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„Inline-Messtechnik schließt Regelkreise“

Kosten senken und Effizienz steigern
„Inline-Messtechnik schließt Regelkreise“

Genauigkeit und Schnelligkeit sind schwierig zu verbinden – aber genau daran arbeitet Micro-Epsilon mit Blick auf die Inline-Messtechnik, die in Industrie-4.0-Szenarien eine entscheidende Rolle spielen wird. Details dazu erläutert Prof. Dr.-Ing. Martin Sellen, als Geschäftsführer zuständig für Produktion und Entwicklung bei der Micro-Epsilon Messtechnik GmbH & Co. KG in Ortenburg im Gespräch. Einer der Vorteile dabei: Regelkreise lassen sich vermehrt schließen und damit Kosten senken und die Effizienz steigern.

Professor Sellen, welchen Fortschritt bringt uns Industrie 4.0?
Wir können damit speziell in der Produktionstechnik einen klassischen Regelkreis realisieren – weg von der reinen Steuerung hin zur tatsächlichen Regelung. Industrie 4.0 greift damit deutlich weiter als der CIM-Ansatz; es werden noch mehr produktionstechnische Daten erhoben. Ziel ist, mit diesen Daten die Qualität zu verbessern und Kosten zu senken – basierend auf der Idee, bereits im Vorfeld zu erkennen, zu welchem Zeitpunkt ein Eingreifen in der Produktion erforderlich ist, um diese Ziele sicherzustellen. Mit anderen Worten: Man will agieren, bevor Probleme auftauchen – das ist das Ziel, das unsere Kunden, im Automobilbereich etwa BMW und Daimler, mit der Realisierung eines geschlossenen Regelkreislaufs vor Augen haben.
Welche Aufgaben stellen sich damit im Bereich der Datenerfassung?
Hier ist natürlich die Mess- und Prüftechnik gefragt – insbesondere vor dem Hintergrund der Inline-Messtechnik, die genau dieses Schließen der Regelkreise ermöglicht. Generell spielt Messtechnik auch heute schon eine wichtige Rolle, beispielsweise die Koordinatenmesstechnik bei geometrischen Vermessungen – eine hervorragende Technologie, aber eben überwiegend offline eingesetzt. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Koordinatenmesstechnik wird weiter ihre Berechtigung haben, aber mit Blick auf die Inline-Prozesse benötigen wir zusätzlich eine sehr dynamische Messtechnik – hochgenau und schnell.
Kann dies zusammen gelingen?
Genauigkeit und Schnelligkeit sind schwierig zu verbinden – aber die Dynamik der Produktionsprozesse ist hoch, wir werden also beides zusammen realisieren müssen. An Bedeutung gewinnen wird hier sicherlich die optische Messtechnik – weil berührungslos arbeitend! In laufenden Produktionsprozessen ist das ein entscheidender Vorteil, taktile Messtechnik lässt sich hier kaum sinnvoll einsetzen. Realisiert sind solche geschlossenen Regelkreise übrigens schon auf Maschinenebene – etwa in Lackierkabinen. Das muss uns unter den Stichworten Industrie 4.0 und Big Data nun mit kompletten Produktionsprozessen gelingen.
Daten zu erfassen ist das eine, sie zu verstehen ist das andere …
… weswegen wir neben dem Produkt-Know-how zur Messtechnik sehr viel Wert auf das Prozess-Know- how legen! Je besser wir einen Prozess beherrschen – und damit dieselbe Sprache sprechen wie unsere Kunden –, desto eher haben wir auch die Chance, messtechnische Fragestellungen zu lösen. Mit auch ein Grund dafür, dass in unserem Vertrieb erfahrene Techniker und Ingenieure arbeiten, Spezialisten für bestimmte Branchen genauso wie solche für länderspezifische Details. Das erlaubt es uns, im Gespräch die richtigen Fragen zu stellen – und das ist die Voraussetzung, um zu einer tragfähigen Lösung zu kommen.
Sie hatten bereits den Automobilbau als Vorreiter bei Industrie-4.0-Prozessen genannt. Welche weiteren Branchen können davon profitieren?
Ganz sicher der Halbleiterbereich, also die Produktion der nächsten Generation von Halbleitern, Speicherchips sowie Rechnern aller Art.
Kann man die Messaufgaben hier konkret benennen?
