Metalloxidation illustrieren?

Anne-Laureen Lauven: Bei dem Redox-Tool handelt es sich um eine echte Weltneuheit. So ein System gab es bisher noch nie. Wir haben das System auf der productronica 2023 erstmalig der Elektronikwelt präsentiert. Unsere Kunden geben durchweg positive Rückmeldungen. Das System hat die Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen, da es eine zuverlässige, effiziente und reproduzierbare Oxidreduzierung liefert, die auf die besonderen Anforderungen des Produktionsprozesses der Kunden zugeschnitten ist.

Eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte ist der Wegfall von Flussmitteln in der Produktion unserer Kunden. Dadurch wird nicht nur der Produktionsprozess rationalisiert, sondern auch ein Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit geleistet. Durch den Verzicht auf umweltschädliche Chemikalien reduzieren die Kunden den Einsatz von VOCs (flüchtige organische Verbindungen) erheblich und zeigen damit ihr Engagement für umweltfreundliche Verfahren.

Darüber hinaus hat der Einsatz der Plasmatechnologie mit dem Redox-Tool zu einer deutlichen Reduzierung des CO2-Fußabdrucks der Kunden geführt. Dieser Umwelteinfluss steht im Einklang mit dem weltweiten Bestreben nach umweltfreundlicheren Herstellungsverfahren und macht, dass diese Plasmaanlage nicht nur zu einem technologischen Fortschritt, sondern zu einer Lösung, die den Beitrag zur nachhaltigeren und umweltbewussteren Produktionslandschaft leistet.

EPP: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in der Entwicklung und Anwendung dieser Lösung? Gibt es Aspekte, die auf umweltfreundliche Weise adressiert werden?

Anne-Laureen Lauven: Nachhaltigkeit spielt bei uns generell eine große Rolle und ist fest in unserer Unternehmensmission verankert. Umweltfreundlichkeit hat oberste Priorität und unsere Plasmatechnologie spielt dabei eine Schlüsselrolle. Durch sie gelingt es uns z. B. umweltschädliche Praktiken, wie säurelastige Prozesse, zu ersetzen, bei denen Chemikalien verdunsten müssen und/oder teure, energieintensive Öfen zur Trocknung benötigt werden. So tragen unsere Kunden und wir zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei, auch im Hinblick auf die Zukunft sowie nachfolgenden Generationen.

EPP: Abschließend eine letzte Frage: Welche Botschaft möchten Sie potenziellen Kunden oder Interessenten bezüglich des Redox-Tools mitteilen?

Anne-Laureen Lauven: Als Pioniere in der Oberflächenbehandlung mit Plasmatechnologie sind wir bestrebt, an der Spitze der Innovation zu sein. Unsere Bereitschaft, selbst die komplexesten Probleme anzugehen, spiegelt unser Engagement für den Fortschritt auf diesem Gebiet und die Erfüllung der sich entwickelnden Bedürfnisse unserer Kunden wider. Wir sind offen für jede Herausforderung und finden bestimmt gemeinsam mit unseren Kunden eine Lösung, um Oberflächenbehandlung bzw. -reduzierung umweltfreundlicher in Produktionsprozessen zu gestalten und umweltschädliche Prozesse abzulösen.

Wir laden interessierte Leser gerne zum Besuch auf unsere Messen und Veranstaltungen, in unseren Niederlassungen oder auf unsere Website ein. So bleiben Sie auf dem Laufenden über weitere Entwicklungen oder Neuheiten, da wir die Innovation in der Oberflächenbehandlungstechnologie stetig weiter vorantreiben.

www.plasmatreat.de

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