Startseite » Allgemein »

Umweltschutz oder Gesundheitsrisiko? OK International, Groß-Gerau

Verringertes Risiko beim bleifreien Löten durch Schadstoffabsaugung
Umweltschutz oder Gesundheitsrisiko? OK International, Groß-Gerau

Neue Vorschriften zur Verwendung bleifreier Elektronik können gut für die Umwelt sein, aber die Hersteller müssen sich auch über die dadurch entstehenden höheren Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz im Klaren sein, und den günstigsten Weg finden, das Problem zu lösen.

Die Hersteller werden gegenwärtig mit all den Wahrheiten und Unwahrheiten, die über das bleifreie Löten kursieren, konfrontiert. Eines ist jedoch auf alle Fälle klar: Alle OEM- und EMS-Lieferanten müssen sich früher oder später mit dieser Technik befassen. Egal, ob es das Ergebnis von möglichen staatlichen Rechtsvorschriften, Druck durch den Verbraucher oder einfach die Erkenntnis ist, dass der Wettbewerber diese Technik bereits einsetzt, und einen Vorteil gewonnen hat, bleibt die Tatsache, dass das Thema Bleifrei besteht und weiterhin auf der Tagesordnung stehen wird.

Viele Hersteller elektronischer Erzeugnisse, gleich ob groß oder klein, produzieren bereits ihre Erzeugnisse mit bleifreien Loten. Und zuständige Organisationen sind berechtigterweise der Meinung, dass sie der Umwelt einen Dienst erweisen, wenn sie so verfahren.
Während bleifreie Lote die Auswirkungen der Elektronik auf die Umwelt jedoch verringern mögen, kann die heute angewendete Löttechnologie die Beschäftigten innerhalb des Werkes mehr schädigen, als es mit verbleitem Lötzinn je der Fall war. Eine Studie des Dänischen Zentrums für Toxikologie [1] befasste sich mit dem Grad der Toxizität von Blei und den Metallen, wie sie in bleifreien Legierungen zu finden sind. Während Blei für den Menschen hochgiftig ist, wurde beim Silber als Standardbestandteil von bleifreien Legierungen herausgefunden, dass es um mehrere Größenordnungen für die Umwelt giftiger ist als Blei. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Verwendung von einigen anderen Metallen in bleifreien Legierungen einen unbekannten toxischen Einfluss haben. Das ist natürlich ein Besorgnis erregender Aspekt bei dem Streben nach bleifreien Loten mit dem letztendlichen Ziel, der Forderung nach verringerten Risikopotenzialen für die Gesundheit nachzukommen.
Ist es also möglich, auf „bleifrei“ umzusteigen, ohne das Risiko für die Beschäftigten zu erhöhen? Können darüber hinaus umweltfreundliche Verfahren eingeführt werden, ohne aber die bereits überzogenen Budgets zu belasten?
Die kurze Antwort darauf lautet „ja“. Das Risiko kann reduziert, und trotzdem können die Finanzen unter Kontrolle gehalten werden.
Das Problem der Dämpfe
Bei jedem Lötprozess, bei dem harzhaltige Flussmittel eingesetzt werden, entsteht Kolophonium, das eine Reihe von gesundheitsschädlichen Stoffen, wie Kohlenmonoxid und Azeton, enthält. Medizinische Untersuchungen in den USA, einschließlich die der Occupational Health and Safety Administration OHSA (vergleichbar mit einer Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Arbeitssicherheit) [2] bringen Kolophonium mit berufsbedingtem Asthma in Verbindung. Asthma ist ein atmungserschwerender Zustand, der, wenn er einmal erst aufgetreten ist, nicht mehr geheilt werden kann. Diese Erkenntnis wird weltweit unterstützt.
Die Verwendung von harzfreien Flussmitteln stellt keine Verbesserung dar, da sie sogar noch gravierendere Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. Sie beinhalten viele Alkohole, Säuren und andere chemische Zusätze, die die OHSA als gesundheitsschädlich für die Beschäftigten und für eine Bedrohung am Arbeitsplatz hält.
Der einzig sichere Weg besteht darin, die kontaminierte Luft vom Arbeitsplatz mit Absauganlagen zu entfernen, um so das Inhalieren von schädlichen Lötrauch und Gasen zu vermeiden.
Gesundheitsschädliche Dämpfe entstehen dort, wo flüchtige Substanzen wie Flussmittel, Pasten, Klebstoffe und Reinigungsmittel über Raumtemperatur erhitzt werden. Bei bleifreien Lötvorgängen, in denen die Löttemperatur höher als beim herkömmlichen Lötzinn liegt, sind Auswirkungen und gesundheitsschädliches Potenzial auch höher.