Die sind sehr vielfältig – und anspruchsvoll. Nehmen wir beispielsweise die Belichtung von Wafern mittels Lithographie-Maschinen. Für die nächsten Generationen arbeitet man hier an noch kleineren Strukturbreiten, was in der optischen Erfassung zu immer kleineren Wellenlängen führt. Wir erreichen hier Grenzen, an denen Methoden der optischen Fokussierung wegfallen, so dass wir etwa von Glaslinsenobjektiven zu Spiegelsystemen wechseln müssen. Diese Spiegelsysteme bestehen ihrerseits wieder aus vielen Segmenten – die mit Hilfe unserer Aktor-Sensor-Einheit so zu regeln sind, dass wir am Ende ein optimal fokussiertes Licht erhalten. Neben Sensorik und Aktorik erfordert das ein hohes Know-how der Regelungstechnik.
Gibt es ein Beispiel, das exemplarisch zeigt, wie sich Industrie-4.0-Prozesse umsetzen lassen?
Da bietet sich wiederum der Automobilbau an, denn hier sind viele Ideen der Industrie 4.0 bereits umgesetzt – nehmen wir etwa die Lackfehler-Kontrolle. Einer der Aspekte von Industrie 4.0 ist ja die Individualisierung. Jedes einzelne Teil besitzt spezifische Eigenschaften, die jeweils individuelle Arbeitsschritte erfordern. Dabei muss eine Maschine der anderen sagen, was folgend zu tun ist – das genau sehen wir am Beispiel der Lackfehler-Kontrolle. Fehler der lackierten Karosse werden erfasst und nach Größe, Art und anderem klassifiziert. Der nächste Schritt ist dann schon, dass die jeweilige Stelle markiert wird – entweder, damit ein Mensch den Fehler bearbeitet oder noch schöner, damit die Korrektur gleich wieder automatisiert robotergestützt erfolgt. So weit sind wir leider noch nicht, aber das Markieren gelingt bereits. Will heißen: Die Karosse mit ihrem individuellen Fehlerbild wird von einem Roboter markiert, berechnet live durch dessen Steuerprogramm, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Damit ist einer der wesentlichen Aspekte von Industrie 4.0 verwirklicht, in dem eine Maschine individuell mit einer anderen kommuniziert – die Maschinen reden miteinander.
Und sie arbeiten adaptiv, passen sich also der jeweiligen Situation automatisch an?
Absolut – und wir arbeiten bereits an dem nächsten Schritt, in dem der Fehler automatisiert bearbeitet werden kann. Auf Technikumsebene gelingt dies bereits zum Beispiel bei Magna in Graz, mit denen wir zusammen arbeiten.
Kann denn auf diesem Wege auch die Beeinflussung des Lackierprozesses selbst erfolgen?
Das ist im Wesentlichen eine statistische Fragestellung, da nicht jeder Fehler zwangsläufig durch den Prozess selbst zu beheben ist. Ein direkter Zugriff hilft also zunächst nicht weiter, aber über eine ganze Schicht hinweg kann das durchaus Sinn machen. Treten beispielsweise an einer spezifischen Stelle Staubeinschlüsse immer wieder auf, muss es eine Staubquelle geben, die man suchen und eliminieren kann. Auf diese Weise kann man also sehr wohl auf den laufenden Prozess positiv Einfluss nehmen – womit wir einen Regelkreis geschlossen hätten.
Kommt Statistik hinzu, kann Software in den Steuerungen hilfreich sein. Steigt aus Ihrer Sicht die Bedeutung der Software generell und in welchem Verhältnis stehen in Ihrem Haus Softwareentwickler zu Ingenieuren und Physikern?
Der Softwareanteil am Gesamtsystem steigt eindeutig, allerdings hängt das auch sehr von der Art der Sensoren ab. Am Software-lastigsten sind inzwischen die optischen 3D-Systeme. Umgekehrt sinkt sicherlich der Anteil unserer Mitarbeiter, die sich mit der Schaltungs- technik beschäftigen und Platinen entwickeln – wichtig ist aber nach wie vor beides! Softwareseitig reicht die Bandbreite von Bediensoftware und graphischen Nutzeroberflächen bis in die Tiefe der Messdatenerfassung und -auswertung.
Gerade bei dem Zusammenspiel von Messsystemen und Industrie 4.0 taucht zwangsläufig das Thema Big Data auf. Wie gehen Sie das Problem an, von einer Unmenge an Daten hin zu wirklichen Informationen zu gelangen?
Letztlich ist das wieder der Big-Data-Ansatz – ich sammle Informationen aus allen Ebenen und verdichte diese, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen; das geht dann fast nur in der obersten Ebene. Funktionieren wird das aber erst, wenn man aufgrund der vielen beteiligten Systeme zu Standardisierungen kommt – in diesem Sinne können schon verschiedene Abteilungen eines Unter- nehmens oder Standorte ganz andere Welten sein. Ins- besondere große Unternehmen arbeiten aber daran; neben Industrie 4.0 und Big Data spielen dann auch Sicherheitsaspekte eine entscheidende Rolle.
