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ESD-sicher dosieren

Ganzheitlicher Antistatik-Schutz reduziert Baugruppen-Ausfälle
ESD-sicher dosieren

Elektronische Baugruppen können manchmal ein sehr kurzes Leben haben. Einigen bleibt sogar die Funktion verwehrt. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Einzelkomponente auf dem Weg zur Baugruppe der Schlag (sprich: eine elektrostatische Entladung) trifft. Das muss nicht unbedingt durch falsches Handhaben geschehen, auch das Dosieren von Klebern oder Pasten kann verheerende Folgen haben, wie der folgende Artikel zeigt.

Scott Breidenthal, Marc Cortez,Techcon-Systems

Höhere Integration
Die Forderung nach immer höherer Integration in der Elektronik lässt die einzelnen Komponenten zunehmend kleiner und deren Anschlüsse enger werden. Beim Handhaben dieser miniaturisierten Bauelemente wird das Problem der elektrostatischen Entladung (ESD) immer größer. Plötzliche Entladungen, die sogenannten Events, können Wafer aber auch gehäuste Bauteile zerstören. Während viele elektronische Komponenten ESD-Events von bis zu 100 V ohne Beschädigung widerstehen können, gibt es solche, die bereits von Spannungen ab 2 V zerstört werden. Ein Beispiel dafür sind magneto-resistive Köp-fe in der Festplatten-Industrie. Seit vielen Jahren werden Maßnahmen wie geerdete Verbindungen, leitfähige Bodenbeläge und Ionisierung gegen die ESD eingesetzt. Diese reichen aber nicht aus, um die Entladungen auf ein akzepables Niveau zu reduzieren und somit empfndlichen Bauelementen oder auch dünnen Filmen gerecht zu werden. Es hat sich herausgestellt, dass man schon am Anfang der Fertigung beginnen muss, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Die getroffenen Maßnahmen müssen den vollständigen Fertigungs-Prozess und alle eingesetzten Materialien umfassen.
Dispensen als Fehlerquelle
Das Dispensen ist ein Schlüsselprozess in allen Bereichen der Fertigung. Egal, ob es sich bei den zu dosierenden Medien um Cyanoacrylate, Lotpasten, leitende Epoxyd-Klebstoffe oder Überzugslacke handelt, das Dosieren spielt in der Fertigung elektronischer Baugruppen eine gro-ße Rolle. Jahrelang wurden Dosierbehälter ohne Beachtung ihrer ESD-Sicherheit eingesetzt. Als das Problem der Zerstörung von Bauelementen zunahm, wurde offensichtlich, dass das Dosierzubehör selbst ein Verursacher der ESD-Events sein kann. Die Kunststoff-Spritzen können sowohl Ladungen erzeugen als auch speichern, die sich dann über empfindliche Bauteile entladen. Das Ergebnis können Fehlfunktionen des Bausteins sein.
Leitfähige Materialien
Als diese Gefahr erkannt wurde, versuchte man, das Problem durch den Zusatz von leitfähigen Materialien in das isolierende Kunststoff-Gehäuse der Spritzen zu lösen. Der erste Versuch, eine leitfähige Spritze zu entwerfen, nutzte Kohlenstoff-Partikel, die in das Plastik eingegossen wurden. Diese Produkte wurden karbonisierte Spritzen genannt. Bis vor kurzem waren sie die einzige Alternative für das ESD-sichere Dosieren. Und obwohl sie für einige Verbesserungen sorgten, warfen sie auch neue Probleme auf, denn Kohlenstoff vernichtet keine statischen Aufladungen. Er leitet die Spannung gegen Masse ab, wenn die Partikel miteinander und mit der Masse verbunden sind. Um dies zu erreichen, ist ein hoher Anteil an Kohlenstoff im Plastikkörper erforderlich. Diese hohe Konzentration hat eine schwarze, absolut undurchsichtige Färbung des Basismaterials zur Folge. Daraus resultieren jedoch mehrere Probleme. Unterer anderem ist es nicht möglich, die im Dosiergefäß vorhandene Restmenge, verunreinigende Substanzen oder Luftblasen zu erkennen.
Kohlenstoff schafft Probleme
Verunreinigungen und Ablagerungen sind zwei weitere Probleme, die vom Einsatz des Kohlenstoffs herrühren. Dieses Material ist instabil und prozesstechnisch nicht berechenbar. Ein Hersteller kann mehrere ESD-sichere Kartuschen produzieren, die alle voneinander abweichende elektrische Eigenschaften haben. Und das kann ernsthafte Auswirkungen haben, wenn diese Eigenschaften in Richtung leitend oder isolierend driften.
