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Automatisierte Materialversorgung durch Robotik

Automatisierte Materialversorgung in der Elektronikfertigung
Erhöhte Effizienz mit AIV/AMR-Robotik

Die Elektronikfertigung erfolgt heute auf hochautomatisierten Linien. Aber die Materialversorgung im Umfeld der Linien hinkt beim Automatisierungsgrad noch hinterher. Was bringen smarte Transporteinheiten (AIVs/AMRs) und was ist bei deren Einführung zu beachten?

Philipp Eberherr, Head of Smart Logistics, cts GmbH, Burgkirchen

Die Elektronikfertigung bewegt sich in volatilen, kundengetriebenen Märkten. Kürzere Produktlebenszyklen, viele Varianten, sinkende Losgrößen und Vorlaufzeiten – all dies macht Planung und Steuerung der Produktion zunehmend komplizierter. Das gilt insbesondere für eine reibungslose Materialversorgung der Linien. Kommt das Material zu spät an die Linie, führt dies zu kostentreibenden Stillständen der teuren Anlagen.

Elektronikfertigungen müssen in der Intralogistik mit Flexibilität und Zuverlässigkeit zwei tendenziell gegenläufige Ziele unter einen Hut bringen. Gewährleisten soll dies das Bedienpersonal an den Linien. Diese Teams stehen bereit, um Meldungen über das drohende Leerlaufen von Gurten oder Trays an den Linien aufzunehmen, den Nachschub anzufordern und die Materialien aus Haupt- oder liniennahen Lagern an die Linie zu bringen.

Ist der Auftrag beendet, müssen die überschüssigen Bauteile wieder zurück ins Bauteilehauptlager. Die Folge sind lange Wege und teure Bereitschaftszeiten, letztlich also entsprechend viel Personal in Lager und auf dem Shopfloor.

Die Entwicklung moderner AIVs (Autonomous Intelligent Vehicles) oder AMRs (Autonomous Mobile Robots) erschließt hier Potenziale für deutliche Effizienzsteigerungen und höhere Prozesssicherheit. Die smarten, selbstfahrenden Transporteinheiten sind über Datennetzwerke mit den „materialhungrigen“ Maschinen, automatisierten Lagersystemen und den IT-Systemen für Produktionsplanung, Materiallogistik etc. verbunden. Integrationslösungen in verschiedenen Shopfloors diverser internationaler Automobilzulieferer und Steuerungsproduzenten zeigen den Erfolg von AIVs des Automatisierungsspezialisten cts GmbH in der Intralogistik von Elektronikfertigern.

Auch die großen Kunden des Unternehmens arbeiteten mit dem klassischen Versorgungsbild. Es werden hochautomatisierte, leistungsstarke SMT-Linien in den Produktionshallen verwendet, jedoch erfolgte die Materialversorgung der Produktionslinien durch das linienzugeordneten Bedienpersonal. Die benötigten Materialien wurden auftragsorientiert im Hauptlager kommissioniert und nach dem manuellen Transport an die jeweilige Linie an Zwischenlagern auf teurer Produktionsfläche direkt an der Linie bis zur Auftragsfertigstellung gelagert. War der Auftrag abgearbeitet, musste das nicht gebrauchte Material abgerüstet und zurücktransportiert werden. Entsprechend summierten sich Arbeits- und Transportwege für das Bedienpersonal.

Die Lösung: Automatisierung der Materialversorgung

Gemeinsam mit dem Automatisierungsspezialisten starteten speziell die internationalen Fertiger jeweils in einem Leitwerk ein Innovationsprojekt mit AIVs/AMRs. Insbesondere die Transporte vom Hauptlager zu den liniennahen Automatiklagern für Material zum Ansplicen und Nachfüllen sollten flexibel automatisiert werden.

Den Kern der Flotten bilden AIVs/AMRs auf Basis des LD vom Herstellers Omron. Über ihre Sensoren finden die AIVs ihren Weg selbstständig durch die Werkhallen und erreichen ihre Positionen millimetergenau, ganz ohne Induktionsschleifen im Boden oder andere fest installierte Wegmarkierungen. Der Vorteil: Hindernisse und Menschen werden erkannt, die AIVs weichen ihnen aus und können auch in engen Fertigungen eingesetzt werden, deren Belegung und Aufbau sich ändert. Um die Vielzahl der unterschiedlichen Materialien, Magazine und Ladungsträger sicher aufnehmen, transportieren und übergeben zu können, verfügen die AIVs der Flotte über verschiedene Aufbauten. Die Genauigkeit bei der Positionierung, die Aufbauten und der integrierte Einsatz von Liftlösungen, automatisierten Transporten etc. stellen sicher, dass die AIVs heute ohne Hilfe durch menschliche Bediener Materialien oder Behälter mit den unterschiedlichen Automatiklagern in der Fertigung des Automobilzulieferers austauschen können.

Projekte wie dieses zeigen das Potenzial von AIVs/AMRs und Automatisierung in der Intralogistik. Das Bedienpersonal wird von zeitraubenden Transportaufgaben entlastet und die Zahl von Linienstopps sinkt. Elektronikfertiger mit (teil-)automatisierter Materiallogistik haben das Potenzial, ohne zusätzlichen Personalbedarf mehr und flexibler zu fertigen.