Für Micro-Epsilon wird also vor allem die Inline-Messtechnik ein interessantes Betätigungsfeld werden, die dann auch von Fortschritten bei Rechenkapazitäten und Verarbeitungsgeschwindigkeit profitiert?
Die Inline-Messtechnik ist sicherlich einer der wesentlichen Treiber für die Sensorik insgesamt und für uns – mithin die Frage, wie sich noch mehr Informationen direkt verwenden lassen. Wollen wir nicht nur jedes hundertste Teil in aller Ruhe per Koordinatenmessgerät prüfen, sondern in einem kontinuierlichen Prozess jedes Teil direkt erfassen, vermessen und seine Daten abspeichern, landen wir bei Industrie 4.0 und Big Data. Nur auf diese Weise lassen sich auch statistische Fragestellungen lösen. Und um zu erkennen, ob Fertigungsprozesse aus dem Ruder laufen, sind hochdynamische Systeme erforderlich – optische, berührungslos messende Systeme bieten diese Geschwindigkeit in Verbindung mit möglichst exakten Messungen.
Dieser Schritt gewinnt an Bedeutung. Häufig ist es noch so, dass unsere Kunden ihre Daten selber analysieren. Gerade bei 3D-Systemen kommen aber auch wir verstärkt ins Spiel, wenn es eben nicht nur um Daten wie Höhe, Breite, Tiefe oder Oberfläche geht sondern bestimmte, abgeleitete Aspekte eine Rolle spielen. In diese Ableitung fließt deutlich mehr Know-how ein, das wir natürlich bieten können. Ein Beispiel ist etwa die Farbmessung – sie erfordert doch einiges an Wissen, um das Messsignal interpretieren zu können. Eine typische Fragestellung in diesem Bereich ist, ob zwei Bereiche die gleiche Farbe besitzen – das ist deutlich aufwendiger als nur die Bestimmung des Farbtons an sich. Hier reicht unser Angebot inzwischen bis hin zur Inbetriebnahme vor Ort, so dass wir sicherstellen, dass der Kunde das gewünschte I.O.-/N.i.O.-Signal erhält – ob das Bauteil also in Ordnung ist oder nicht. Wir realisie- ren dieses Angebot auch über Integratoren und System- häuser, mit denen wir eng zusammen arbeiten.
Welche Rolle spielt dabei die Frage, wie Informationen „vom Sensor bis ins ERP- System“ und zurück kommen?
Letztlich ist das wieder der Big-Data-Ansatz – ich sammle Informationen aus allen Ebenen und verdichte diese, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen; das geht dann fast nur in der obersten Ebene. Funktionieren wird das aber erst, wenn man aufgrund der vielen beteiligten Systeme zu Standardisierungen kommt – in diesem Sin- ne können schon verschiedene Abteilungen eines Unternehmens oder Standorte ganz andere Welten sein. Ins- besondere große Unternehmen arbeiten aber daran; neben Industrie 4.0 und Big Data spielen dann auch Sicherheitsaspekte eine ent scheidende Rolle.
Für Micro-Epsilon wird also vor allem die Inline-Messtechnik ein interessantes Betätigungsfeld werden, die dann auch von Fortschritten bei Rechenkapazitäten und Verarbeitungsgeschwindigkeit profitiert?
Die Inline-Messtechnik ist sicherlich einer der wesentlichen Treiber für die Sensorik insgesamt und für uns – mithin die Frage, wie sich noch mehr Informationen direkt verwenden lassen. Wollen wir nicht nur jedes hundertste Teil in aller Ruhe per Koordinatenmessgerät prüfen, sondern in einem kontinuierlichen Prozess jedes Teil direkt erfassen, vermessen und seine Daten abspeichern, landen wir bei Industrie 4.0 und Big Data. Nur auf diese Weise lassen sich auch statistische Fragestellungen lösen. Und um zu erkennen, ob Fertigungsprozesse aus dem Ruder laufen, sind hochdynamische Systeme erforderlich – optische, berührungslos messende Systeme bieten diese Geschwindigkeit in Verbindung mit möglichst exakten Messungen.
Professor Sellen, wir sind gespannt auf kommende Lösungsangebote und danken für das informative Gespräch.
Das Interview führte Michael Corban, Chefredakteur KEM Konstruktion.
„Wir kommen weg von der reinen Steuerung hin zur
tatsächlichen Regelung mit geschlossenen Regelkreisen.“
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