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Lötanlagen – auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten

Interview mit Seho-Geschäftsführer Horst Lettner
Lötanlagen – auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten

Lötanlagen – auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten
In der Elektronik hat sich das Löten als Verbindungstechnik von Bauteilen mit Schaltungsträgern weitgehend etabliert. Allerdings zeichnen sich neuen Tendenzen ab, die großen Einfluss auf das Löten nehmen. Die Bleifrei-Technik scheint man zwar mittlerweile im Griff zu haben, aber dreidimensionale Schaltungsträger und flexible Leiterplatten auf Folienbasis, die Reel-to-Reel verarbeitet werden, sind zwei Beispiele für künftige Techniken, die das Löten beeinflussen bzw. verändern könnten. Die Redaktion wollte deshalb von Horst Lettner, Geschäftsführer von SEHO wissen, wie er die Situation beurteilt. Lesen Sie hier seine Antworten zu den Trends beim Löten.

Welche speziellen Eigenschaften zeichnen Lötanlagen heute aus?

Lötanlagen zeichnen sich heute durch die reproduzierbare Erledigung der Lötaufgabe mit geringstmöglichen Fehlerraten aus, wobei hier zunächst zwischen den einzelnen Verarbeitungsarten (Welle, Reflow und Selektiv) zu differenzieren ist. Die Zielvorstellung hinsichtlich der Fehlerraten liegt bei 50 dpm. Neue Technologien, wie die kommende bleifreie Technologie, spielen in diesem Zusammenhang natürlich eine sehr große Rolle. Moderne Lötanlagen müssen allen kommenden Anforderungen gewachsen sein, und zwar nicht erst zum Zeitpunkt X, sondern als Hersteller muss man der Gesetzgebung und der Marktentwicklung immer einen Schritt voraus sein.
Eine leichte Bedienbarkeit, sowohl im Hinblick auf die mechanischen Komponenten als auch die Software und ein möglichst geringer Serviceaufwand zeichnen darüber hinaus moderne Lötanlagen aus. Speziell im Bereich der Software wird der Anwender heute durch eine gezielte Führung bei der Bewältigung von Lötproblemen unterstützt, wie z.B. bei der Erstellung des Temperaturprofils oder bei der Fehlersuche. Auch die Einbindung der Maschinensoftware in ein Hostrechnersystem oder ein Ferndiagnosesystem ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Eine weitere – nicht ganz neue – Anforderung an die heutigen Lötanlagen ist natürlich eine hohe Verfügbarkeit, die häufig im Bereich von 95 bis 98% liegt.
Auch umweltpolitische Aspekte spielen heute eine immer größere Rolle. Ein möglichst geringer Energiebedarf, geringe Wärmeemissionswerte, die das Klima in den Arbeitsräumen nicht unnötig belasten und natürlich auch möglichst niedrige Emissionen durch Verunreinigungen, die über die Absaugvorrichtung nach außen geführt werden, sind in diesem Zusammenhang zu nennen.
Sehen Sie einen Trend zu Löten unter Schutzgasatmosphäre und wodurch wird er ausgelöst?
Lötprozesse unter Schutzgasatmosphäre sind weniger ein Trend, sondern vielmehr State-of-the-Art. Natürlich wird dies durch den „Einzug” der Bleifrei-Technologie in die Elektronikfertigung verstärkt, da mit einer Schutzgasatmosphäre das durch die bleifreien Lotlegierungen ohnehin eingeschränkte Prozessfenster wieder etwas weiter „geöffnet” wird. So wird beim Löten unter Stickstoff beispielsweise eine erheblich bessere Benetzung erzielt. Speziell bei allen Wellenlötprozessen (auch beim selektiven Miniwellenlöten) entsteht durch den geringeren Sauerstoffanteil eine wesentlich geringere Oxidbildung im Lötbad, d.h. der Wartungsaufwand wird verringert und gleichzeitig weniger Lot verbraucht. Darüber hinaus kann mit weniger, bzw. schwächer konzentrierten Flussmitteln gearbeitet werden, was einerseits die Folge von Migrationen vermeidet, sich aber auch positiv auf die Wartungsaufwendungen in der Lötanlage auswirkt. Generell wird beim Löten in einer Schutzgasatmosphäre eine Verbesserung der Lötqualität erreicht, die Reinheit der Flachbaugruppe erhöht (nahezu idealisiert) und Oxidationen weitestgehend ausgeschlossen, so dass es auch nicht zu Verfärbungen an den eingesetzten Materialien kommen kann.
