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Wie künstliche Intelligenz AOI- und AXI-Systeme revolutioniert

Der Weg zur autonomen Inspektion
Wie künstliche Intelligenz AOI- und AXI-Systeme revolutioniert

Ob KI unterstütztes Erstellen von Prüfprogrammen oder KI-Klassifikation von Pseudofehlern am Verifikationsplatz: Die ersten Schritte zur autonomen Inspektion sind getan. Derzeit werden Assistenzsysteme für AOI- und AXI-Systeme entwickelt, die den Bedienern zunehmend Arbeit abnehmen sollen. Doch bis zur Vollautomatisierung der optischen Inspektion ist noch ein Stück Weg zu gehen.

Historisch betrachtet gab es mehrere technologische Paradigmenwechsel im Bereich der AOI- und AXI-Systeme“, meint Andreas Türk, Produktmanager Röntgensysteme bei der GÖPEL electronic.

Bei den AOIs wurden zunächst orthogonal blickende Kameras mit überschaubaren Beleuchtungsvarianten eingesetzt. Später kamen schräg blickende Kameras und ausgeklügelte Beleuchtungen unterschiedlicher Wellenlängen und Richtungen hinzu. Danach zog die 3D-Bildaufnahmetechnik in das AOI ein, um Lötstellen sicherer bewerten zu können. Im Bereich der AXI-Systeme ist diese Entwicklung durchaus vergleichbar. Beginnend mit der senkrechten (2D) und schrägen (2.5D) Durchstrahlung einer Baugruppe, entwickelten sich nach und nach 3D-Röntgensysteme zur Lötstelleninspektion in mehreren Schichten. Mit Einzug der 64-Bit Technologie und leistungsfähiger digitaler Röntgendetektoren waren diese erstmals schnell genug für den Einsatz in der Produktionslinie. „Rückblickend waren es meist Hardware-Technologien, die einen grundlegenden Wandel für die Inspektionssysteme brachten. Der nächste Paradigmenwechsel steht im Bereich der Software bevor“, so Türk. Die künstliche Intelligenz ist hier der Treiber für einen weiteren Technologiewandel.

Autonomes AOI-/AXI-System spart u.a. Kosten

Das Ziel ist ein vollständig autonom arbeitendes AOI-/AXI-System. Doch warum bringt dies Vorteile? Neben den Anschaffungs- und Wartungskosten sind es vor allem die Kosten für das Personal, die bei der Prüfkosten-Kalkulation zu Buche schlagen: Experten zur Erstellung der Prüfprogramme und Personal zur Klassifikation gefundener Auffälligkeiten am Verifikationsplatz. Hier setzt die KI an, um den Aufwand für den Mensch zu reduzieren und Kosten zu sparen. In Zeiten knapper Personalressourcen können Mitarbeiter an anderen Stellen eingesetzt werden. Nicht nur bei deutschen Elektronikfertigern zeigt sich ein klarer Trend zur Individualisierung – kleine Losgrößen müssen schnell und vor allem kosteneffizient produziert und inspiziert werden. Ein Prüfprogramm muss also mit vielen Assistenzfunktionen und wenigen Klicks erstellt werden können und ab der ersten Baugruppe funktionieren. Dank der künstlichen Intelligenz soll dies zukünftig völlig autonom, ohne Zutun eines Mitarbeiters, möglich sein. Dies trägt einen wesentlichen Teil zur Reduzierung der Prüfkosten bei kleinsten Stückzahlen bei.

Wo stehen wir heute? Wie inspizieren wir morgen?

Bereits seit einigen Jahren wird die künstliche Intelligenz in Inspektionssystemen von Göpel electronic eingesetzt. In Anlehnung an die Entwicklungsstufen des autonomen Fahrens lassen sich Stufen für das autonome Inspizieren ableiten. Stufe für Stufe wird der Zeitaufwand für die Mitarbeiter reduziert. Ausgehend von assistierten, teilautomatischen Schritten bis hin zum Endziel – der vollautomatisierten, autonomen Inspektion.

Bereits heute ist die Prüfprogrammerstellung bei den 3D-AOI Systemen des Unternehmens automatisiert. Ein Blick zurück: früher begann alles mit dem Daten-Import. Im Anschluss erfolgte die manuelle Zuweisung der Artikelnummern zu vorhandenen Bibliothekseinträgen. Dies war aufwändig, da jede Artikelnummer von Hand zugeordnet werden musste. Abschließend erfolgte die manuelle Anpassung der Prüfparameter. Das ist Geschichte. Die nun automatisierte Programmerstellung beginnt zunächst mit Datenimport. Nach dem Import stehen Bauteilparameter (Name, Position, Artikelnummer etc.), Layout- und Pad-Informationen zur Verfügung. Es fehlen noch detaillierte Angaben zum Gehäuse und zur Lötstelle (Abmessungen, Höhe, Pin-Form). Dazu erstellt das 3D-AOI ein exaktes Abbild des jeweiligen Gehäuses und der Lötstellen mit Hilfe der ersten produzierten Baugruppe. Im nächsten Schritt werden diese Informationen verwendet, um die jeweilige Gehäuseform zu ermitteln und alle benötigten Prüffunktionen zuzuordnen. Das Prüfprogramm wird erstellt und automatisch eine Bauteilbibliothek, basierend auf den Artikelnummern, angelegt. Im letzten Schritt erfolgen die Ausführung des Prüfprogramms sowie die automatische Anpassung der Prüfparameter an die realen Prozessschwankungen. Zur Vermeidung von Schlupf werden Toleranzgrenzen eng um die tatsächlichen Messwerte gelegt und entsprechend realer Schwankungen unter Berücksichtigung von Plausibilitätskriterien korrigiert. Dem zugrunde liegt eine wissensbasierte Intelligenz. Künftig soll es möglich sein, ein Prüfprogramm ohne reale Bildaufnahme einer ersten Baugruppe zu erstellen. Ein vollständig digitales Abbild der Leiterplatte mit Bauteilen und Lötstellen – der digitale Zwilling, wird helfen, ein neues Prüfprogramm, ohne physisch vorhandene Baugruppe erstellen zu können.