Zum Beispiel: Eutektisches Lötzinn schmilzt bei ca. 180°C, wobei die maximale Löttemperatur bei ungefähr 210°C liegt. Ein typisches bleifreies Lot, auf der anderen Seite, schmilzt bei ca. 220°C mit einer maximalen Löttemperatur von ungefähr 250°C. Man kann davon ausgehen, dass potenziell gesundheitsschädliche chemische Stoffe und Partikel in größerer Konzentration in die Luft gelangen.
Die höheren Temperaturen sind aber nicht der einzige Grund, warum bleifreie Lote gesundheitsschädlicher für die Beschäftigten sind. „Bleifrei“ erfordert den Einsatz von starken Flussmittelaktivatoren, die wiederum chemische Stoffe enthalten, auf die Haut und Augen allergisch und gereizt reagieren. Um stabile Lötverbindungen zu gewährleisten, müssen die Konzentrationen von Aktivierungsmitteln doppelt so hoch wie beim verbleiten Lötzinn sein. Im globalen Marktumfeld stellt die Anwendung umweltfreundlicher Herstellungsverfahren als Teil der durchgehenden ISO 1400-Zertifizierung einen Wettbewerbsvorteil dar.
Leistungsstarke Schadstoffabsauganlagen
Einige Staaten haben bereits gesundheitsschädliche Emissionen von Loten gesetzlich geregelt. In anderen Ländern, einschließlich der USA, wird dies nicht als ein Verstoß angesehen, schaffen aber schon die Grundlage für künftige Regressansprüche. Darüber hinaus darf man nicht die Kosten für Ausfallstunden der Belegschaft und betriebliche Gesundheitsfürsorge sowie geringere Produktivität außer Acht lassen.
Die größte Gefahr besteht darin anzunehmen, eine Produktion mit bleifreiem Lot wäre sicherer als mit bleihaltigem Lötzinn. Tatsächlich ist der richtige Schritt, das Problem gesundheitsschädlicher Dämpfe direkt anzugehen, und Schadstoffabsauganlagen zu installieren.
Schadstoffabsauganlagen werden häufig als zusätzlicher Kostenfaktor betrachtet, die keineswegs dazu beitragen, den Gewinn zu erhöhen oder die Kosten zu senken. Jedoch näher betrachtet, kommt man zu der Erkenntnis, dass eine effektive Anlage bereits zur Kosteneinsparung beiträgt und sich um ein Vielfaches selber trägt.
Viele der auf dem Markt erhältlichen preiswerten Schadstoffabsauganlagen scheinen auf den ersten Blick den Anforderungen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, volumenstarken Luftdurchsatz und geringen Wartungsaufwendungen zu genügen. Die Realität kann aber anders aussehen.
Viele kostengünstige Filtersysteme zum Beispiel, haben eine sehr schwache Absaugleistung, so dass man von verstopften Filtern ausgehen könnte, obwohl die Ursache in der mangelhaften Saugleistung der Ventilatoren liegt. Der Fehler besteht dann darin, die Filter zu oft zu wechseln, wodurch die Wartungskosten unnötig ansteigen.
Filtereinrichtungen sind grundsätzlich Belüftungsanlagen vorzuziehen, da die Betriebskosten wesentlich geringer sind. Das liegt hauptsächlich daran, dass die kostenintensiv aufbereitete Luft innerhalb der Werksanlage nicht ersetzt werden muss. Belüftungsanlagen, die den Löt rauch von Lötstationen mit Hilfe von Rohrleitungen mit einem Durchmesser von 10 Zoll zu einem Gebläse auf dem Dach hinaus führen, können problemlos 2000 m3/Std. bzw. 1200 Kubikfuß/Min. Luft aus der Produktionshalle nach außen ableiten. Wenn diese Luft durch aufbereitete und temperierte Luft ersetzt werden soll, entstehen hohe Energiekosten.
Bei Filteranlagen befinden sich die Lötrauchabsaugdüsen näher an der Schadstoffquelle, so dass das Volumen der abgesaugten Luft geringer ist. Danach kann die angesaugte Luft durch leistungsfähige Filteranlagen sicher wieder in die Werkshalle zurück geführt werden, was die Kosten für aufbereitete Luft erheblich senkt.
Zu den weiteren Vorteilen von Filteranlagen gegenüber Belüftungssystemen zählen: Flexibilität bei Umstellung der Produktionsanlagen, da die fest installierten Leitungen nicht verändert werden müssen; keine Zustimmung des Gebäudebesitzers für Wanddurchbrüche zur Rohrverlegung; schnelle und kostengünstige Einrichtung; Kosten sparende Wartung des Verrohrungssystems.
Ein ideales Filtersystem