Wie wird sich die Rolle-zu-Rolle-Verarbeitung von Folien als Leiterplattenersatz auf das Löten und die Lötanlagen auswirken?
Reel-to-Reel wird die klassische Leiterplatte nicht ersetzen, ist aber durchaus sinnvoll in Teilbereichen, in denen funktionale oder kostenmäßige Vorteile entstehen, wie beispielsweise im Kfz- und 3D-Bereich. Beispielhaft seien hier die Medizintechnik und Fototechnik genannt.
Bei der Verarbeitung von Folientechnologien sind die Lötprozesse und damit auch die Lötanlagen an die veränderten Lötbedingungen, d.h. die höhere Temperaturbelastung angepasst und so verändert, dass sie mit den heute bekannten, klassischen Lötsystemen kaum noch etwas gemeinsam haben. Die Wellenlötanlagen werden in ihrer bisherigen Form in diesem Segment wegfallen und auch der Reflow-Prozess wird sich hier zu einem selektiven Reflow-Prozess wandeln. Denkbar und teilweise auch bereits im Einsatz sind in der Folientechnologie beispielsweise der Laser-Lötprozess oder auch selektive Heißgas-Lötprozesse.
Wie wird der Trend zu Molded-Interconnect-Devices (MID), die keine hohen Löttemperaturen vertragen, das Löten beeinflussen?
Dass 3D-MIDs lötfähig sind, wurde ja bereits durch unser Mitwirken bei dem im Jahre 1999 abgeschlossenen und vom BMBF geförderten Forschungsprojekt „3D-MID”, unter Einsatz von Werkstoffen wie PP, ABS und PBT, bestätigt. Der Trend zu 3D-MIDs ist jedoch relativ ungewiss, d.h. wann und ob er sich überhaupt durchsetzen wird. Die Entwicklung preiswerter Hochtemperatur-Kunststoffe (PBT) kann die Lötverfahren stark beeinflussen. Hinsichtlich ihres thermischen Verhaltens können MIDs durch unsere Reflow-Lötanlagen und Laser-Lötanlagen problemlos verarbeitet werden. Die Schwierigkeiten liegen mehr im Bereich der Bestückung und dem Pastendruck, da die Schaltungen und die Gehäuseformen oft sehr komplex sind. Je stärker sich die Flex-Technologie durchsetzt, und je besser diese verarbeitet werden kann, desto mehr wird die MID-Technik, mit direkter Bauteilebestückung auf den Trägerwerkstoff, in den Hintergrund gedrängt. Flex-Folie kann wesentlich einfacher und vor allem auch kostengünstiger produziert und anschließend in die 3D-Form gebracht werden.
Geben Sie Leitklebern als Ersatzverfahren zum Löten eine zunehmende Bedeutung und warum?
Die Leitklebetechnologie setzt sich in einzelnen Segmenten durch, wie z.B. in den sehr hohen Temperaturbereichen, die durch den Reflow-Prozess nicht mehr abgedeckt werden können. Wir sprechen hier von Temperaturen von mehr als 300 °C. Das Leitkleben ist allerdings nach wie vor mit nicht von der Hand zu weisenden Nachteilen behaftet. Zum einen ist die Leitklebetech-nik ein relativ teurer Prozess und hat im Verhältnis zum herkömmlichen Lötprozess eine wesentlich schlechtere Dauerstandsfestigkeit. Im Vergleich zu metallischen Verbindungen weist die Leitklebeverbindung darüber hinaus schlechtere mechanische und elektrische Eigenschaften auf, da eine langfristige 100%-ige Leitfähigkeit nicht gesichert werden kann. Auch die Nacharbeit gestaltet sich sehr schwierig.