Heterogene Flotten

Was ist bei der Automatisierung der Intralogistik zu beachten? Eine wichtige Lehre: Die Vielfalt der Materialien und die unterschiedlichen Aufgaben bei der Materialversorgung können nur in seltenen Fällen mit einem einzigen Typ von AIVs abgedeckt werden. Je größer die Fertigung, je differenzierter die Materiallogistik und je vielseitiger das Produkt- und Materialspektrum, desto eher müssen heterogene AIV/AMR-Flotten betrieben werden – schon aus Gründen der Investitionssicherheit. Dies führt zu unterschiedlichen AIV/AMR-Typen sowohl hinsichtlich Aufbauten als auch Basisfahrzeugen um die AIVs an die unterschiedlichen Materialien, Ladungsträger sowie Abholungs- und Anlieferungspositionen und -systeme anzupassen.

Das hat Folgen – insbesondere für die Systemarchitektur. AIV/AMR-Lösungen sollten heterogen konzipiert werden, um die Integration weitestgehend über offene, standardisierte Schnittstellen umsetzen zu können. Für die erfolgreiche Integration sind neben Know-how im Bereich Hard- und Software auch fundierte Prozesskenntnisse erforderlich. Eines der wenigen Unternehmen, die sich auf herstelleroffene Intralogistikautomatisierung spezialisiert haben und gleichzeitig langjähriges Branchen- und Prozess-Know-how aus der Elektronikfertigung mitbringen, ist das Unternehmen aus Burgkirchen. Der Vorteil für die Elektronikfertiger: Sie können den Aufbau der Gesamtlösung auf einen erfahrenen Dienstleister übertragen und befreien sich von den enormen Aufwänden und Risiken, die eine Integration von Lösungen verschiedenster Soft- und Hardwareanbieter – Linienkomponenten, Lagersysteme, AIVs/AMRs, ERP/MES etc. – mit sich bringt.

Die Architektur der cts-eigenen Middleware AIV-Framework zur Steuerung der AIV-Flotte ist modular und herstellerübergreifend konzipiert und bietet auch die Möglichkeit via Tracking-Devices selbst manuelle Fahrzeuge wie Gabelstapler und Routenzüge einzubinden. Neben den vorhandenen Schnittstellenmodulen zu Steuerungssystemen (bspw. Siemens oder Beckhoff) und Geräten zum Be- und Entladen der Linien (bspw. IPTE, Asys, YJLink, Rundfunk-Gernrode) ist es möglich, Geräte über offene XML-Schnittstellen oder ein individuell zu entwickelndes Schnittstellenmodul anzubinden. So lässt sich im Takt der Fertigung eine automatisierte, event- und informationsgetriggerte Transportauftragserstellung für AIVs/AMRs realisieren.

Transportaufträge für die AIVs können sowohl direkt über vorhandene Drittsysteme (ERP, MES, WMS) beim jeweiligen Kunden als auch dem im AIV-Framework verfügbaren regelbasierten Transportmanager „Order Creator“ realisiert werden. Sämtliche Module der Flottensteuerungs-Middleware verfügen über offene REST-Schnittstellen (Representational State Transfer), über die Drittsysteme Prozess- und Status-Informationen einfach und individuell konfigurierbar abgreifen können.

Auch eine manuelle Eingabe von Aufträgen für die AIVs kann ganz unkompliziert über einen REST-Call erfolgen. Die Abläufe werden konfiguriert und können so jederzeit individuellen Bedürfnissen beim Elektronikfertiger angepasst und auch erweitert werden. Die webbasierte Bedienung der Middleware AIV-Framework ermöglicht den Zugriff von allen browserfähigen Geräten, also auch Tablets und Smartphones.

Ein weiterer Vorteil der Lösung: Neben AIVs können weitere Robotikanwendungen über die Middleware integriert werden.

Transparenz für Zukunftssicherheit

Durch die Vernetzung von Produktionslinien, des AIV-Flottenmanagements sowie der internen Systeme des Elektronikfertigers erfolgt die Auftragsvergabe zur Materialbereitstellung und der Lieferung an die Linie nun vollautomatisch ohne manuelle Interaktion: Die von cts installierten AIVs verrichten ihre Arbeit als effiziente und zuverlässige „Helfer“ des Linienpersonals. Die bedarfsgerechte Anlieferung an die Linien reduziert den Bedarf, große Bauteilreserven an der Linie vorzuhalten. Verspätungen in der Belieferung sind dennoch auf ein Minimum reduziert: Das System kennt über die Vernetzung Bedarfszeitpunkte, die Lagerorte aller von den Maschinen angeforderten Teile und die für den Transport erforderlichen Zeiten.

Dazu haben die Unternehmen nun durch die digitale Materialerfassung und Lokalisierbarkeit der AIV/AMR stets den exakten Überblick über den Verbleib des Materials.

Die Integration über eine Middleware schafft Zukunftssicherheit, weil Austausch oder Hinzufügen über- oder untergeordneter Systemkomponenten (neue AIVs, aber auch ein neues MES) weitgehend unabhängig von den übrigen Systemkomponenten erfolgen können. Alle AIVs/AMRs – unabhängig vom Hersteller – werden über ein System gesteuert, Bewegungen und Status lassen sich über ein zentrales Monitoring überwachen.

www.group-cts.de

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