„Es gibt bereits KI-Prüffunktionen, die ohne Einstellparameter auskommen, da sie ein vortrainiertes KI-Modell zur Klassifizierung verwenden“, erklärt Andreas Türk. Als aktuelle Projektbeispiele nennt er die Röntgeninspektion prismatischer Batteriezellen auf Fremdkörper oder die AXI-Prüfung von Mantelthermoelementen direkt in der Produktionslinie. Gewisse Fehlermerkmale sieht man als Mensch oft schnell – die Maschine benötigt jedoch einen Experten, der die Parametrierung einer Prüffunktionen beherrscht, um das Merkmal korrekt bewerten zu können. Hier hilft die KI, die anhand von Bildbeispielen trainiert wird. Im Ergebnis entsteht ein KI-Modell, das die Bewertung ohne Einstellparameter vornimmt. So geschehen bei der Bewertung von Schweißverbindung an Mantelthermoelementen.

Weitere KI Anwendungen sind in Arbeit wie im Bereich der Röntgeninspektion KI-Lösungen für die Void-Erkennung, der BGA Head-in-Pillow Findung sowie der Kurzschlusskontrolle. Zudem ergeben sich KI-Ansätze im Bereich der vorausschauenden Wartung und der Analyse von Ergebnisdaten aller Inspektionssysteme in der SMT-Line. „Es ist noch ein Stück Weg zu gehen bis zur vollautomatischen Inspektion – aber wir haben schon ein gutes Stück zurückgelegt.“ meint Türk.

KI am Verifikationsplatz

Nicht nur bei der Prüfprogrammerstellung spart die KI bereits Personalressourcen. Auch an Verifikations- und Reparaturplätzen gibt es großes Potential zur Zeit- und Kostenersparnis. Göpel electronic setzt dazu auf das Softwaremodul AI advisor.

Basierend auf vortrainierten Modellen trifft der AI advisor für jede durch das Inspektionssystem gefundene Auffälligkeit eine eigene Entscheidung. Die KI-Entscheidung basiert dabei auf den in der Vergangenheit getroffenen Verifikationsentscheidungen des Menschen in vergleichbaren Fällen. Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten wie mit der KI-Entscheidung umgegangen werden kann. Zum einen können Auffälligkeiten, die mit hoher Konfidenz als Pseudofehler klassifiziert werden, direkt über die KI bewertet werden – ohne Zutun des Menschen. Dies spart Zeit. Zum anderen kann der AI advisor warnen, wenn es durch eine Fehlentscheidung des Menschen zum sog. Human-schlupf käme. Klassifiziert das Personal einen realen Fehler fälschlicherweise als Pseudofehler, wird der Nutzer aufgefordert, seine Entscheidung nochmals zu überdenken. Gerade bei Röntgenbildern – hier ist die Interpretation oft anspruchsvoller – ist der AI advisor eine willkommene Unterstützung. Diese AI advisor Funktionalität wird stetig erweitert mit dem Ziel einer vollständig autonomen Klassifikation aller gefundener Auffälligkeiten.

Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser

„Doch oft gibt es noch ein mulmiges Bauchgefühl bei der Verwendung von künstlicher Intelligenz im Bereich der Inspektionssysteme“ merkt Türk an. Warum hat die KI so und nicht anders entschieden? Findet die KI zuvor gefundene Fehler noch nachdem sie mit neuen Bildbeispielen trainiert wurde? Das sind berechtigte Fragen, auf die es heute schon erste Antworten gibt. Die KI muss vertrauenswürdig sein – Entscheidungen müssen nachvollziehbar sein. Dazu arbeitet das Unternehmen an der nachvollziehbaren KI, um Vertrauen und Akzeptanz zu steigern. „Man darf nicht vergessen: Die KI ist nur so gut wie der Mensch, der sie trainiert hat, und das hängt ganz von der Auswahl der Daten, ihrer Vollständigkeit und einer durchweg korrekten Beschriftung/Kategorisierung ab“, sagt Türk.

Bis zum autonomen Inspektionssystem ist noch ein Stück Weg zu gehen. Der nächste, durch KI vorangetriebene Paradigmenwechsel bei den AOI- und AXI-Systemen ist bereits in vollem Gange. Das Ziel ist klar: durch KI sollen Personalressourcen geschont und Prüfkosten reduziert werden. Bereits heute stehen Assistenzfunktionen bei der Prüfprogrammerstellung und der Fehlerverifikation zur Verfügung. Diese werden stetig erweitert bis hin zum autonom arbeitenden Inspektionssystem.

SMTconnect, Stand 4A.222

www.goepel.com

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