Welche technischen Trends werden künftig das Löten beeinflussen?
Die erhöhte Miniaturisierung und die damit steigenden Probleme wie Sauberkeit, Siebdruckfähigkeit von Pasten oder Bestückgenauigkeit ist einer der Trends, der den Lötprozess zukünftig beeinflussen wird. Die mit dem bloßen Auge nicht mehr erkennbaren Strukturen von Bauteil und Pad, die Temperaturbelastung von Bauteilen sowie die Prüftechnik werden ebenfalls einen erheblichen Einfluss nehmen. Weiter wird sich die rasch steigende Packungsdichte der Flachbaugruppe und die permanent wachsende Integrationsdichte der Bauteile auf den Verbindungsprozess auswirken. Die Chip-Size-Packages (CSP), Flip-Chips wie auch die neu auf den Markt drängenden HDI-S-Leiterplatten (High Density Interconnect Structure „HDI-S”) fordern ebenso wie die vom Gesetzgeber ab 01.07.2006 festgelegte „Bleifrei-Technik” einen hohen Tribut von den Verarbeitern derartiger Produkte.
Speziell der mechatronische Bereich, d.h. die Integration mechanischer und elektrischer Funktionen, wird zukünftig verstärkt zum Einsatz kommen. Zukunftsweisende und vielversprechende Trends sehe ich außerdem in NT-Flex-Schaltungen (FFC und FPC) sowie in der Polymerelektronik und in der optischen Leiterplatte.
Wie beurteilen Sie die derzeitige und künftige Marktlage bzw. Marktentwicklung bei Lötanlagen?
Generell ist ein Trend feststellbar, dass weniger Anlagen „von der Stange”, sondern bedeutend mehr produkt- bzw. kundenspezifische Lösungen gefordert werden. Der Bereich der Wellenlötanlagen hat sich mittlerweile auf einem hohen Niveau etabliert, und wird dort in den nächsten Jahren auch bleiben. Eine Renaissance könnte dieses Segment zum einen durch die Bleifrei-Technologie erfahren und zum anderen durch den Automobil-Sektor, da im Kfz-Bereich vermehrt Komponenten elektrisch angetrieben werden. Das Innovationspotenzial ist in diesem Bereich enorm groß.
Der Bereich der Reflow-Lötanlagen wird sich in den kommenden Jahren stabil nach oben entwickeln, wobei man dieses Segment differenziert betrachten muss. Einerseits werden die Reflowanlagen in der Klebetechnik zum Aushärten der Kleber eingesetzt, andererseits finden sie Anwendung im Bereich der herkömmlichen Reflowtechnik. In diesem Anwendungsbereich der Umschmelztechnik, sind die Vollkonvektionsanlagen heute so weit entwickelt, dass sie in ihrer Leistungsfähigkeit nahe an die der Kondensationsanlagen herankommen. Das bedeutet, dass das viel zitierte Delta T bei einem guten Vollkonvektionssystem nahezu identisch zu dem einer Kondensationsanlage ist. Der Prozess an sich ist jedoch wesentlich einfacher zu handhaben und durch den wesentlich höheren Durchsatz kostengünstiger.
Speziell im empfindlichen Temperaturbereich, wie zum Beispiel MID oder auch im Hinblick auf die Flex-Technologie, wird die selektive Heißgas-Technologie und der selektive Laser-Lötprozess stark an Bedeutung gewinnen.
Den Bereich der selektiven Löttechnik sehe ich mittelfristig als den am stärksten wachsenden Sektor. Aufgrund der Komplexität der Baugruppen und der neuen Materialien bietet dieses Segment sicherlich das größte Potenzial. Und speziell in diesem Bereich wird der Anwender zukünftig nicht mehr nur nach einem Lötsystem fragen, sondern nach einer Lösung für seine Lötaufgabe.
Wir haben daher verstärkt Entwicklungskapazitäten in diesen Bereich investiert, um die für den jeweiligen Kunden optimale Lösung erarbeiten zu können und dafür ein Baukastensystem entwickelt, das es erlaubt – neben Standardapplikationen – auch ganz produktspezifische Lösungen zu erstellen.
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