Der besondere Charakter von Kohlenstoff und sein mengenmäßig hoher Einsatz kann außerdem zu einer Belastung des Dosierguts führen. Befindet sich beispielsweise eine Flüssigkeit in der Kartusche, können sich Partikel ablösen und somit das Dosiergut verunreinigen. Abhängig vom Einsatzgebiet kann das zu katastrophalen Auswirkungen führen, wenn der Kohlenstoff mit dem Dosiergut chemisch reagiert. Frühere karbonisierte Kartuschen wurden mit soviel Kohlenstoff beaufschlagt, dass mit ihnen ein Schreiben auf Papier möglich war.
Um die Probleme des Ablösens zu minimieren, machen Hersteller neuerdings Versuche mit weniger karbonisierten Materialien. Diese Änderung hat jedoch einen negativen Einfluss auf die Leitfähigkeit beziehungsweise den Widerstand des Materials, weil es dadurch immer hochohmiger wird. Wegen der von ihnen hervorgerufenen Probleme sind karbonisierte Kartuschen eine wenig ideale Lösung zum Schutz von elektrostatisch gefährdeten Bauelementen.
Suche nach Alternativen
Es musste also ein kohlenstoff-freies Material mit ESD-Eigenschaften gefunden werden, das mit allen möglichen Dosieranwendungen kompatibel ist. Techcon-Systems hat deshalb mit Stat-Rite eine polymere Metall-Legierung mit guten elektrostatischen Eigenschaften entwickelt. Bei dieser Polypropylen-Art handelt es sich um ein durchsichtig-blaues Material, das viele Anforderungen an Dosiersysteme erfüllt und mehrere Vorteile gegenüber karbonisierten Kartuschen bietet. Der wichtigste Vorteil ist, dass es trotz seiner antistatischen Eigenschaften das Dosiergut nicht verschmutzt. Im Gegensatz zum Kohlenstoff verfügt die Kartusche ESD700-Blue über eine maximale Innenwand-Stabilität und Material löst sich somit nicht von den Wänden ab. Die höhere Festigkeit während der Herstellung ermöglicht geringere Toleranzen.
Weitere Eigenschaften sind sehr geringe ionische Verunreinigungen, ein Oberflächenwiderstand von 1 x 1010 q/Quadrat und eine Ableitzeit von weniger als 0,5 s. Weil es nicht flüssigkeitsabhängig ist, ist es für den Einsatz in Reinräumen geeignet. Die Kartuschen sind mit Systemen des Industriestandards kompatibel und frei von Silikon und Chlorid. Die Kartuschen werden in Reinräumen der Klasse 100 zusammengebaut, geprüft und verpackt. Ein wichtiger Vorteil von karbonisierten Kunststoffen ist die Lichtundurchlässigkeit in Bezug auf UV-Strahlung. Es wurde angenommen, dass nur mit einem lichtundurchlässigen Material ein Durchleuchten mit UV-Strahlung verhindert wird. Jedoch haben Tests ergeben, dass sich auch das durchsichtig-blaue Material zum Abblocken von UV-Licht anbietet. Dies ist unter anderem nötig für Kleber und Epoxies, die unter Licht aushärten.
Durchsichtige Kartuschen
Durchsichtige Kartuschen bieten zusätzliche Vorteile beim Dispensen, weil es dem Benutzer ermöglicht wird, das benutzte Dosiergut sowie Luftblasen und Fremdstoffe zu sehen. Diese Kartuschen können in allen Dosieranwendungen eingesetzt werden. Das beinhaltet auch Montagearbeiten in Reinräumen, in der Elektronikbestückung, das Herstellen gekapselter Bauteile (Festplatten und ähnliches) sowie die Chip-, Wafer-, Leiterplatten- und Halbleiterherstellung.
Der Schutz vor elektrostatischen Entladungen ist eine dermaßen wichtige Angelegenheit, dass es nicht ausreicht, sich nur auf die Kartuschen zu konzentrieren. Das ganze Dosiersystem muss geprüft werden, um zu zeigen, welche Rolle es in Bezug auf die ESD-Sicherheit spielt. In diesem Sinn müssen Fertiger sicherstellen, dass sämtliches Zubehör wie Nadelaufnahmen, Hubeinrichtungen und so weiter den ESD-Grundsätzen entsprechen. Der Deckel des Einfüllstutzens der Spritze sollte über eine leitende Verbindung zur Nadel, zur Kartusche und zum Controller verfügen und es somit dem Gesamtsystem ermöglichen, elektrostatische Ladungen zur geerdeten Masse abzuleiten.
Fazit
Die Forderung nach schnelleren, kleineren und dichter gepackten Baugruppen steigt genauso wie die Anforderungen an den ESD-Schutz. Nacharbeit und Reparatur von Baugruppen sowie geringe Ausbeuten ziehen hohe Kosten mit sich. Davon betroffen sind nicht nur finanzielle Aspekte, schlimmer noch ist der Ausfall einer Baugruppe in kritischen, lebenserhaltenden Situationen durch Vorschädigung durch elektrostatische Entladung. Jeder Arbeitsschritt im Fertigungs-Prozess muss so gut es geht diese Gefahren ausschließen. Der Einsatz der Stat-Rite-Legierungen sind ein erster Schritt in diese Richtung.
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