Die meisten Schadstoffabsauganlagen sind – zumindest theoretisch – gleich und besitzen eine Pumpe, die einen Sog zum Absaugen der Dämpfe aus der Atemzone durch ein Filtersystem erzeugt. Eine wirkungsvolle Schadstoffabsaugung kann jedoch nur durch die Installation einer mehrstufigen Filterung erreicht werden. Die führenden Anlagen verfügen über drei Stufen mit Vor-, (HEPA) Haupt- und nachgeschaltetem Aktivkohlefilter.
Die Wahl eines preiswerten Universalluftreinigers, wie man sie bei örtlichen Händlern findet, vermittelt ein falsches Gefühl von Sicherheit. Die Geräte haben oft nur einfache Kohlefilter, die die sichtbaren Rauchpartikel absorbieren, und so den Eindruck einer sauberen Luft verschaffen. Aber sie entfernen nicht die gefährlicheren kleinen und unsichtbaren Schwebstoffe. Ein qualitativ gutes Gerät sollte mindestens eine Absaugeffizienz von 99% bei einer Partikelgröße von 0,3 µm aufweisen.
Ein HEPA-Filter ist für einen durchgehenden Erfolg unerlässlich. Man sollte jedoch wissen, dass es unterschiedliche HEPA-Filter mit vielen Abstufungen gibt, deren Wirkungsgrad durchaus um den Faktor 100 differieren kann.
Jede Einschätzung der Absaugeffizienz kann nur so gut sein, wie die Qualität der Geräte. Ein Absaugsystem, das eine Effizienz über 99,9% verspricht, hört sich in der Theorie zunächst gut an. Aber die schädlichsten Bestandteile von Dämpfen sind die kleinsten, da sie tief in die Lunge eindringen können. Somit ist die Fähigkeit, Schadstoffe kleiner als 1 µm zu entfernen, wirklich ausschlaggebend. Ein zusätzlicher Aktivkohlefilter ist erforderlich, um die gesundheitsschädlichen, flüchtigen Gase und Lötrauch herauszufiltern, die beim Erhitzen von Loten, Klebstoffen und Lösungsmitteln freigesetzt werden.
Ebenfalls ist die Leistung der Pumpe für eine effektive Schadstoffabsaugung sehr entscheidend. Hochwirksame Mehrstufenfilter sind natürlich zwecklos, wenn sie nicht von Luft durchsetzt werden.
Aus diesem Grunde sollte auf einen ungehinderten Luftstrom von 75 Kubikfuß/Min. (123 m3/Std) pro Station bei einem Absaugrohr von 50 mm Durchmesser am Arbeitsort mit einem Absaugdruck von ca. 850 Pa oder höher geachtet werden.
Weitere Kennzeichen einer qualitativ hochwertigen Schadstoffabsauganlage sind deren Größe und die Möglichkeit, sie auf der Werkbank anzubringen. Die Gesamtgröße der Anlage ist ebenfalls entscheidend: Ist sie transportabel, und somit flexibel? Auf der anderen Seite spart ein System, das unter der Werkbank auf dem Boden installiert wird, wertvollen Raum für die Arbeitskraft.
Schlussfolgerung
Bleifreies Löten ist einfach unerlässlich und wird bald jeden Hersteller betreffen, wenn es nicht bereits geschehen ist. Das Arbeiten mit bleifreien Loten setzt gesundheitsschädlichere Dämpfe als verbleite Zinnlote frei, da die Löttemperaturen höher sind und aggressivere Flussmittel für einwandfreie Lötverbindungen erforderlich werden.
Was die Wahl von Filter- oder Absauganlagen betrifft, sind Filteranlagen die kostengünstigste und flexibelste Lösung. Ein Dreistufenfiltersystem mit starker Saugleistung ist die Basis für eine optimale Absauganlage. Orts- und werkbankunabhängige Anordnungsmöglichkeiten sind weitere Pluspunkte.
Schadstoffabsauganlagen stehen sicherlich nicht an der Spitze der Investitionsliste, wenn auf bleifreies Löten umgestellt wird. Aber sie haben einen positiven Effekt auf die Beschäftigten, Umwelt und Grundhaltung des Unternehmens.
EPP 432

[1] Dänisches Zentrum für Toxikologie – Umwelt schutzprojekt Nr. 778, 2003
[2] www.osha.gov: Suche nach berufsbedingtes Asthma
Unsere Webinar-Empfehlung
INLINE – Der Podcast für Elektronikfertigung

Doris Jetter, Redaktion EPP und Sophie Siegmund Redaktion EPP Europe sprechen einmal monatlich mit namhaften Persönlichkeiten der Elektronikfertigung über aktuelle und spannende Themen, die die Branche umtreiben.

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktuelle Ausgabe
Titelbild EPP Elektronik Produktion und Prüftechnik 2
Ausgabe
2.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Hier finden Sie aktuelle Whitepaper

Videos

Hier finden Sie alle aktuellen Videos


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de